Als wir im Herbst 2019 mit der Planung dieser Ausgabe begannen, konnten wir nicht ahnen, dass aufgrund einer weltweiten Pandemie der Themenkomplex «Pflege und Gesundheit» deutlich stärker in der Öffentlichkeit präsent sein würde. Bis dato waren etwa die kämpferischen Erfolge der Pflegebewegung an den Krankenhäusern, in der Gesellschaft wie in der radikalen Linken höchstens ein randständiges Thema. In der Interventionistischen Linken, in der bereits seit einigen Jahren eine Handvoll Ortsgruppen kontinuierlich die Auseinandersetzungen an den Kliniken unterstützt, schwankte das Interesse der meisten Genoss*innen in der Regel zwischen Gleichgültigkeit und passivem Wohlwollen.

...zum Editorial

Bildpolitik

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Staying sick

Objekte der Gesundheits-Sorge

Jo Sordini

Keine objektive Krankheit, sondern endlose Krankheits-Objekte: Schubladen, Schränke, Krankenhäuser, Straßen voller Dinge, durch die wir unsere Körper markieren, kategorisieren, aktivieren, sezieren, sedieren. Masken, Spritzen, Pflastersteine, Tabletten, Meßgeräte, Pflegeseife, Desinfektionsspray, Einweghandschuhe, Mikrochips, Skalpell, Hammer, Sichel. Get well soon, sagt das Huhn.

Thema

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Aus Krankheit eine Waffe machen!

Gesundheitskämpfe um das ‹Gute Leben›

Andreas Wulf

Krankmachende Lebens-, Wohn- und Arbeitsbedingungen machen uns nicht nur invividuell zu schaffen, sie sind auch sind immer wieder Anlass gesellschaftlicher Mobilisierung und Debatten. Aber wann kämpfen Menschen um ihr «Recht auf Gesundheit»?

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Das klassenlose Krankenhaus

Idee und Geschichte eines gescheiterten Reformversuchs

Philipp Schink

Das klassenlose Krankenhaus ist ein radikales Reformprojekt der späten 1960er Jahre, das, obwohl es schließlich nicht umgesetzt und innerhalb eines anderen gesundheitspolitischen Rahmens entworfen wurde, als Idee auch heute noch attraktiv ist.

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Tool Detective

Forensische Ermittlungen zu Krankheit und Genesung

Aski Elber

Ich tue alles, um gesund zu werden. Ich muss den Fall lösen. Ich bin intelligent, aber nicht übermäßig. Ich bin kein Sherlock Holmes, kein Junkie, der Verbrechen aufklärt, um am eigenen Verstand high zu werden. Ich bin auch nicht Rust, der trinkt, weil er das menschliche Bewusstsein für einen tragischen Fehltritt der Evolution hält. Es geht mir um Nüchternheit. Es gibt gute und weniger gute Phasen in meiner Genesung. Neuerdings überfällt mich oft eine seltsame Traurigkeit. Depressionen? Was stimmt nicht mit mir?

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Mit Blaulicht durch die Pandemie

Solidarische Gesundheitsversorgung weitergedacht

Polikliniksyndikat

Die Auswirkungen der Pandemie auf bestehende gesellschaftliche Ungleichheit und das profitorientierte Gesundheitssystem sind gewaltig. Sie müssen solidarisch und lokal angegangen werden.

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Activist Grief

Ein Gespräch über mentale Gesundheit, Aktivismus und Sorge

Redaktion

Ahmed Said ist ägyptischer Aktivist und lebt zurzeit in Berlin. arranca! sprach mit ihm über seine persönlichen Erfahrungen und den Umgang mit psychischen Erkrankungen in politischen Systemen, die diese immer wieder hervorbringen. Welche Rolle spielen Aktivismus und Widerstand für die eigene mentale Gesundheit?

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Nicht nur dein Problem

Gesundheit als eine Frage der Gesellschaft

Freytag Grau

Während eines Termins bei unserer Hausärztin erzählen wir vom chronischen Husten. Vielleicht sprechen wir auch den Tinnitus an. Sollte das Gegenüber Zeit haben, fällt uns auch noch ein zu sagen, dass wir manchmal plötzlich anfangen zu weinen, aber nicht wissen wieso. Wenn es gut läuft, erhalten wir eine Überweisung an andere Expert*innen und die Frage, ob wir schon einmal an eine Therapie gedacht haben.

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Inklusion der Kritik

Reflexion der Psychiatrie-Kritik

Kathrin Vogel & Peter Mast

Das Verhältnis der Linken zur Psychiatrie ist in den letzten 100 Jahren durch widersprüchliche Entwicklungen gekennzeichnet. Was können wir aus den Metamorphosen und Sackgassen linker Psychiatriekritik, von der Anti-Psychiatrie bis hin zur ‹Trigger-Warnung›, heute lernen?

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Macht Therapie Radikal?

Ein Funke emanzipatorischer Veränderung: Radikale Therapie

Mix & Yasha

Was ist Radikale Therapie? Wie ist sie entstanden? Kann Therapie politisch sein? Mix und Yasha praktizieren Radikale Therapie (RT) und leiten selbst Gruppen an. Hier berichten sie darüber, wie diese für die eigene politische Praxis nützlich sein kann.

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Polikliniken 2.0?

Ein Interview mit den Gesundheitskollektiven aus Berlin, Hamburg und Köln

Gesundheits-AG der IL Berlin

Der permanente Krisenzustand des deutschen Gesundheitssystems verstärkt den Ruf nach solidarischen Alternativen. Tatsächlich entstehen seit einigen Jahren Gesundheitszentren in Städten wie Berlin, Hamburg, Leipzig, Dresden und Köln, mit denen eine Gesundheitsversorgung demokratisch und ganzheitlich organisiert werden soll. Wir haben mit drei dieser Projekte über ihre Motivation und politischen Ansatz gesprochen.

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Resilienz: Der neueste heiße Scheiß …

… der Entpolitisierung von Gesundheit und Gesellschaft

Stefanie Graefe

Ob emotionale Intelligenz, Achtsamkeit oder gewaltfreie Kommunikation: dass wir auch unser Gefühls- und Beziehungsleben optimieren sollen, ist schon länger bekannt. Mit dem zunehmend populären Konzept der Resilienz tritt die Logik der therapeutischen Selbstoptimierung aktuell in eine neue Phase – was nicht zuletzt deshalb interessant ist, weil es dabei um deutlich mehr geht, als um Selbstoptimierung.

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Kapital und Gesundheit

Der Kampf um gesunde Arbeit

Wolfgang Hien

Seit der Hochindustrialisierung ist das Thema «Arbeit und Gesundheit» politisch ebenso virulent wie hoch konfliktär. Die Klasse der Arbeitenden hat ein Recht auf die Unversehrtheit des menschlichen Körpers einschließlich ihrer Psyche, das Kapitalinteresse hingegen ist auf Leistungssteigerung und Vernutzung orientiert. Folgend wird die gegenwärtige Auseinandersetzung um «gute Arbeit» und «Gesundheit bei der Arbeit» aufgegriffen und kritisch diskutiert.

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Carearbeit, die krank macht?

Gesundheit in der Kinder- und Jugendhilfe

Luzi Ohr

Wenn wir Gesundheitssysteme radikal neu denken wollen, dürfen wir nicht am Ausgang des Krankenhauses stehen bleiben. Um (psychische) Gesundheit geht es beispielsweise auch in der Kinder- und Jugendhilfe. Was können Aktivist*innen von den Beschäftigten im Care-Bereich lernen und wo sind Anknüpfungspunkte für den Kampf um ein gutes Leben für alle?

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«Mehr von uns ist besser für alle»

Die Streikbewegung für mehr Personal im Krankenhaus

Gesundheits-AG der IL Berlin

Lange Zeit galten die Krankenhäuser als schwer organisierbar und die Pflege als wenig kampffreudige Berufsgruppe aufgrund ihrer fürsorglichen, weiblich konnotierten Aspekte.­ Dieses Image wurde bereits von der Pflegebewegung 1989 in Frage gestellt. Damals ging es vor allem um die Anerkennung und Höherbewertung der Pflege als qualifizierte Lohnarbeit und gegen das Bild der sich um alles kümmernden «Schwester» aus Zeiten, als sich der Großteil der Krankenhäuser noch in kirchlicher Trägerschaft befand. Seit einigen Jahren breitet sich eine Streikbewegung an den Krankenhäusern aus, die sich nun gegen die Folgen der Ökonomisierung richtet, die vor allem die Beschäftigten zu spüren bekommen.

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Durchleuchtet und gespeichert

Die Digitalisierung der Medizin im Überwachungskapitalismus

Besonders die Debatte um Handytracking zur Verlangsamung der Ausbreitung von COVID-19 hat gezeigt, wie sehr auch in der Medizin die Digitalisierung an Bedeutung gewinnt. Doch auch vor der Ausbreitung des Corona-Virus war Digitalisierung im Gesundheitssektor schon ein großes, mit vielen Gefahren und Problemen behaftetes Thema.

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Männlich? Weiblich? Divers!

(M)ein Weg zur Personenstandsänderung

SMS, 31.10.2019: «hallo liebe menschen! es hat geklappt! seit eben bin ich offiziell divers! mit neuer geburtsurkunde! das wollte ich euch grad schnell wissen lassen;-) liebst, tobbe» Beim Standesamt meines Geburtsortes war alles einfach. Keine unverschämten Fragen zu meiner Geschlechtsidentität oder meinen Genitalien. Der Weg zur ärztlichen Bescheinigung war leider ziemlich unschön …

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«Wir wollen von der Gesundheitsbewegung lernen»

Eine feministische Spurensuche

Inga Zimprich & Julia Bonn

Aktionsformen, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Kollektive im Gesundheitswesen entstanden an der Schnittstelle zwischen Frauen*bewegung und Hausbesetzer*innenszene. Als Feministische Recherchegruppe sind wir auf Spurensuche gegangen und haben eine Ausstellung und eine Publikation über die Gesundheitsbewegung in West-Berlin entwickelt.

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Aussortiert?

Pränatale Tests auf Down-Syndrom

Carola Pohlen

«Ganz besonders liegt uns am Herzen, jedem Neugeborenen eine optimale Startchance ins Leben zu geben», heißt es auf der Website von Eluthia. Die Firma bietet Bluttests für Schwangere an, um mögliche Trisomien bei Ungeborenen feststellen zu können. Fast alle entscheiden sich nach positivem Test für den Schwangerschaftsabbruch.

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Der Sorge die Ketten sprengen

Kämpfe für eine feministische Pflege- und Sorgearbeit

Lara Lappen & Toni Sorella

Die gesellschaftliche Verteilung und Organisierung von Reproduktionsarbeit ist einer der Dreh- und Angelpunkte feministischer Kämpfe um eine gerechte Neuausrichtung der Geschlechterverhältnisse. Bei Reproduktionsarbeit geht es um Tätigkeiten wie Kinder betreuen, Müll rausbringen, aber auch um zuhören und umsorgen. Im Zuge der Ökonomisierung des Gesundheitswesens geht es vor allem um Profit, der aus überwiegend weiblichen Beschäftigten gezogen wird.

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«Den Anspruch nicht aufgeben, sondern einfordern»

Politischer Aktivismus im Bereich Gesundheit

Redaktion

Die Gesundheits-AG der Interventionistischen Linken ist seit sieben Jahren gemeinsam mit Beschäftigten der Berliner Kliniken aktiv, um für mehr Personal im Krankenhaus und ein Ende der Ökonomisierung zu kämpfen. Jetzt in Zeiten des Corona-Virus können sie auf diese langjährige Zusammenarbeit aufbauen. Die arranca! sprach mit Laura, die schon seit Beginn in der AG aktiv ist.

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Who's wanted?

Warum unsere Kinderwünsche leider nicht nur uns etwas angehen

Anthea Kyere & Jenny Funke-Kaiser

Deutsche Bevölkerungspolitik kontrolliert, wer Kinder haben kann und soll. Wir wollen aufzeigen, wie sich dies auch in der Gesundheitsversorgung widerspiegelt und was feministische Antworten darauf sein könnten.

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Gesundheitsversorgung für Alle?

Antirassistische Kämpfe im Dschungel der Berliner Verwaltungspolitik

Bündnis Solidarity City Berlin

Seit über 20 Jahren wird politisch um sie gerungen: die Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere. Das Bündnis Solidarity City Berlin kämpfte dafür vier Jahre lang, doch die Umsetzung bleibt weit hinter den Forderungen zurück. Solidarische Bündnisarbeit trifft auf Realpolitik – warum der Kampf dennoch wichtig ist.

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Fuck DRG!

Gegen die Ökonomisierung des Gesundheitswesens

Gesundheits-AG der IL Berlin

Seit mehr als 20 Jahren dominieren marktwirtschaftliche Prinzipien das bundesdeutsche Gesundheitssystem. Doch dies war nicht immer so: Der Einfluss der Arbeiter*innenbewegung zu Zeiten seines Entstehens ist auch heute noch spürbar. In unserem Überblicksartikel skizzieren wir zunächst die Entwicklung des Gesundheitssystems in Deutschland, um darauf aufbauend seine Ökonomisierung und deren Folgen für Patient*innen und Pflegende verständlich zu machen.

Rezensionen

Marx im Krankenhaus

Ökonomisierung als Gesellschaftstheorie

Horst Krause

Robin Mohans Dissertation ist marxistische Theoriebildung, historischer Überblick über den Wandel pflegerischer Arbeit im Krankenhaus und soziologische Feldstudie in einem.

Den Sozialismus zum Leben erwecken

Thore

Raul Zelik entwirft ein Programm, wie wir die Notbremse ziehen und dennoch zum grünen Sozialismus kommen.