Wie andere „geistige Eigentumsrechte“ begründen diese Rechte nicht nur die Verfügung über die konkreten Objekte, sondern garantieren ein Monopol auf Produkte, denen die geschützten kreativen Leistungen zugrunde liegen. Dabei bauen die Patente und Sortenrechte oft auf Wissen und Traditionen indigener Gemeinschaften des globalen Südens auf – so verlieren die Gemeinschaften den Einfluss auf die weitere Verwendung ihres über Generationen entwickelten Wissens.
Bereits bei den G8-Treffen in Gleneagles 2005 und in Sankt Petersburg 2006 forderten die Staats- und Regierungschefs eine wirksamere Durchsetzung des Schutzes geistiger Eigentumsrechte.1 Aber auch schon lange vor diesen Treffen wurden die USA, die EU und Japan aktiv. Das 1995 in Kraft getretene Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistiger Eigentumsrechte (TRIPS) der Welthandelsorganisation WTO schreibt allen Mitgliedstaaten vor, ein Patentrecht einzuführen. Ausnahmen sind nur für bestimmte medizinische Verfahren sowie Pflanzen, Tiere und sowie klassische Züchtungsmethoden vorgesehen. Die USA, die EU und Japan haben seither immer wieder versucht, Modifikationen des TRIPS-Abkommens im Hinblick auf einen strengeren Schutz geistiger Eigentumsrechte zu erreichen, z.B. indem mögliche Ausnahmen von der Patentierbarkeit begrenzt werden.2
G8 für strengere geistige Eigentumsrechte weltweit
Weil sie ihre Interessen in der WTO nicht immer durchsetzten konnten, haben die G8-Länder andere Verhandlungsforen gesucht. Ein solches Forum ist die World Intellectual Property Organization (WIPO). Diese UN-Sonderorganisation war bis in jüngere Zeit vor allem mit eher technischen und administrativen Aufgaben im Patentbereich befasst. Seit dem Jahr 2000 laufen in der WIPO nun Verhandlungen über einen Substantive Patent Law Treaty, der einheitliche, über TRIPS hinausgehende Standards dafür enthalten soll, welche Bereiche die Unterzeichnerstaaten für Patente zugänglich machen müssen.3 Im Saatgutbereich spielt (außer in den USA) weniger das Patentrecht als vielmehr das so genannte Sortenschutzrecht eine Rolle. Geschützt werden kann eine Sorte dann, wenn sie neu, homogen, beständig und unterscheidbar ist. Steht eine Sorte unter Schutz, darf nur der/die RechteinhaberIn das Vermehrungsmaterial gewerblich vertreiben. Allerdings kann bislang die geschützte Sorte ohne Zustimmung zur Züchtung einer neuen Sorte verwendet werden.
Bei der internationalen Durchsetzung von Eigentumsrechten spielt die UPOV, der Internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, eine wichtige Rolle. Das erste UPOVÜbereinkommen wurde 1961 auf Betreiben der Pflanzenzüchterlobby von Großbritannien, den Niederlanden und der BRD ausgearbeitet und trat 1968 in Kraft. Die anderen G7-Staaten folgten bis 1991. Mehrmals wurden die UPOV-Verträge im Sinn der Saatgutindustrie verschärft: Schutzfristen wurden verlängert, die ohne Genehmigung der ZüchterInnen erlaubten Handlungen an geschützten Sorten eingeschränkt. Die UPOV befördert die Verschärfung von Eigentumsrechten. So können Neumitglieder nur der jeweils neuesten und damit schärfsten Fassung beitreten.
Die G8-Staaten setzen nicht nur auf multilaterale Verträge. Wo sie wegen bestehender Interessendifferenzen nicht weiterkommen, verfolgen vor allem die USA, jedoch auch Japan, Kanada und die EU ihre Interessen auf bilateralem Wege. Inzwischen enthalten die meisten vor allem mit Entwicklungsländern abgeschlossenen Freihandels- oder Investitionsabkommen genaue Vorschriften über den Schutz Geistigen Eigentums, die über das im TRIPS-Abkommen Vereinbarte hinausgehen.
Wenn nicht multi, dann bi oder sonst wie
Manchmal bedarf es jedoch nicht einmal eines völkerrechtlichen Vertrags, um geistige Eigentumsrechte durchzusetzen. Als im Jahr 2004 der US-Übergangsverwalter für den Irak, Paul Bremer, das Land verließ, hatte die Besatzungsverwaltung u.a. die Order 81 zum irakischen Sortenschutzrecht erlassen.4 Danach können Pflanzensorten mit Hilfe von Sortenschutzrechten unter bestimmten Voraussetzungen geschützt werden – Voraussetzungen, die allerdings von lokalen, traditionell gezüchteten irakischen Sorten in der Regel nicht erfüllen werden. Wenn eine Sorte geschützt ist, darf gekauftes Saatgut nur einmal ausgesät werden – die geernteten Pflanzen dürfen nicht erneut gesät werden.
Dass die G8-Staaten sich bei der Verschärfung und Durchsetzung geistiger Eigentumsrecht so sehr hervortun, ist kaum erstaunlich: Hier haben die Pharma-, Gentech- und Agrar- Unternehmen ihren Sitz, die im globalen Maßstab den überwiegenden Anteil an patentfähigen Produkten erzeugen. Unter den umsatzstärksten Saatgutunternehmen waren beispielsweise 2003 die US-Unternehmen Dupont und Monsanto, gefolgt von Syngenta (Schweiz), der deutschen Kleinwanzlebener Saatgutanstalt AG und die französische Groupe Limagrain.5
Auch intern setzen die Regierungen der G8-Staaten die Interessen der in ihnen ansässigen Konzerne durch. In Europa werden Eigentumsrechte vor allen durch EU-Regelwerke verschärft. Seit Mitte der 1980er Jahre verlangt die Biotech-Industrie europäische Regelungen zum Patentschutz. 1998 wurde die Richtlinie 98/44/EG, die Biopatentrichtlinie, verabschiedet. Sie erlaubt fast ohne Einschränkungen Patente auf Leben. Große Teile der belebten Natur können danach zum Geistigen Eigentum von PatentinhaberInnen erklärt werden. Die Richtlinie ist damit weitreichender als das TRIPS-Abkommen. Nach einem „Bummelstreik“ vieler EU-Länder setzte sich die EU-Kommission seit 2002 für eine nationale Umsetzung ein. Diese Gesetzgebung ist vor allem als Rechtsgrundlage für die Erteilung von Patenten durch nationale Patentämter wichtig, während das Europäische Patentamt (EPA) „europäische“ Patente für einzelne oder mehrere Länder auf Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erteilt. Patente auf Mikroorganismen, auf sortenübergreifende Merkmale von Pflanzen und Tieren werden darin ermöglicht.
Auch im Bereich des Sortenschutzrechtes war die EU fleißig um verbesserte Rechtspositionen für ZüchterInnen und Saatgutunternehmen bemüht. Das UPOV-Abkommen von 1991 ließ es erstmalig zu, das Recht auf die gebührenfreie Wiederaussaat des Erntegutes, den so genannten Nachbau, abzuschaffen. Diese Klausel wurde in der EU 1994 genutzt, um eine Nachbaureglung zu beschließen. Sie sieht vor, dass nicht nur beim erstmaligen Kauf von geschütztem Saatgut Lizenzgebühren gezahlt werden müssen, sondern auch dafür, das Erntegut erneut aussäen zu dürfen.
Auch die Untergrabung einer alten landwirtschaftlichen Praxis wie der Wiederaussaat von Erntegut ist eine Form von Biopiraterie – schließlich waren es Bäuerinnen und Bauern, die mittels dieser Praxis die heute vorhandene Sortenvielfalt hervorgebracht haben, die sich nun Saatgutzucht-Unternehmen aneignen.
Das Wesentliche geschieht woanders – trotzdem gegen den G8-Gipfel protestieren!
Aktuell bemüht sich die EU um eine verstärkte Durchsetzung von Intellectual Property Rights (IPR): Die EU-Kommission legte 2006 einen Entwurf für eine Richtlinie vor, die eine strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen IPR in der ganzen EU verpflichtend machen soll.6 Bislang ist die Durchsetzung von IPR in vielen Ländern eine zivilrechtliche Angelegenheit und bedarf des Antrags eines Geschädigten. Die staatliche Verfolgung soll sämtliche Rechtsverletzungen von Geistigem Eigentum treffen, auch diejenigen, die sich auf Rechte an landwirtschaftlichen Sorten beziehen. Die vorgesehenen Strafen sind umfangreich: neben Haft- auch Geldstrafen die Einziehung und Vernichtung von „illegalem“ Saatgut bzw. Ernten bis hin zur Schließung des Hofs.
Auch wenn es in Heiligendamm vor allem um Urheberrecht und Produktnachahmung gehen wird, werden Agrar- und Pharmakonzerne von IPR-Verschärfungen profitieren – und bei Fragen in Sachen Landwirtschaft und Medizin geht es um Leben und Tod. So ist die Biopiraterie fördernde Politik der G8- Staaten Grund genug, sich mit dem Thema IPR zu beschäftigen, sich im Juni 2007 in und um Heiligendamm an den Protesten zu beteiligen und wo immer es geht, Widerstand gegen die Verschärfung von geistigen Eigentumsrechten zu leisten.