Das kann sich, alle aktuellen Umfragen und Studien zu Einstellungsmustern in der Bevölkerung weisen dies aus, sehr schnell ändern. Andererseits ist momentan keine Formation in Sicht, der man Erfolge wie der Wilders-Partei in den Niederlanden oder der österreichischen FPÖ zutraut, und das obwohl mit der Partei Die Freiheit und der Pro-Bewegung mindestens zwei Gruppierungen genau an diesen erfolgreichen europäischen Rechtspopulismus anknüpfen wollen.

Die Verbindung von Rassismus, Kriminalitätsdiskurs und sozialer Frage waren die Erfolgsthemen der populistischen Rechten im vergangenen Jahrzehnt. Aktuell scheint sich mit der Abgrenzung zur EU ein weiteres publikumswirksames Thema hinzuzugesellen.

Feindbild EU?

Angesichts der aktuellen Euro-Krise und der immer stärkeren Legitimationskrise der EU zeichnet sich ein (nicht ganz so) neues Erfolgsthema für den Rechtspopulismus ab. Die Milliardensummen, mit denen europäische Regierungen Rettungsschirme spannen, um danach die fehlenden Gelder bei ihren BürgerInnen einzutreiben, die auch mit Hilfe der EU durchgesetzten Drangsalierungen gegen Krisenstaaten wie Griechenland, Portugal und Irland bieten viel Stoff, um mit einem Feindbild EU politisch zu punkten. Da es der Rechten, anders als der Linken, dabei keinerlei Probleme bereitet, mit dem EU-Bashing eine Renationalisierung Europas voranzutreiben, ist hier noch einiges an Zuspitzungen zu erwarten. Stimmen wie die von Geert Wilders, „Lieber einen starken Holland-Gulden als einen schwachen Euro“ oder der sich gerade auf den französischen

Präsidentschaftswahlkampf einstimmenden Marine Le Pen, „Besser, wir treten aus der EU aus und schaffen den Euro ab“ könnten bald typisch für den Umgang mit der Euro-Krise von rechts sein. Die EU steht dabei als sichtbarer Ausdruck all dessen, was als Fremdbestimmung, Anonymisierung der Politik, fehlende Zuordnenbarkeit von politischer Verantwortung und Auflösung traditioneller und bekannter sozialer Zusammenhänge wahrgenommen wird. Insofern bietet sie sich für den Rechtspopulismus als ähnlich gutes Feindbild wie der Islam an, der als sichtbares Symbol der Fremdheit zum wichtigsten Thema des Rechtspopulismus wurde. Dabei gelingt es den Rechtspopulisten durch eine völlig verfehlte Politik mancher konservativer Bündnispartner, sich nicht durch realpolitische Mitverantwortung für unliebsame Entscheidungen schmutzig zu machen. So verkaufte die dänische Volkspartei – die bis zu den Wahlen im Herbst 2011 noch die konservative Regierung tolerierte – ihre Zustimmung zum Haushalt gegen regelmäßige Verschärfung der Zuwanderungsgesetzgebung, ohne dass sie für unpopuläre Entscheidungen der Regierung in Mitverantwortung genommen wurde. In den Niederlanden hat Geert Wilders die Möglichkeit erhalten, seine Inhalte umzusetzen ohne Teil der Regierung zu sein. Und angeblich sollen auch die Wahren Finnen schon vor der Wahl die Möglichkeit erkundet haben, allein gegen Finanzhilfen für Portugal zu stimmen und dennoch Teil der Regierung zu werden. Mit solchen Zugeständnissen werden die Rechten in eine win-win-Situation gebracht und ihr Erfolg wird zementiert. Ähnlich verfährt Sarkozy in Frankreich, der mit seinen Hetzkampagnen gegen Sinti und Roma und gegen MuslimInnen genau die Themen des Front National protegiert. Keine Zusammenarbeit mit RassistInnen, von dieser Selbstverständlichkeit sind die meisten Regierungen Europas weit entfernt.

Anders als die populistische Rechte können die etablierten rechten Parteien den Anti-EU-Populismus nicht mitmachen, sind sie doch zu eng mit den Interessen der großen Kapitale in ihren jeweiligen Ländern verbunden. Dass die gegenwärtige EU vor allem eine Veranstaltung des Kapitals ist, für dessen finanzielle Rettung die Bevölkerungen zahlen müssen, kann von den politischen ArchitektInnen dieses Systems wohl kaum ausgesprochen werden – so bleibt es bisher der populistischen Rechten vorbehalten, mit dem Thema zu punkten.

Die Linke muss dringend einen Weg finden, die berechtigte Kritik an diesem Europa nicht länger den RechtspopulistInnen zu überlassen. Eine linke Kritik am Europa des Kapitals, ohne dabei den europäischen und damit übernationalen Gedanken preiszugeben, ohne an Ressentiments gegen ZuwanderInnen anzuknüpfen – das sollte man von einer radikalen Linken erwarten dürfen. Allein, gerade in diesem geschichtlichen Moment scheint ihre Stimme immer weniger hörbar zu sein.

Deutscher Sonderweg?

Auch in Deutschland trifft das Thema EU-Bashing auf immer breitere Zustimmung. Im Zusammenhang mit Griechenland konnte man die chauvinistische Grundierung dieser Kritik in den großen Medien studieren. Dennoch fehlt hierzulande eine politische Formation, die mit diesem und den anderen Themen des Rechtspopulismus ähnlich erfolgreich sein kann, wie es in anderen europäischen Ländern der Fall ist.

Die gegenwärtig erfolgreichste Partei der extremen Rechten in Deutschland ist nach wie vor die NPD – eine systemoppositionelle, faschistisch ausgerichtete und am Vorbild des Nationalsozialismus orientierte Partei der „alten“ Rechten. Dieser Parteityp wird, diese These sei gewagt, auf absehbare Zeit keine reale Machtoption haben. Die einzige Option der extremen Rechten ist es, an rechtspopulistische Entwicklungen anzuknüpfen und das für ein solches politisches Angebot vorhandene Potenzial in Wählerstimmen umzumünzen. Die von Wilhelm Heitmeyer und anderen seit neun Jahren analysierten Deutschen Zustände, die Untersuchungen von Oliver Decker und Elmar Brähler zu extrem rechten Einstellungsmustern in der deutschen Bevölkerung zeigen dieses Potenzial immer wieder. Wem die nackten Zahlen nicht genügen, der konnte anhand der Sarrazin-Debatte sehen, wie zentrale Topoi des Rechtspopulismus auch in Deutschland hegemonial zu sein scheinen.

In der Sarrazin-Debatte finden sich alle inhaltlichen und formalen Punkte eines erfolgreichen Rechtspopulismus: Eine manifeste Ideologie der Ungleichheit und Ausgrenzung, die sich gegen ethnisch und biologisch definierte Minderheiten genau so richtet wie gegen diejenigen, die den Anforderungen der kapitalistischen Gesellschaft nicht gewachsen sind; die Forderung nach einer konsequenten, auf verbriefte Rechte keine Rücksicht nehmenden Politik gegen jede weitere Zuwanderung von Menschen, die als kulturell fremd definiert werden; eine aggressive Wendung gegen Menschen aus islamisch geprägten Ländern; das Aufnehmen und Verstärken von Ressentiments gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen, die für vorhandene gesellschaftliche Krisen verantwortlich gemacht werden und schließlich eine generelle Absage an die etablierte Politik verbunden mit der Einnahme eines Außenseiterstandpunktes.

Bemerkenswert und beunruhigend an der Sarrazin-Debatte war, dass sie auch einen starken positiven Widerhall in den politischen Eliten fand und damit die von hier ausgehende Ideologie der Ungleichheit und Ausgrenzung verstärkte. Peter Sloterdijks Einsatz für die „Leistungsträger“ der Gesellschaft und Gunnar Heinsohns Diagnosen der Reproduktion von Armut durch die überdurchschnittliche Reproduktion der ärmeren Bevölkerungsschichten – gegen die dann konsequent etwas unternommen werden muss – verbinden sich aufs Engste mit den von Sarrazin popularisierten Thesen. Dass eine solche Melange, vor allem vor dem Hintergrund der Verkaufserfolge von Sarrazins Buch, nicht ohne positiven Widerhall in der Politik bleibt, ist klar. Während der von Sarrazin bediente biologistische Rassismus zunächst zur Distanzierung von zahlreichen Politikern führte, folgte in einer zweiten Welle das „Ja aber“, womit reklamiert wurde, dass mindestens die sarrazinsche Problembeschreibung richtig und politisches Handeln gegen weitere Migration bestimmter Gruppen (vor allem MuslimInnen) erforderlich sei. In rasender Geschwindigkeit wurde der mühsam erreichte Konsens, dass Deutschland Einwanderungsland ist, aufgekündigt (Seehofer), wurde die multikulturelle Gesellschaft für gescheitert erklärt (Merkel), wurden schärfere Sanktionsmaßnahmen gegen vermeintliche (aber nie nachgewiesene) „Integrationsverweigerer“ gefordert (Gabriel) und von einem Rassismus gegen Deutsche seitens der MigrantInnen schwadroniert (Kristina Schröder). Ergebnis dieser Form der Debatte dürfte die Bestärkung von Vorurteilen, Ausgrenzungswünschen und Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen sein, womit die Inhalte des Rechtspopulismus bestätigt werden.

Politische Führungsfiguren

Bisher sieht es trotz der offensichtlichen Zustimmung zu den Themen von rechts nicht danach aus, als könnte sich eine erfolgreiche Variante des Rechtspopulismus etablieren. Ein Grund hierfür wird häufig in fehlenden politischen Führungsfiguren gesehen, wie sie in anderen Ländern vorhanden sind. Wilders, Bossi, Le Pen, Haider – für die meisten erfolgreichen Parteien des Rechtspopulismus lässt sich eine zumindest für die AnhängerInnen charismatische Führungsfigur benennen, die die oft heterogenen Flügel zusammenbindet und der Partei Gesicht und Stimme verleiht. In Deutschland fehlt der extremen Rechten in all ihren Schattierungen eine solche Figur. Nicht zuletzt deshalb werden die Spekulationen um einen erfolgreichen Rechtspopulismus in Deutschland mit Namen wie Thilo Sarrazin, Friedrich Merz, Roland Koch, jüngst Karl-Theodor zu Guttenberg oder auch Eva Hermann garniert. Eine politische Führungsfigur, die nicht mit der Relativierung des Nationalsozialismus oder mit Formen des Antisemitismus in Verbindung gebracht werden kann, ist in Deutschland eine zentrale Anforderung für ein erfolgreiches rechtes Projekt. Noch immer ist es die Erinnerung an die NS-Vergangenheit, die jeder Gruppierung als unüberwindliche Barriere im Weg steht, der hier Unklarheiten oder gar eine Verklärung des Nationalsozialismus nachgewiesen werden kann. Stärker als in anderen europäischen Ländern verhindert die NS-Vergangenheit in Deutschland bis heute wahlpolitische Erfolge der extremen Rechten. Nicht zuletzt aus diesem Grund, der abgemildert auch für andere europäische Länder gilt, bemüht sich die populistische Rechte um eine klare Distanz zu allen neonationalsozialistischen Gruppierungen. Eine demonstrative Parteinahme für Israel ergänzt bei einer Reihe dieser Parteien den antimuslimischen Rassismus und fand unter anderem ihren Niederschlag in einer so genannten Jerusalemer Erklärung, die im Dezember 2010 von Vertretern der FPÖ, des Vlaams Belang, der Schwedendemokraten und der Freiheit bei einem gemeinsamen Besuch in Israel unterzeichnet wurde.

Die im Mai 2011 in der Wochenzeitung freitag veröffentlichte Umfrage zur Zustimmung bzw. Ablehnung zentraler aktueller Aussagen des Rechtspopulismus zeigt erneut, dass solche Debatten Effekte haben und Stimmungen prägen und bestätigen: 38 Prozent der Befragten stimmten der Aussage „Der Islam ist mit unserem westlichen Lebensstil unvereinbar und eine Bedrohung unserer Werte“ voll oder eher zu und 49 Prozent teilten voll oder eher die Ansicht, „die Zuwanderung nach Deutschland sollte drastisch reduziert werden.“ Beim EU-Thema, dem aktuellen und zweiten Erfolgsthema des Rechtspopulismus neben dem Antiislamismus, stimmten sogar 70 Prozent der Ansicht „Deutschland gibt insgesamt zu viel Geld nach Europa“ voll oder eher zu und noch 30 Prozent teilen voll oder eher die Ansicht „Wir brauchen ein unabhängiges Deutschland ohne den Euro, in das keine Europäische Union hineinregiert“.

Während einerseits reale Verlierer der Globalisierung durch rassistische und nationalistische Parolen ansprechbar sind, sind es auf der anderen Seite die potenziell vom Abstieg bedrohten Mittelschichten, die dem Rechtspopulismus in vielen europäischen Ländern Zulauf verschaffen. Die Sozialwissenschaft spricht hier von subjektiver Deprivation. Umfragen und Themen zeigen, dass es in Deutschland ein ähnliches Potenzial für rechte Einstellungen gibt wie in zahlreichen anderen europäischen Ländern. Was hier jedoch fehlt, ist ein erfolgreiches Parteiprojekt, um diese Einstellungen in Wahlerfolge umzusetzen.