Ursprünglich wollte die Weltbank (WB) durch Förderung von Investitionen im Infrastrukturbereich einen Beitrag zur Steigerung des Lebensstandards in den Ländern der so genannten Dritten Welt leisten. Da dies scheiterte, wurde ab den 1970er Jahren die Armutsbekämpfung vorrangiges Ziel. Dadurch sollten – vor dem Hintergrund des Kalten Krieges – diese Länder vom Überlaufen ins kommunistische Lager abgehalten werden. Ende der 1970er Jahre und vor allem seit Ausbruch der Schuldenkrise 1982 erfolgte eine erneute Umorientierung. Zusammen mit dem IWF erlegte sie bankrotten Schuldnerländern so genannte Strukturanpassungsprogramme (SAP) auf, die mithilfe neoliberaler Reformen und einer rigiden Sparpolitik auf der Grundlage des Washington Consensus deren Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit wiederherstellen sollten.

Die sozialen Auswirkungen dieser Programme (zunehmende Arbeitslosigkeit, steigende Lebenshaltungskosten, schlechtere Versorgung mit öffentlichen Gütern im Gesundheits- und Bildungsbereich) führten in einigen Ländern zu Unruhen, den so genannten IMF-Riots.1

Modernisierung und Dialog

Beim IWF und der WB sind die Machtverhältnisse eindeutig. Es gilt das Prinzip: Wer zahlt, bestimmt. Die höhere Quoten einzahlenden G8-Staaten verfügen über ca. 45% der Stimmen in den entscheidenden Gremien, die 80 ärmsten Länder der Welt kommen gemeinsam auf etwa 10%. Trotzdem haben die nationalen Regierungen Spielräume in den Verhandlungen mit der WB. Diese wurden in der antiimperialistischen Perspektive oft unterschätzt.

Nach den Protesten zum 50-jährigen Jubiläum der Bank 1994 und interner Kritik an den sozialen und ökologischen Folgen der Kreditvergabe änderte sie ihre Politik erneut. Der neue Weltbankpräsident James Wolfensohn stellte die Armutsbekämpfung wieder an die erste Stelle und suchte den Dialog mit moderaten NGOs. Die SAP wurden ersetzt durch die Poverty Reduction Strategy Papers (PRSP): Partizipativ im jeweiligen Land selbst erstellte Strategien zur Armutsbekämpfung, die als Leitlinie die von Washington aufoktroyierten Programme ablösen sollten. Die PRSP waren erst Vorbedingung für einen Schuldenerlass hochverschuldeter armer Länder, bald generelle Voraussetzung für konzessionäre Kredite der WB.

Die Reformansätze stießen allerdings an Grenzen. Der ursprünglich Hauptverantwortliche für den Weltbankbericht 2000/2001, Ravi Kanbur, musste zurücktreten, weil er für die Hardliner in der WB und dem US-Finanzministerium zu sehr vom neoliberalen Credo abwich. Auch Joseph Stiglitz, der ehemalige Chefökonom der Bank, machte sich durch Forderungen nach einem Post-Washington-Consensus unbeliebt. Nach heftigen Konflikten nahm er erst seinen Hut und in der Folge kaum ein Blatt mehr vor den Mund. In der Asienkrise habe sich der IWF – so seine Kritik – an ideologischen Prinzipien und Interessen der Investoren orientiert, nicht aber an einer vernünftigen Wirtschaftstheorie oder den Lebensbedingungen der betroffenen Menschen. Obwohl beide Reformer die grundsätzliche Ausrichtung der WB an offenen Märkten nie in Frage gestellt haben, ging ihre Kritik über das in der Institution verträgliche Maß hinaus.

Die neoliberalen Grundsätze des IWF – Inflationsbekämpfung, Liberalisierung, Privatisierung usw. – wurden auch durch die PRSP nie zur Disposition gestellt. Deshalb wollten die Regierungen die erhofften Kredite bzw. Schuldenerlasse auch nicht durch nonkonforme wirtschaftspolitische Ambitionen gefährden. So sehen die PRSP in der Regel sowohl armutsbekämpfende Sozialprogramme als auch einen neoliberalen makroökonomischen Rahmen vor, der aus Sicht vieler KritikerInnen die soziale Ungleichheit verschärft.

Und auch den Dialog mit der Zivilgesellschaft führt die WB nur, solange er zur Imagepflege dient. Als die gemeinsam mit einem Netzwerk von NGOs geplante Evaluierung der SAP (Structural Adjustment Participatory Review Initiative) unter Beteiligung von ExpertInnen aus Wissenschaft, WB und der jeweiligen Regierung für die Bank zu einem PR-Desaster zu werden drohte, zog sie sich aus dem Projekt zurück und versuchte, involvierte Regierungen zum Finanzierungsstopp zu bewegen.

Der Einfluss schwindet

Trotz des Wechsels von Wolfensohn zum Republikaner Paul Wolfowitz hat sich die Linie der WB kaum geändert. Allerdings scheinen die Bretton-Woods-Institutionen (BWI) nicht mehr die Bedeutung zu haben wie früher. Anzeichen einer Funktions- und Legitimationskrise werden deutlich. Britische NGOs beknien ihre Regierung, die Beiträge für IWF und WB aufgrund ihrer fortgesetzt schädlichen neoliberalen Politik zu streichen. Ähnliche Initiativen sind auch aus den USA bekannt. Mittlerweile haben die britische und die norwegische Regierung offiziell erklärt, ihre Entwicklungshilfe nicht mehr an die Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik der WB zu binden. Weit schwerer wiegt der Bedeutungsverlust der BWI aufgrund der veränderten Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft. Große Schwellenländer wie China, Brasilien und Indien sind immer weniger auf die BWI angewiesen. Brasilien und Argentinien haben im Dezember 2005 ihre letzten ausstehenden IWF-Kredite vorzeitig zurückgezahlt. Erhöhte Rohstoffpreise durch den chinesischen Nachfrageboom und die guten Beziehungen zum Erdölexporteur Venezuela waren die Gründe. Die WB fürchtet, dass China in Afrika Kredite zur Sicherung der eigenen Rohstoffinteressen vergibt und dadurch die seit 2005 wirksame Politik des begrenzten Schuldenerlass für hochverschuldete arme Länder (der wie üblich auf einem G8-Gipfel „beschlossen“ und von IWF und WB umgesetzt wurde) unterminiert. Den damit verbundenen sinkenden Einfluss auf die afrikanischen Staaten betrachtet sie mit Sorge. Zwar konnten Schuldnerländer auch früher gelegentlich auf andere Kreditgeber ausweichen, dies ist jedoch durch die zunehmende Koordinierung innerhalb der westlichen Gebergemeinschaft deutlich schwieriger geworden.

Ein weiterer Faktor: Inzwischen haben die Zentralbanken der aufstrebenden asiatischen Schwellenländer Währungsreserven in einer solchen Höhe akkumuliert, dass sie im Fall einer Finanzkrise nicht noch einmal auf den IWF und seine neoliberalen Rezepte zurückgreifen müssen – sie haben ihre Lektion gelernt. Diese Zentralbanken, vor allem die Volksbank Chinas, sind es auch, die zu einem nicht unbeträchtlichen Teil zur Finanzierung des US-Leistungsbilanzdefizits beitragen. Deshalb kann China die immer ärgerlicher werdende Kritik des IWF an seiner unterbewerteten Währung ignorieren.

Hinzu kommt ein Autoritätsverlust der beiden Institutionen. Der IWF hat seit der Asienkrise arg mit seiner Glaubwürdigkeit zu kämpfen: Erst konnte er die Krise nicht absehen und musste sich auch noch nachsagen lassen, dass seine Empfehlungen diese erst ermöglicht, seine riesigen Notfallkredite nur die Gläubiger vor Verlusten gerettet und seine Konditionen die Situation der Betroffenen noch verschlimmert hätten. Auch sein Umgang mit den Krisen in Russland und Argentinien hat sein Ansehen nicht gebessert. Die WB sieht sich in den letzten Monaten vermehrt dem Vorwurf ausgesetzt, ihre Forschung und Empfehlungen seien selektiv, an politischen Vorgaben orientiert und unwissenschaftlich.

Was Linke immer schon kritisierten, wurde vor kurzem von einer Gruppe renommierter ProfessorInnen in einer breit angelegten Untersuchung auf eine solide Basis gestellt.2 Andere KritikerInnen wiesen nach, dass die Weltbankforschung primär auf die Reproduktion des neoliberalen Paradigmas angelegt ist und ihre Armutsmessung systematisch das tatsächliche Ausmaß der Armut herunterspielt.3

Trotz Reformen keine Entwarnung

Aufgrund dieser Entwicklung lässt sich die These vertreten, dass der Einfluss von WB und IWF auf die Peripherie, vor allem die großen Schwellenländer, weiter zurückgeht. Aber noch ist er beträchtlich und oftmals schädlich für die Betroffenen. So wurde in Sambia die Privatisierung der Zambia National Commercial Bank gegen den Widerstand von Parlament und Regierung durchgesetzt, in Uganda die Privatisierung der Wasserversorgung, in Benin die des staatlichen Holzunternehmens usw. Die sozialen Auswirkungen dieser Privatisierungen öffentlicher Anbieter ähneln sich in den meisten Ländern: Arbeitsplatzabbau, von dem vor allem Frauen betroffen sind, und Preissteigerungen für ehemals öffentliche Güter und Dienstleistungen, mithin die Verschärfung bestehender Ungleichheiten. Die Einführung des marktwirtschaftlichen Prinzips der Kostendeckung im Gesundheitssektor Zimbabwes im Rahmen der SAP erhöhte die Arzt- und Krankenhausgebühren dramatisch – in Einzelfällen auf über das Zehnfache. In den Philippinen kam es nach ähnlichen Reformen zu einer Ausdehnung ansteckender Krankheiten wie Tuberkulose.

Der Druck von Seiten der Zivilgesellschaft hat bei IWF und WB Spuren hinterlassen und Neuerungen ausgelöst, die in den 1980er Jahren kaum vorstellbar waren. Ob die Reformierbarkeit der Marktmaschinen so weit reicht, ihre angeblich oberste Priorität der Armutsbekämpfung im Zweifelsfall über ihre neoliberalen Prinzipien zu stellen, ist eine andere Frage. Bisher kann sie mit Nein beantwortet werden.