Liebe Leser*innen und von Organisierung Betroffene, wir sind fusioniert. Als wir anfingen, an dieser Ausgabe zu arbeiten, waren wir noch Teil von FelS – Für eine linke Strömung. Inzwischen schreiben und denken wir als Berliner Ortsgruppe der Interventionistischen Linken (IL Berlin). Um dieses Zusammenwachsen zu reflektieren, haben wir im vorliegenden Heft Beiträge versammelt, die sich aus verschiedensten Perspektiven mit politischer Organisierung auseinandersetzen. Das ist ein relativ zeitloses Thema innerhalb der radikalen Linken – für manche geradezu abschreckend, müffelt es doch nach grauer Vereinsmeierei und den ewig-gleichen Grabenkämpfen über allgemeingültige Lösungen und Patentrezepte. Doch es zeigt sich, dass die Facetten, Probleme und Fragen politischer Organisierung  höchst lebendig, bunt und spannend sind, wenn wir sie uns nur im konkreten Hier und Jetzt stellen.

...zum Editorial

Thema

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Maoismus als Organisierungsmodell der westdeutschen radikalen Linken

Eine Buchschau

maba

Bis zu 100 000 personen sollen sie in irgendeiner Form durchlaufen haben: die maoistischen K-gruppen und ihre diversen Vorfeldorganisationen. Mag das auch allzu großzügig geschätzt sein, so bleiben sie dennoch einer der dominanten Organisierungsansätze der radikalen Linken in den 1970er Jahren. Die vielen Neugründungen «kommunistischer» Bünde und Parteien jenseits der noch an der UdSSR orientierten Deutschen Kommunistischen Partei, angefangen mit der Kommunistischen Partei Deutschlands / Marxisten-Leninisten (KPD / ML) 1968/69, standen vor allem im Zusammenhang mit dem Auslaufen der studentischen 68er-bewegung und dem Niedergang des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) als ihres maßgeblichen Organisationszusammenhang.

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Das Unsichtbare sichtbar machen

Queer*feministische Perspektiven auf Organisierung

Berliner QueerFeminismus-AG

Feminismus hat eine lange politische Tradition. Er setzt da an, wo Frauen* aus dem gesellschaftlichen Leben und der Öffentlichkeit ausgegrenzt werden und materieller Abhängigkeit und sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind. Feminismus hinterfragt eine homogene Klassenidentität, die ausblendet, dass es vergeschlechtlichte, unbezahlte Formen von Arbeit gibt, die «ganz natürlich» Abhängigkeiten und Hierarchien erzeugen. Gemeinsam ist queeren und feministischen Ansätzen, unsichtbare gesellschaftliche Verhältnisse sichtbar zu machen. Sie sind der alltägliche Widerstand und Kampf um das Öffentliche und begreifen Politik als ein Feld, das nicht vom Leben abgekoppelt ist. Während Feminismus eine Notwendigkeit im Hier und Jetzt ist, bietet der queer*feministische Ansatz darüber hinaus die konkrete Utopie jenseits der gesellschaftlichen Regeln zur biologischen Zweigeschlechtlichkeit.

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Teil einer Jugendbewegung sein

Das im IL-Zwischenstandspapier avisierte Parteimodell folgt anachronistischen Vorstellungen

dsan1

Die Interventionistische Linke (IL ) macht Ernst. Rund zehn Jahre nach den ersten IL -Treffen sind die beteiligten Gruppen wild entschlossen, zu einer Großgruppe zu fusionieren. Ab 2015 sollen wir „vor Ort nicht mehr mit […] alten Gruppennamen und Gruppenidentitäten auftreten, sondern als lokale Basiseinheiten der Interventionistischen Linken“. So will es das im Oktober 2014 veröffentlichte Zwischenstandspapier der IL, das die geplante Transformation vom Bündnis zur Organisation auf über zwölf Seiten beschreibt.

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Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen

Zur IL nach dem Zwischenstandspapier - Zugleich eine Antwort auf dsan1

4 vom Deich

Vier Freund_innen auf einer Terrasse in den Bergen. Alle kommen ursprünglich aus derselben Stadt. Nur eine ist wieder dort, die anderen hat es in andere Orte verschlagen. Alle sind (noch oder wieder) in der IL aktiv. Eine hat ein einjähriges Kind, zwei studieren, eine lohnarbeitet mehr als 40 Stunden pro Woche, eine war viele Jahre nicht organisiert und hat jetzt den Wiedereinstieg gewagt. Was haben wir an der Zwischenstands-IL?

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«Was wir wollen, ist kein Witz...»

Organisierungsansätze im Feld sozialer Reproduktion

Alexandra Wischnewski & Christoph Müller

Am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg steht seit Mai 2012 eine kleine Holzhütte, die das Stadtbild verändert hat. Seitdem die Mieter_innengemeinschaft Kotti & Co ihrem Protest gegen die Politik im sozialen Wohnungsbau einen permanenten und allem voran öffentlichen Ort gegeben hat, trifft sich hier die direkte und erweiterte Nachbarschaft zum Diskutieren, Tee trinken, Reden, Filme schauen und vielem mehr. Mit dem Gecekondu (türkische Bezeichnung für eine informelle Siedlung) ist so nicht nur ein neuer politischer Raum entstanden, an dem zuvor individuell wahrgenommene Probleme als gemeinsame verstanden und bearbeitet wurden.

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Knackpunkte

Eine Diskussion mit IL-Genoss*innen aus unterschiedlichen Städten

Redaktion & maba

Der fortschreitende Organisierungsprozess der Interventionistischen Linken (IL) ist für manche Gruppen erst Anlass gewesen, sich zu gründen, während sich andere im Laufe des Prozesses verabschiedeten. Wir sprachen mit ehemaligen, neuen, sowie neuen-alten Mitgliedern über Perspektiven auf jene Fragen zum IL-Prozess, die der Artikel Teil einer Jugendbewegung sein von dsan1 und die antwort darauf Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen aufwerfen.

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Interventionistische Politik im Osten

Prisma, Juri und ihr Verhältnis zur IL

Einzelpersonen der Gruppen Pirsma Leipzig und Juri Jena

In der radikalen Linken wird – anders als im Rest der Gesellschaft – wenig über das Ost-West-Verhältnis in der BRD diskutiert. Wenn überhaupt, begegnet man der Diskussion über «rassistische Verhältnisse im Osten». Hierbei werden gerade von der interventionistischen Strömung die Fehler der ostdeutschen linksradikalen Strukturen beziehungsweise das Fehlen dieser Strukturen beklagt. Eine Auseinandersetzung über die Bedingungen interventionistischer linksradikaler Politik im «Osten» 25 Jahre nach der Wende steht aber aus.

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Das Einfache, das schwer zu machen ist

Eine Leseliste mit Geschichte und Geschichten über die Organisation des Kommunismus

Ralf Hoffrogge

Bertolt Brecht bezeichnete den Kommunismus als «das Einfache, das schwer zu machen ist» und verwies damit auf den Widerspruch zwischen Utopie und politischer Praxis, auf die «Mühen der Ebene». Es ging um die alltägliche Schwierigkeit, sich mit vielen verschiedenen Menschen über ein gemeinsames Ziel zu verständigen und diese Verständigung nicht als Selbstlähmung, sondern als vorwärtstreibenden Kampf zu organisieren.

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Maulwurf statt Adler

Der Kampf um den Alltag und die Risse im neoliberalen Kapitalismus

Buenaventura & Jewelz

Es sieht düster aus für gesellschaftsverändernde Praxis in Deutschland! Zumindest, wenn man dem Zwischenstandspapier der Interventionistischen Linken (IL ) glauben soll: So heißt es dort, dass «der Kapitalismus in Deutschland ökonomisch und ideologisch scheinbar fest im Sattel sitzt», weil «die Mehrheit der Lohnabhängigen und Prekarisierten hofft, an der Seite der Mächtigen besser durch die Krise und die gegenwärtigen und zukünftigen Unsicherheiten zu kommen, als mit Widerstand und Solidarität». Während die globale und europäische Peripherie von sozialen Auseinandersetzungen erschüttert wer- de, herrsche in Deutschland soziale Friedhofsruhe.

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Eine Generation jenseits von Generationskonflikten

Interview mit einem Aktivisten der südkoreanischen linken Organisation YLeft

Kimyong Kim

Die Gruppe Youth Left (· 청년좌파) gründete sich im Januar 2013 und hat derzeit etwa 100 aktive Mitglieder. Mit ihrer Schwesterorganisation, der Gewerkschaft der prekären Teilzeit- Arbeiter*innen vertritt sie eine Generation, die trotz Wachstums der koreanischen Wirtschaft unter steigenden Mieten, hohen Studiengebühren und harten Arbeitsbedingungen leidet. Sung-il Kim (Kimstcat, 36, Vorsitzender der YLeft) ist eine der Galionsfiguren dieser jungen südkoreanischen Linken. Er began seine politische Laufbahn in einer kleinen Linkspartei, der Socialist Party (· 사회당). Da er weder aus einer studentischen Organisation noch aus einer Gewerkschaft stammt, gelang es ihm abseits von traditionellen Strukturen und Ideologien der koreanischen Linken zu agieren und anerkannt zu werden. Dadurch konnte er viele junge Aktivist*innen in und später auch außerhalb etablierter Parteistrukturen organisieren, die sich mit den bestehenden linken Parteien nicht identifizieren konnten. Kimstcat verließ 2012 die Labor Party und gründete mit seinen Genoss*innen  die YL.

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Im Gespräch mit Müstereklerimiz

Gruppe Dissident

Dieses Interview mit dem Istanbuler Netzwerk Müstereklerimiz führten und bearbeiteten Aktivist*innen der Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. als Teilnehmer*innen einer Delegationsreise des Europäischen Rats für Frieden und Demokratie (ABDEM) zu den Kommunalwahlen in der Türkei im März 2014. 

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Was ist interventionistische Basisarbeit?

Über die Herausforderung der (Selbst-)Organisierung in lokalen Kämpfen

Zwei Ex-Avantis der IL Berlin Stadt-AG

Seit fünf Jahren beteiligt sich die Stadt-AG von Avanti Berlin, mittlerweile aufgegangen in der Stadt-AG der Interventionistischen Linken (IL) Berlin, an stadtpolitischen Aktivitäten. Dabei stand unter anderem das Ziel der berlinweiten Handlungsfähigkeit der Bewegungsakteure im Fokus. In diese Zeit fallen auch das Ankommen des Themas Mietenpolitik im öffentlichen Diskurs und in konkreten Konflikten erzielte Teilerfolge: Zwangsräumungen, Sozialmieter_innen am Kotti, Ausverkauf von Grundstücken der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

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Von Füchsen und Kichererbsen

Organisierung in der «Gewerkschaft der Selbständigen»

dsan1

Kennt Ihr das? Kaum steckt man in einer festen Beziehung, leidet der Kontakt zu den etwas entfernteren Freund*innen und Bekannten. So ging uns das mit dem IL-Prozess. Vor lauter Vereinigungsstress haben wir einige unserer alten Weggefährt*innen, die der Interventionistischen Linken noch nie etwas abgewinnen konnten, in den letzten drei Jahren leider sträflich vernachlässigt. So haben wir nur aus dem Augenwinkel mitbekommen, dass in unserem näheren politischen Umfeld durchaus auch andere Antworten auf die derzeit allgegenwärtige «Organisierungsfrage» gefunden werden als die unsere. Vor der Organisierungsausgabe der arranca! war das für uns Grund genug, endlich mal wieder nach Hamburg zu fahren und bei unseren alten Euromayday-Genoss*innen Effi und Frank nachzufragen, was es mit der jüngst gegründeten Gewerberaum-Genossenschaft fux auf sich hat, die im letzten Winter ein Kasernenareal mitten in Hamburg Altona gekauft hat.

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Organisation der Emanzipation

Ein Interview mit der Jour Fixe Initiative Berlin

Redaktion

«Die Organisationsfrage ist für Linke eine Legitimitätsfrage. Wenn sie sich damit begnügt, in abgeschlossenen Zirkeln und marginalen, zumeist informellen Zusammenhängen intellektuelle Fingerübungen zu betreiben und lediglich über dieses und jene zu debattieren, dann verspielt sie ihre gesellschaftliche Relevanz. Die Organisationsfrage muss unabhängig von kapitalistischen Krisen oder Aufschwüngen, ja sie muss permanent gestellt werden.»

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Was ist ein Organ?

Michael Beron

In der Biologie ist ein Organ ein Körperteil oder eine Funktionseinheit aus verschiedenen Geweben. Das Zentralorgan – bei Lenin ein Medium zur ständigen Einschätzung der politischen Lage und Vereinigung der lokalen Kämpfe durch Ermittlung einer gemeinsamen Linie – wäre in diesem Sinne wohl am ehesten Kopf oder Phallus: groß, singulär, mächtig. Prawda – du sollst keine andere Wahrheit neben mir haben! Wie steht es dagegen um die hier vorliegende Zeitschrift? Ist die arranca! bisher das Organ von FelS gewesen? Welches? Was sind ihre Aufgaben? Was heißt es für eine solche Zeitung zu arbeiten? Und was hat das mit dem Thema Organisierung zu tun?