Bildpolitik

Die Deutung der Welt

Zum Bildbeitrag der Ausgabe

image-shift

Neben der Gestaltung dieser Ausgabe war das Berliner Büro image-shift auch für den hier dokumentierten Bildbeitrag dieser Ausgabe verantwortlich.

Holy Damn It

Von der Dringlichkeit radikaler Antworten

Verschiedene

Das internationale Kunstprojekt HOLY DAMN IT ist eine künstlerische Intervention im Prozess der politischen Auseinandersetzungen um gesellschaftliche Alternativen. Im Rahmen der Protest- und Widerstandsbewegungen gegen das Treffen der G8-Staaten in Heiligendamm haben zehn KünstlerInnen und Künstlerkollektive aus vier Kontinenten jeweils ein Plakat gestaltet.

I. Die Politik der G8 und neue globale Akteure

I. Die Politik der G8 und neue globale Akteure

Redaktion & Redaktion Analyse und Kritik & Redaktion Fantômas & Redaktion So Oder So

Die Weltwirtschaft ist nach wie vor in Nationalstaaten fragmentiert. Deshalb sind internationale Institutionen notwendig. Dazu gehören der Internationale Währungsfond (IWF) und die Weltbank ebenso wie die Welthandelsorganisation (WTO) und die Gruppe der Acht (G8). Im Rahmen dieser Politik werden auf der einen Seite einzelstaatliche Interessen artikuliert und durchgesetzt; auf der anderen Seite werden die Rahmenbedingungen für die globale Ökonomie ausgehandelt. Die Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Nationalstaaten findet jedoch alles andere als konfliktfrei statt. Nicht nur weil unterschiedliche Interessen vorliegen, sondern auch aufgrund der Machtungleichgewichte zwischen den Staaten.

Von Antreibern und Getriebenen

Zur Bedeutung des G8-Prozesses und der Proteste

BUKO Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft

Juni 2007. Am 2. Juni ziehen Hunderttausende durch die Straßen von Rostock, die Medien berichten von der «größten und buntesten Demonstration des vereinigten Deutschlands». Es ist nur der Auftakt: Die Aktionen, Camps und Gegengipfel der folgenden Woche stellen den «Weltwirtschaftsgipfel» fast in den Schatten.

Imperialer Multilateralismus in der Krise

Zum «Formtief» von IWF, WTO und G8

Peter Wahl

Im Zuge der ökonomischen Globalisierung wurden die großen multilateralen Institutionen – IWF, Weltbank, WTO, OECD, BIZ 1, NATO – zu einem Verbund integriert, der das neoliberale Projekt auf politischer Ebene flankierte. Wie die Spinne im Netz sollte die G8 dafür als informelle Schalt- und Koordinationsstelle fungieren. Das System war nicht perfekt. Aber es zeichnete sich so etwas wie eine real existierende global governance ab: ein Flechtwerk, herrschaftsförmig und hierarchisch strukturiert, mit imperialem Charakter, das die Geschicke des Planeten zu bestimmen schien.

Im Schatten der Geschichte

Die Weltbank verliert an Bedeutung

Aram Ziai

Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank wurden nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Ägide der USA in Bretton Woods aus der Taufe gehoben. Sie waren in den folgenden Jahrzehnten zentrale Agenturen für die Durchsetzung des kapitalistischen Entwicklungsmodells. Sie sorgten für die Integration der ehemaligen Kolonien in den Weltmarkt und so für die Sicherung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten im Interesse der westlichen Industrienationen und ihrer Konzerne. Während der Verschuldungskrise wurden sie in den 1980er Jahren zunehmend in den G8-Prozess integriert. Doch welche Bedeutung haben sie heute?

Die Aufsicht über das globale Kapital

Wider den Abgesang der globalen US-Hegemonie

Leo Panitch & Sam Gindin

Als würde man die Maxime, nach der die Eule der Minerva ihren Flug in der Dämmerung beginnt, allzu wörtlich nehmen, wird der imperialistische Charakter der USA heute offenbar verspätet eingestanden, nur um sein nahe bevorstehendes Ende zu verkünden – das „Sich-Auflösen“ der US-Hegemonie. Dabei wird die militärische Besetzung des Irak oft als verzweifelter Versuch angesehen, der Welt eine erlahmende US-Führungsrolle durch Waffengewalt wieder aufzuzwingen. Was diese Analysen für gewöhnlich ignorieren, ist die einzigartige Wirkungskraft und das räumliche Ausmaß des imperialistischen Staates USA und seine spezifische Rolle bei der Entstehung der Weltwirtschaft in der Nachkriegszeit.

European Empire

Die Europäische Union unter deutscher Ratspräsidentschaft

Gerhard Klas

Vier der G8-Staaten – Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien – gehören zur Europäischen Union (EU). Viele der Themen, die auf dem G8-Treffen verhandelt werden – vor allem Energiesicherheit und internationale Konflikte – sind auch Themen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, unter der die EU nicht nur ihren liberalen Binnenmarkt auf weitere Sektoren wie Energie und Postwesen ausweiten, sondern auch ihr militärisches Profil weltweit schärfen will. Dafür – da sind sich EU-Kommission, die meisten Regierungen der Mitgliedsstaaten und die Mehrheit des Europäischen Parlaments einig – ist die in Frankreich und den Niederlanden abgelehnte EU-Verfassung eine wichtige Grundlage.

Der Große Sprung auf den fahrenden Zug

China als globaler Akteur

Henning Böke

Der rasante wirtschaftliche Aufstieg der Volksrepublik China wird im Westen in allen politischen Lagern mit einer gewissen Ratlosigkeit verfolgt: Während die Wirtschaftseliten die Chancen der Kooperation und die Gefahren der Konkurrenz erörtern, tut sich die Linke schwer mit dem Verständnis einer Entwicklung, die sie an das Scheitern eigener Hoffnungen und Träume erinnert. Erinnert sei an das Jahr 1971: Selten gab es auf einer UN-Vollversammlung so lebhaften Applaus wie bei der Aufnahme der Volksrepublik China. Vielen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt galt die chinesische Revolution als Vorbild, und auch in den Metropolen des Westens genoss das von Mao Zedong geführte Land nicht nur in der radikalen Linken Sympathien, sondern bis weit in den damaligen linksliberalen Mainstream der entwicklungspolitischen Diskussion hinein.

Die Welt zu Gast in Afrika

Der neue Wettlauf um Afrikas Ressourcen

Henning Melber

Neu ist es für den afrikanischen Kontinent keinesfalls, dass dessen menschlichen und anderen natürlichen Reichtümer geplündert werden. Bereits Karl Marx stellte in seiner Kritik der Politischen Ökonomie höchst unsensibel aber kategorisch fest, dass mit der „Jagd auf Schwarzhäute“ die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsweise herauf dämmerte. Anders ausgedrückt: Wer Globalisierung für ein neuzeitliches Phänomen hält, muss aus afrikanischer Perspektive mindestens bis zu den Zeiten des Sklavenhandels zurückgehen, um verstehen zu können, wie Europa Afrika unterentwickelte. Seither haben sich zwar die Formen des ungleichen Tausches geändert, die Nutznießer der nach wie vor extern orientierten Werttransfers blieben hingegen weitgehend dieselben.

Hobbes im Supermarkt

Krieg, Demokratie und Konflikt im Empire

Antonio Negri & Judith Revel & Michele Sardi

In den Kriegen der Gegenwart begründet sich ein verändertes Verhältnis von Krieg und Demokratie. Neue Terrains und Formen des Konflikts entstehen ebenso wie neue Widerstände und Fluchtlinien. Nichts wird mehr sein, wie es war. Die zentralen Probleme des Wandels lassen sich entlang dreier diskursiver Achsen zusammenfassen. Die erste bezieht sich auf die „Natur“ des Krieges und sein Verhältnis zur Gesellschaft, auf den darin angelegten Formwandel der Souveränität und die daraus erwachsende Physiognomie der Herrschaft. Auf der zweiten geht es um die politische Ökonomie, die der Kriegsführung zugrunde liegt und auf die sich heute die Kriege niedriger Intensität stützen.

Aggressive Verteidigung der Wagenburgen und Festungen

Sicherheitspolitik im globalen «Krieg gegen den Terror»

Wolfgang Kaleck

Der 11. September 2001 werde die Welt verändern. So hieß es allenthalben nach den Anschlägen in New York und Washington. Und in der Tat, die Politik des permanenten Ausnahmezustands im Zuge des „Krieges gegen den Terror“ stellt den Geltungsanspruch verfassungsrechtlicher Garantien und internationaler Verpflichtungen offensiv in Frage. Über aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich sprach Martin Beck mit Wolfgang Kaleck, Strafverteidiger aus Berlin und Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).

Die Große Mauer des Kapitals

Über die Abschottung des Neoliberalismus durch neue Eiserne Vorhänge

Mike Davis

Als die glückstrunkenen Massen 1989 die Berliner Mauer zu Fall brachten, erhofften sich viele eine Ära grenzenloser Freiheit, versprach doch die Globalisierung ein Zeitalter beispielloser Mobilität. In Wirklichkeit jedoch hat der Triumph des neoliberalen Kapitalismus die größte Welle von Mauerbauten in der Geschichte ausgelöst. Ein Dutzend Länder ist derzeit damit beschäftigt, seine jeweilige Version der Berliner Mauer oder des Eisernen Vorhangs zu errichten.

II. Kampffeld Energie/Öl/Geistiges Eigentum

II. Kampffelder Energie, Öl und geistiges Eigentum

Redaktion & Redaktion Analyse und Kritik & Redaktion Fantômas & Redaktion So Oder So

Es gibt Dauerbrenner auf der Agenda der G8-Gipfeltreffen. Das Thema Energie gehört dazu. Die Ölkrise der 1970er Jahre bildete den Hintergrund des G8-Gründungsprozesses. Auch dieses Jahr wird die Energiepolitik eine zentrale Rolle spielen. Dafür sorgt allein der kürzlich veröffentlichte UN-Weltklimabericht. Er machte die Dringlichkeit einer globalen Klimapolitik deutlich.

Die Chokepoints der anschwellenden Bedrohungsgesänge

Zur Energiepolitik Chinas und Deutschlands

Josef Moe Hierlmeier & Rolf Engelke

Die Fundamente der Weltordnung verändern sich derzeit mit dem Aufstieg Chinas und Indiens rasant. Im Zentrum künftiger Konflikte wird noch mehr als bisher die Versorgung mit fossilen Energieträgern stehen. Droht ein neues Zeitalter eines «barbarischen Ölimperialismus» (Altvater), verbunden mit einem ebenso barbarischen terroristischen Fundamentalismus? Das emanzipatorische «Lager von Porto Alegre» steht vor großen Herausforderungen.

Geburtswehen des Mittleren Ostens

Die US-Strategie zur Transformation der Region

Jürgen Wagner

Die Neuordnung des Nahen und Mittlerer Ostens ist eines der erklärten Ziele der Außenpolitik unter US-Präsident Georg W. Bush. Obwohl die Besetzung des Iraks sich zu einem Debakel entwickelt hat, sind weitere Militärschläge nicht auszuschließen. Der militärische Aufmarsch und die Eskalationsdynamik deuten auf bevorstehende Luftschläge gegen die Atomanlagen im Iran hin. Darüber hinaus werden Pläne zu einer weitgehenden Zerstückelung der Region entwickelt.

Irak verstehen

Von Eliten, die nicht regieren können, und von einer herrschenden Klasse, die nicht herrschen kann

Sabah Alnasseri

Keine sehr provokative, wohl aber eine realistische These: Es gibt keinen Bürgerkrieg im Irak. Die BesatzerInnen suggerieren: Die Spirale der Gewalt ist hausgemacht, die Verantwortung für den Krieg tragen seine Opfer. Richtig ist: Es gibt einen Konflikt zwischen intern zerstrittenen regierenden Eliten und ihren außerparlamentarischen Widersachern.

Dreht Putin dem Westen das Licht ab?

Russlands Energiepolitik und transnationale Kooperationen

Gisela Neunhöffer

Europäische EnergiepolitikerInnen haben seit einiger Zeit ein neues Thema – die Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen, die durch die Energiestreitigkeiten zwischen Russland und den Transitländern Weißrussland und Ukraine, die zuletzt im Januar 2007 zu kurzfristigen Blockaden der Pipelineverbindungen nach Westeuropa führten, verdeutlicht wird. Droht eine neue Gefahr aus dem Osten? Wie viel ist dran an diesen Bedrohungsszenarien? Welche Prioritäten setzt die russische Energiepolitik? Verläuft der Interessensgegensatz wirklich so, wie er dargestellt wird?

Kein Blut für Petro-Dollar?

Das Weltgeld und das Schmiermittel des globalen Kapitals

Ingo Stützle & Markus Euskirchen

Auch Verschwörungstheorien haben manchmal einen realen Kern. Die Initiative Nachrichtenaufklärung nominiert seit zehn Jahren vernachlässigte Nachrichten. Im Jahr 2005 befand sich unter den Top-Ten die Meldung, dass der Iran eine internationale Ölbörse plant. Der Rohstoff, der die Welt bewegt, sollte dort nicht mehr in US-Dollar, sondern in Euro gehandelt werden.

Material Girl in an Immaterial World

Warum Angela Merkel mit ihren Kollegen an der Ostsee über Geistiges Eigentum sprechen will

Sabine Nuss

Wenn demnächst MarathonläuferInnen auf Hamburger Sportplätzen ihre Runden drehen, kann es sein, dass sie nicht nur in, sondern auch auf Nike-Turnschuhen laufen. Auf gefälschten. Die zu Bodenmaterial geschredderten Markenimitate waren Teil der Produktfälschungen, die der Zoll Ende 2006 im Hamburger Hafen entdeckt hat. Plagiate in 117 Containern mit einem Gegenwert von mehr als 383 Mio. Euro wurden «sichergestellt». Was nicht zu Bodenplatten verarbeitet werden konnte, wurde verbrannt. Mit dieser und ähnlichen medienwirksamen Aktionen sollen nicht nur die Plagiate aus dem Verkehr gezogen werden, es soll auch ein Zeichen gesetzt werden gegen Herstellung und Vertrieb von gefälschten Produkten, die Marken, Patente, Gebrauchsmuster, Designrechte oder Urheberrechte verletzten.

Biopiraten kapern Heiligendamm

Die G8-Staaten und die Privatisierung genetischer Ressourcen

BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie

Biopiraterie bedeutet „geistige Eigentumsrechte“ an Nahrungsmittel- oder Heilpflanzen, kurz gesagt: um Patente auf Leben. Wirkstoffe der Heilpflanzen werden patentiert, Gemüse- und Getreidesorten unter Sortenschutz gestellt. Die Patente haben meist Konzerne aus G8-Ländern inne. Sie sichern sich so die exklusive Vermarktung – vor allem in den USA, der EU und Japan.

III. Das Lager von Porto Alegre

III. Bewegung der Bewegungen

Redaktion & Redaktion Analyse und Kritik & Redaktion Fantômas & Redaktion So Oder So

Die Treffen der G8 sind zu hoch symbolischen Orten geworden – und zwar für alle Beteiligte. Minutiös geplante Abläufe, Kampagnen im Vorfeld und eine enge Zusammenarbeit mit den Medien machen aus den Gipfeln PR-Veranstaltungen. Mit der zunehmenden sozialen Unsicherheit innerhalb der Gesellschaften des globalen Nordens kommt dem souveränen Auftritt der RepräsentantInnen der neoliberalen globalen Ordnung immer größere Bedeutung zu. Es wächst die Notwendigkeit, Gestaltbarkeit der Globalisierung zu demonstrieren.

Neue Gemeinplätze

Bewegung, Organisierung und linke Intervention

Thomas Seibert

Von breiten Bündnissen getragene Großmobilisierungen sind immer ein Anlass, perspektivische Fragen nach dem Stand der sozialen Bewegungen und ihrer politischen Linken aufzuwerfen und die Antworten auf diese Fragen neu zu diskutieren.* Die Mobilisierung nach Heiligendamm ist die Gelegenheit für einen Rückblick auf den letzten G8-Gipfel in Deutschland, der 1999 in Köln stattfand. Und sie gibt Raum für eine Zwischenbilanz der Bewegungen, die sich seitdem als «globalisierungskritische Bewegungen» bezeichnen.

Experimentierfelder einer vielfältigen Bewegung

Über die mögliche Reichweite der Proteste

Yvette Schreiber

Zum Jahresabschluss 2006 zerplatzten bunte Farbbeutel an den Wänden des Kempinski Grand Hotel Heiligendamm, das die G8 im Juni 2007 beherbergen wird. Im Begleitschreiben hieß es: «Wir haben das Ziel des nächsten Jahres markiert.» Ach, wenn es doch so einfach wäre: Ziel markieren und nichts wie hin zum Ostseestrand, den «magischen Ort» Heiligendamm erleben! Seit nunmehr rund 18 Monaten bereiten sich Gruppen und Organisationen auf die Proteste vor. Doch was bringen solche Gipfelereignisse eigentlich? Eine Zwischenbilanz wenige Monate vor dem G8.

Bono-fikation

Zur Politischen Ökonomie von Making Poverty History

Ben Trott & Emma Dowling

30.000 Menschen haben im Jahr 2001 in Genua gegen den G8-Gipfel und gegen die Ordnung der Welt, für die die G8 stehen, demonstriert. Nur vier Jahre später, im schottischen Gleneagles, waren ähnlich viele Menschen auf der Straße, doch diesmal anscheinend für den Gipfel. Unter dem Motto und dem Banner von Make Poverty History (MPH) hatten Tausende eine Menschenkette durch das Stadtzentrum von Edinburgh gebildet, während sich gleichzeitig einige der berühmtesten Popstars der Welt an Bonos und Bob Geldofs Live8-Konzerten beteiligten. An den 2. Juli 2005 wird man sich als den Tag erinnern, an dem sich die «Weltzivilgesellschaft» versammelt hatte, um die G8 aufzufordern, die Welt besser zu machen.

Der Elitenkonsens ist aufgekündigt

Gewerkschaften, Globalisierung und soziale Bewegungen

Frank Deppe

In den westlichen Metropolen waren die beiden letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts durch eine tiefe Krise der Gewerkschaften charakterisiert. Nach dem Aufleben von Klassenkämpfen in den 1970er Jahren begann in den 1980er und 1990er Jahren die ökonomische, politische und ideologische Vorherrschaft des Neoliberalismus. Deregulierung, Privatisierung und Flexibilisierung waren die Schlagworte, mit denen konservativ-liberale Regierungen den Angriff auf Sozialstaat und Gewerkschaftsmacht eröffneten. In der Folge gerieten die Gewerkschaften in die Defensive und litten neben Mitgliederverlusten unter der Erosion ihrer Mobilisierungs- und Kampffähigkeit.

Nichts bleibt wie es war

Das Post -Genua -Italien

Emiliana Armano & Raffaele Sciortino

Die Welle aus Seattle erreichte Italien in Genua und löste eine sehr heterogene globalisierungskritische Bewegung aus. Dies betrifft die soziale Herkunft, das Alter, die politischen Themen, die Organisationszugehörigkeit und die Motivation der Teilnehmenden. Bemerkenswert waren insbesondere die vielen jungen Leute und die vielen aktiven Frauen. Es gab nichts, was auch nur entfernt auf eine Klassenidentität im „fordistischen“ Sinn hinwies. Entlang der zentralen Themen werden im Folgenden die Linien des sozialen Konflikts skizziert, der durch die Ereignisse in Genua im Jahr 2001 ausgelöst wurde. Mit ihnen zeichnet sich eine neue kollektive Praxis ab.

Soziale Bewegungen in den USA

Ein kurzer Überblick über aktuelle Entwicklungen

Gene Ray & Henrik Lebuhn

Die Proteste von Seattle, mit denen die globalisierungskritische Bewegung Ende 1999 das Gipfeltreffen der Welthandelsorganisation (WTO) sprengte, stehen wie kaum etwas anderes in der jüngeren Geschichte der USA für das Wiedererstarken außerparlamentarischer Politik. Nach zwei langen Jahrzehnten der Entpolitisierung flammen heute wieder viele lokale Proteste auf. Das Spektrum reicht von Kampagnen gegen Rassismus, Polizeigewalt und neofaschistische Organisationen über neue Stadtteilinitiativen und Umweltbewegungen, gewerkschaftliche «living wage»-Kampagnen für die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, studentische Antimilitarismusgruppen, bis zu alternativen Mediennetzwerken und Kampagnen gegen Sweatshops und transnationale Konzerne. Die meisten dieser Initiativen sind allerdings (noch) weit davon entfernt, eine politische Wirkung zu entfalten, die über die lokale Ebene hinausgeht.

Ungleiche Mobilisierungszyklen

Sozialer Protest, Antikriegsbewegung und „Globalisierungskritik“ in Frankreich

Bernhard Schmid

Frankreich gilt als eines der wichtigsten Ursprungsländer der ‹globalisierungskritischen› Bewegung: Hier entstand in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre die Bündnisorganisation attac, die später in vielen Ländern Nachahmer gefunden hat. In seinem Ursprungsland ist das ‹Modell attac› aber inzwischen auch in eine tiefe Krise gestürzt. Gleichzeitig gibt es in Frankreich (in regelmäßigen Abständen) relativ starke und kämpferische soziale Bewegungen.

Von den Grenzen des Aufbruchs

Lateinamerikas linke Regierungen und ihre Möglichkeiten

Gert Eisenbürger

In den 1980er und 1990er Jahren amtierten in Lateinamerika fast durchgängig neoliberale Regierungen. Sie setzten vor allem die Forderungen der internationalen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank um. Das bedeutete: Sparhaushalte, Privatisierung öffentlicher Unternehmen und weitgehende Zerstörung sozialer Sicherungssysteme. Dies hat sich heute geändert. In vielen Ländern sitzen Linke in der Regierung.

Zähmungsversuche

Südkoreas Gewerkschaftsbewegungen vor grossen Herausforderungen

Rainer Werning

Vor dem Hintergrund des Korea-Krieges (1950-53) und des Kalten Krieges entwickelte sich Südkorea zum antikommunistischen «Frontstaat» und zu einem «Schaufenster des Westens». Unter der Kuratel verschiedener Militärdiktaturen erlebte das Land – im Vergleich zu Westeuropa und Japan – eine kapitalistische Entwicklung im Zeitraffer. Lange Zeit verboten, entstand mit den Olympischen Spielen von 1988 eine unabhängige und kämpferische Gewerkschaftsbewegung. Angesichts der Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostasien steht diese heute vor neuen Herausforderungen.