In dieser Ausgabe der arranca! beschäftigen wir uns mit dem Thema Europa in der Krise. Warum liegt auf der Hand: «Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster.» (Antonio Gramsci). Angesichts der aktuellen Krise wird deutlich, wie viele Fragezeichen und Ungereimtheiten wir bezüglich der politischen und ökonomischen Prozesse in Europa haben, und das obwohl europäische Staatlichkeit – nicht nur in der Krise, sondern auch in ihrem Normalbetrieb – unseren Alltag und unsere politischen Kämpfe stark beeinflusst. Die derzeitige Sprachlosigkeit ist ein Resultat jahrzehntelangen Schweigens der radikalen Linken zum Thema Europa. Vieles ist ungeklärt.

...zum Editorial

Thema

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Krise in Bewegung

Jim Casy

Im Oktober 2011 war es soweit: Der Startschuss für Krisenproteste von unten fiel, Deutschland beteiligte sich am weltweiten Aktionstag der Occupy-Bewegung, Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und jeden Alters protestierten gegen die Macht der Banken. In Berlin demonstrierten gut 10 000, in Frankfurt mobilisierte Attac einige Tausend, auch in Städten wie München gingen Bürger_innen auf die Straße.

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EU-Bashing als Erfolgsrezept des Rechtspopulismus

Ein europäischer Trend und seine deutschen Besonderheiten

Gerd Wiegel

Die Welle rechtspopulistischer Wahlerfolge schwappt weiter über Europa: Skandinavien ist inzwischen komplett mit Parteien dieses Typs überzogen, in Österreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Frankreich finden sich erfolgreiche Parteien des Rechtspopulismus, weitere Länder könnten genannt werden – und dann eine zentrale Lücke: in Deutschland ist gegenwärtig keine erfolgreiche Partei der extremen Rechten vorhanden, die mit dem Stichwort des Rechtspopulismus belegt werden könnte.

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Greening the economy?

Die EU-Energiepolitik zwischen Integration, Transformation und Energiekämpfen

Tobias Haas

Wettbewerbsfähig, nachhaltig und sicher soll sie sein, die europäische Energie. Dies sind zumindest die Schlagworte der im November 2010 vorgestellten Energiestrategie der Europäischen Kommission bis zum Jahr 2020. Allerdings gehört die Energiepolitik zu den Bereichen, die auf europäischer Ebene bisher kaum integriert sind. Das europäische Energiesystem gleicht einem Flickenteppich, 27 Mitgliedsstaaten haben 27 unterschiedliche Energiesysteme, ein gemeinsamer Energiebinnenmarkt liegt in weiter Ferne.

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Ladyfest Europe – eine queer-feministische europäische Bewegung?

Interview mit Alek Ommert

Alek Ommert & Redaktion

Als Praxisform linker, queer-feministischer Politik fanden in den letzten zehn Jahren in vielen europäischen Ländern Ladyfeste statt. Exemplarisch für verschiedene transnationalisierte Aktionsformen der Post-Autonomen fragten wir nach dem Europäischen an Ladyfesten oder wie europäisch queer-feministische Praxis ist.

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Digitaler Kontrollwahn im Schengenland

Zur Entgrenzung der europäischen Grenzpolitik

Claudia Krieg & Henrik Lebuhn

Spätestens seit der faktischen Abschaffung des deutschen Asylrechts im Jahr 1993 hat sich die zunehmende Abschottung der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten zu einem zentralen Politikfeld für die radikale Linke entwickelt. Mit Kampagnen, direkten Aktionen und internationalen Vernetzungen wie etwa im Rahmen der No-Border-Camps agieren Aktivist_innen inner- und außerhalb Europas gegen den Ausbau der sogenannten Festung Europa.

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Krise und Herrschaft durch Schulden

Für einen popularen linken Diskurs

Gruppe Soziale Kämpfe

Die Krise ist nicht vorbei und alles andere als unter Kontrolle. Jeden Tag bringt ein kurzer Blick in die Tageszeitungen neue Wasserstände: Die milliardenschweren «Rettungsschirme für den Euro» reichen nicht aus – immer mehr Staaten werden von der «Staatsschuldenkrise» erfasst. Damit meinen Teile der Politik, Medien und neoliberale Wirtschaftsexperten, dass die Krise als eine Krise der Staatsverschuldung zu verstehen ist, die durch undisziplinierte staatliche Politik und letztlich Bevölkerungen verursacht wurde, die seit Jahren über ihre Verhältnisse, auf «Pump» gelebt hätten.

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Sieben Tage Europa

How Paris broke my Heart

Aski Elber

Laß deinen Zorn und Hader, schönes Mädchen! Der verhaßte Stier wird kommen und dir die Hörner zum Zerreißen darreichen; ich bin es, die dir im väterlichen Hause jenen Traum gesendet. Tröste dich, Europa! Zeus ist es, der dich geraubt hat; du bist die irdische Gattin des unbesiegten Gottes; unsterblich wird dein Name werden, denn der fremde Weltteil, der dich aufgenommen hat, heißt hinfort Europa!

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Re-Bordering Europe

Migrationspolitik als neokoloniale Geopolitik

Dana Lüddemann & Sebastian Wolff

Als im ∑arabischen Frühling» 2011 zunächst in Tunesien, dann in Algerien, Ägypten und schließlich in Libyen die Menschen massenhaft auf die Straßen drängten, kehrte plötzlich auch ein Thema auf die mediale und politische Agenda zurück, dem man sich in Europa längst entledigt zu haben hoffte: Hunderte meist junger Männer hatten die undurchsichtige politische Situation in Nordafrika genutzt, um auf Booten die Reise nach Europa anzutreten.

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Errichtung eines «deutschen Europas»?

Interview mit Tomasz Konicz zur Eurokrise

Tomasz Konicz

Die arranca! spricht mit Tomasz Konicz über die Ursachen und möglichen Folgen der Eurokrise. Dabei äußert sich Tomasz zum Charakter der europäischen Integration und erklärt, wie vor allem Deutschland – aber auch andere Länder des europäischen Zentrums – die aktuelle Krisenpolitik der Europäischen Union bestimmen. Will die radikale Linke in diesem Umfeld handlungsfähig bleiben, darf sie es nicht verpassen, auf aufkommende Protestbewegungen einzuwirken.

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Kritische Theorien der europäischen Integration

Blick auf die Debatte und politische Implikation

John Kannankulam & Nikolai Huke

«Die Entwicklung der EU geht […] nicht mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit, etwa auf Seiten der Sozialen Bewegungen, einher. Auch die radikale Linke, sonst nie um eine Staatskritik verlegen, bleibt sprachlos», erklärt der Aufruf zum linken Entsichern-Kongress: EU analysieren, kritisieren, demontieren im Jahr 2011. Ähnlich argumentierte im Jahr zuvor bereits der Aufruf der BUKO, das «Wissen über die EU und das Verhältnis zu ihr bleibe ‹unklar›». Beide Aufrufe zeigen exemplarisch eine offensichtliche Verunsicherung innerhalb der Linken über die politische Einordnung der Europäischen Union. Um diese «Sprachlosigkeit» zu überwinden, lohnt sich ein Blick in die wissenschaftlichen Debatten kritischer Europaforschung der letzten Jahrzehnte.

Artikel außerhalb des Schwerpunkts

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«10 Jahre, das ist für viele von uns eine lange Zeit, politisch betrachtet»

Erinnerung an Genua und linke Bewegungsgeschichte

Antifaschistische Linke Münster

Die «Tage von Genua» im Sommer 2001 haben wie kaum ein anderes Ereignis der jüngeren «Bewegungsgeschichte» Spuren in der linken Erinnerung hinterlassen – nicht nur bei denjenigen, die damals auf den Straßen waren, sondern ebenso bei den vielen anderen, die sich einer radikalen antikapitalistischen Linken verbunden fühlen. Zehn Jahre später, im Sommer 2011, beschäftigte uns besonders die Frage, wie sich Bewegungsgeschichte vermitteln lässt. Wie können Erfahrungen vermittelt werden, damit die Erinnerung nicht ausschließlich aus den wirkungsmächtigen Bildern in unseren Köpfen besteht, die die Erkenntnis über die Tragweite der Ereignisse und deren Folgen oftmals zu verstellen drohen? Im September luden wir deshalb in Münster zu einer öffentlichen Retrospektive ein, bei der wir mit drei damaligen Aktivisten (B., I. und M.) über Genua sprachen.

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Verdammt lang quer

verdammtlangquer

«Solidarität ist politisch, nicht erst als Solidarität mit Politischen, sondern als Weigerung, nur unter dem Büttel des Wertgesetzes, nur unter dem Aspekt von Tauschwert zu handeln. Solidarität ist ihrem Wesen nach herrschaftsfreies Handeln, als solches immer Widerstand gegen den Einfluss der herrschenden Klasse auf die Beziehungen der Menschen zueinander [...]. Im Sinne des Systems sind Leute, deren Handlungen sich nicht an den Erfolgskriterien des Systems orientieren, Ausgeflippte und Trottel oder Versager .[...] Jede politische Arbeit ist auf Solidarität angewiesen.»

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Bandite - Verbannte Partisaninnen

Redaktion

Der Dokumentarfilm Bandite von Alessia Proietti und Giuditta Pellegrini (Italien 2009, 52 min.) fragt nach der Rolle der Frauen im Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung in Italien zwischen 1943 und 1945. Interviewpassagen mit ehemaligen Partisaninnen, Statements von Historikerinnen und Archivmaterialien (Bilder von faschistischen Aufmärschen und der Wehrmacht, Flugblätter der Partisan_innen, Pässe und Passierscheine) folgen in schneller Montage aufeinander.

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Feministische Politiken in der Türkei

Charlotte Binder

Bereits in der Spätphase des Osmanischen Reiches im 19. Jahrhundert organisierten sich gebildete Frauen innerhalb der Istanbuler Oberschicht als Feministinnen und kämpften für Frauenrechte,  für den Zugang von Frauen zu Bildung und Erwerbsarbeit, die Abschaffung der Polygamie und der Peçe, einer islamischen Gesichtsbedeckung. Diese Gruppierungen, in denen auch armenische Frauen aktiv waren, waren durch europäische feministische Bewegungen beeinflusst. Sie gaben Frauenzeitschriften in verschiedenen Sprachen heraus und  es entstanden wohltätige, kulturelle, pädagogische sowie wirtschaftlich orientierte feministische Frauenorganisationen.

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Re:Generation

Soziale Bewegungen jenseits von Partei und Subkultur

The Free Association

Seit dem ökonomischen Crash von 2007/2008 leben wir in einem seltsamen Zwischenstadium. Die Ideologie des Neoliberalismus, die die Welt seit 30 Jahren dominiert hat, ist erschüttert. Die Krise hat damit die Welt in einen Schwebezustand versetzt. Einerseits hat sich die Ansicht, dass die neoliberale Globalisierung die Probleme der Menschheit lösen könnte, in Luft aufgelöst: Der Neoliberalismus ist bloßgestellt als Selbstbedienungsladen, der den sozialen Reichtum in die Hände weniger verteilt. Weit davon entfernt ein modernes Projekt zu sein, das den sozialen Fortschritt vorantreibt, ist der Neoliberalismus als dekadentes Projekt entlarvt – das, vielleicht von vornherein zum Scheitern verurteilt, nicht mehr als eine Konsequenz der ungelösten Krise der 1970er Jahre ist.

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Über Synergien zwischen neonazistischem Terror und Staatsterrorismus

Wolf Wetzel

Über 13 Jahre lang wurde die rassistische Mordserie stereotyp und unisono einem kriminellen ausländischen Milieu zugeordnet. Von «Döner-Morden» war die Rede. Innerhalb von Tagen wusste man aber eine Menge über einen Nationalsozialistischen Untergrund/NSU, seine Mitglieder, über seine Verbindungen und das politische Umfeld.