Unsere Ausgangslage in Raul Zeliks neuem Buch ist schlecht: Neben den Entbehrungen und Zwängen des Alltags droht unserem Planeten der Kollaps. Doch statt einer Umkehr der Situation zum Besseren scheint die Welt von politischen Monstern weiter in den Abgrund getrieben zu werden. Das Untote herrscht über das Leben, die Städte und unsere Beziehungen. Unsere Gesellschaft führt ein Zombie-Dasein und wir mit ihr. Längst hat man eingesehen, dass sich dringend in der Welt etwas ändern muss. Doch der umweltzerstörende Neoliberalismus wandelt weiter als Untoter und auch die Linke schaut paralysiert zu. Als politische Subjekte ereilt uns das Gefühl der Ohnmacht oder Fremdbestimmtheit in der Welt nur allzu oft. Laut Zelik könne der Zombiefication und der Katastrophe aber nur eine Perspektive des gesellschaftlichen Aufbruchs ein Ende bereiten.
Politik der ersten Schritte
Eine Klima-Krise droht nicht nur, sie ist bereits Realität. Die Politik verwaltet das Elend nur und entzieht sich der Verantwortung. Am besten zieht man noch Profite aus der Katastrophe. Als Pakete zur Klimarettung gibt die Politik ihre Deals mit dem Kapital und den Verursachern der Klimakrise aus. Wohlstand und Fortschritt seien sicherzustellen. Es ändert sich lediglich die Art des Weitermachens. «Daß es ‹so weiter› geht, ist die Katastrophe», erinnerte Walter Benjamin vor mehr als 80 Jahren und mahnte uns des falschen Fortschrittglaubens. Vor fast 50 Jahren fand im Jahr 1972 eine drohende Klima-Krise eine erste Erwähnung im Bericht des Club of Rome. Weder der Spätkapitalismus noch die sozialistischen Versuche, deren kritischer Reflexion ein eigenes Kapitel gewidmet ist, haben sich der Lösung dieser Aufgabe angenommen.
In einem linken Green New Deal sieht Zelik das Programm für das Hier und Jetzt. Konkrete Maßnahmen beispielsweise zur Dekarbonisierung treffen auf Forderungen nach Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Antirassistische oder feministische Kämpfe um Gerechtigkeit und Solidarität fließen auf natürliche Weise mit ein. Der Dualismus von Reform und Revolution findet im Buch keinen Platz, auch wenn es sich in der ersten Häfte mitunter so liest.
Abschied vom Fortschrittsglauben
Die Notwendigkeit eines sozioökologischen Sozialismus wird an vielen Stellen betont und ausbuchstabiert. Das kapitalistische Wirtschaften darf nicht einfach einen grünen Anstrich bekommen. Nur indem wir der Fortschrittslogik vom reinen Wachstum und Individualismus ein Ende bereiten, kommen wir an unser Ziel. Zeliks Maxime eines grünen Sozialismus schließt daran an: Neben der Aneignung der Produktionsmittel muss auch der Stoffwechsel mit der Natur gesellschaftlich und demokratisch reglementiert werden, um so lange wie möglich ein gutes Leben sicherzustellen. Dafür müssen sich unser Konsum genauso ändern wie die Art und Weise, wie wir produzieren. Es müssen also auch neue Formen von gesellschaftlicher Kooperation erprobt werden. Die Eigentumsverhältnisse stehen schon lange der ökologischen Konversion und noch energischer der gesellschaftlichen Transformation im Weg. Zelik bleibt mit diesem Buch seinem Projekt treu, Klassenpolitik und Ökologie gemeinsam im emanzipatorischen Sinne voranzubringen.
Poltik des Lebens
Es droht die Katastrophe, aufgeben ist uns also nicht gestattet. Im Film bleibt den Untoten oft nur das Schicksal der Ausrottung oder der Heilung durch äußere Einwirkung. Nach Zelik ermöglicht ein grüner Sozialismus, dass wir uns selbst aus unserer misslichen Lage befreien. Auch wenn das materialreiche Buch in viele Modelle einführt, gilt es vor allem davon auszugehen, wo wir in der Realität stehen. Das heißt: die bestehenden Praxen der Menschen in den Blick zu nehmen und dort ein antikapitalistisches Projekt zu verankern. An welchen Orten kommen die Wütenden und Ausgeschlossenen bereits zusammen, um an einer besseren Welt zu arbeiten?
Zelik stellt die Frage, die uns heute mehr denn je beschäftigt: Was ist unser Umgang mit der drohenden Katastrophe und wie positioniert sich eine radikale Linke in dieser Krise. Es gehe schon länger nicht mehr darum, nur die parlamentarische Macht zu ergreifen. Wir müssen vielmehr mit der Verknüpfung von ökologischer und sozialer Frage Transformationsmacht aufbauen. Langfristige Organisierung und Bündnisse müssen den Druck der klimabesorgten Teilöffentlichkeit weitertragen, um den Schalter für die ökosozialistische Transformation umzulegen. Hier hat die Linke sich zu verorten. Wir haben uns aus unserer Kreiselbewegung zu lösen, müssen Orte der politischen Auseinandersetzung suchen. Dafür können wir bei Zelik Antworten finden.