Tausende blockieren die Zufahrtsstraßen von Heiligendamm (Juni), Menschen stehen unter Terrorverdacht (Juli), weil sie bestimmte Begriffe kennen, die Wiege des alten Europas brennt (August) und FelS macht eine arranca! mit dem Titel «Rausch und Religion» (Oktober). Was ist das? Der Rückzug ins Private? Saufen und beten?

...zum Editorial

Thema

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Your Bathroom. Your Church

Aski Elber

Wer kennt sie nicht? Diese Situation auf WG-Feiern, wenn du aus dem Badezimmer wieder in das Menschentreiben geworfen wirst. Eine Situation zwischen privat und öffentlich, zwischen Sehnsucht nach Menschen und das Zuflucht-Suchen eines Raumes, den wir oft in Liedern finden. Aski Elber lädt uns mit einem literarischen Gedankenfluss in diese Situation ein und hinterfragt die eigene Suche nach dem Sein.

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Rausch, Sucht, Neoliberalismus

Patrick Stary

«[N]ur mit Hilfe von psychoaktiven Substanzen ist die Anpassung der Subjekte an die Beschleunigungskräfte der spätmodernen Gesellschaft zu gewährleisten. Dabei sollen diese Substanzen aber möglichst frei von Risiken sein und kontrollierbar bleiben, damit sie nicht zur ökonomischen Belastung werden.»

Horst Gerhard
in Jahrbuch Suchtforschung 2004

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Prozac® und Glück im Spätkapitalismus

Adrian Mengay

Man kann glücklich sein im Kapitalismus - hierfür nehmen weltweit bis zu 35 Millionen Menschen das Antidepressivum Prozac®. Sein Wirkstoff Fluoxetin steht sinnbildlich für die erste Generation der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Diese weisen gegenüber den sonst verbreiteten trizyklischen Antidepressiva* geringere Nebenwirkungen und eine selektivere Ausrichtung auf.

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Die Waffen des Lichts

Ratzinger und der 11. September

Michael Jäger

Vor wenigen Monaten erst hat ein Essaybuch von Hans Magnus Enzensberger reißenden Absatz gefunden, das Muslime generell als «Verlierer» beschreibt. Mit den «Gewinnern» des Westens konfrontiert, steigern sich manche laut Enzensberger so sehr in ihre Frustration hinein, dass sie zu Terroristen werden. Der berühmte Autor kommt nicht auf die Idee, sich zu fragen, ob das Geschehen der Globalisierung tatsächlich einem Kartenspiel gleicht. Nur dann ließen sich ja all die Opfer der Rücksichtslosigkeit und all jene, denen Unrecht geschehen ist, als schlichte «Verlierer» begreifen. Man dürfte unterstellen, dass die zu Boden Geschlagenen wohl irgendwann den «Spielregeln» zugestimmt haben müssen. Der Westen wäre moralisch «aus dem Schneider».

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Gefährliche Erinnerung an ein parteiliches Christentum

Über Geschichte und Potenzial von «Theologien der Befreiung»

Katja Strobel

Die konkrete Gestalt einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft kann zur Zeit nur im Prozess konstituiert werden. Dabei können, so die Hoffnung, auch dissidente ChristInnen eine Rolle spielen, die die «gefährliche Erinnerung» (J. B. Metz) einer befreienden Theologie bewahren und fortschreiben. Teile von Theologie und Kirche waren und sind Teil von gesellschaftlichen Befreiungsprozessen. Ein Beispiel, das bis in die Amtskirche hinein gewirkt hat und bis heute soziale Bewegungen und christlichen Glauben verbindet, sind Theologien der Befreiung.

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Religion als Auslaufmodell im Neoliberalismus

Ein Interview mit Christoph Deutschmann

Christoph Deutschmann & Redaktion

An die Heilsversprechen der traditionellen Religionen glaubt heute kaum mehr jemand. Dennoch sind Kapitalismus und Religion miteinander verquickt. Was sich hinter dieser These verbirgt und die sich daran anschließenden Fragen diskutiert die arranca!-Redaktion im Gespräch mit Christoph Deutschmann.

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Kapitalismus als Religion

Walter Benjamin

Im Kapitalismus ist eine Religion zu erblicken, d.h. der Kapitalismus dient essentiell der Befriedigung derselben Sorgen, Qualen, Unruhen, auf die ehemals die so genannten Religionen Antwort gaben.

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Mit Islamophobie contra Homophobie?

Georg Klauda

Am 10. Dezember 2003 veröffentlichte die linke Wochenzeitung Jungle World ein Pamphlet der beiden französischen Journalistinnen Caroline Fourest und Fiammetta Venner, das eine Abwehrfigur enthielt, die Karriere machen sollte: Mit ihrer Behauptung, dass der Begriff «Islamophobie» im Jahr 1979 von den iranischen Mullahs geprägt worden sei, um Frauen zu denunzieren, die sich weigerten, den Schleier zu tragen, versuchten die Autorinnen der beginnenden Auseinandersetzung um antiislamischen Rassismus einen begrifflichen Riegel vorzuschieben.

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Anti-muslimischer Rassismus: «Freiheit» und «Sicherheit» in prekarisierten Zeiten

Oder: der Untergang des christlich-laizistischen Abendlandes

Gruppe Soziale Kämpfe

Im Zentrum des Beitrags steht, wie die neue Konjunktur im Rassismus mit gesellschaftlichen Umarbeitungen, Terrorund Sicherheitsdiskurs, Prekarisierung und globalen Kräfteverhältnissen verbunden ist. Hier liegt u. E. ein blinder Fleck der aktuellen Debatte.

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Gott ist rund

Brasilien und der Fußball

Daniela Chiaretti

In Zeiten, in denen Brasilien den Beinamen «größtes katholisches Land der Erde» trug, äußerte der Anthropologe Darcy Ribeiro – ein Intellektueller, der meinte, das eigentliche Kennzeichnende des «Brasilianers» sei die Mixtur–, dass die Gläubigen in diesem Land anders seien: Katholisch schon, aber mit Macumba*, ausgiebigem Feiern und vielen Heiligen. In einem Land, in dem die nationale Leidenschaft für den Fußball ein Dogma darstellt und in dem sich die Sambagruppen mit den Gebetsgruppen vermischen, geht man mit den Glaubensrichtungen einerseits ebenso freizügig um, wie man den eigenen Körper an den Stränden von Río zur Schau stellt oder anderseits soziale Ungleichheiten hinnimmt.

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Hoffnung Koka

Drogen- und Kokapolitik in Bolivien

Susanne Dzeik

Ohne Koka hätten sie das wohl nicht durchgehalten. Über dreißig Stunden braucht der kleine voll bepackte Bus für die knapp 600 km über die schlammige Schotterpiste von der brasilianischen Grenze bis nach Santa Cruz, im Osten Boliviens.* Sechsmal zischt der Hinterreifen des Busses, Zeichen für die Passagiere auszusteigen und dem Busfahrerteam zuzuschauen, das mit von Kokablättern gefüllten Backe, geduldig immer wieder den Mantel von der Felge zieht, ihn näht und den Schlauch flickt.

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Lektüren zu Sufismus und Ekstase

Frieder Otto Wolf

«Der Sufismus vertritt nicht nur etwas ganz anderes als eine Philosophie, sondern er formuliert auch die energischste Kritik der Philosophie – jedenfalls in dem Maße, wie sich die Philosophie für ihn mit einem einschränkenden Rationalismus identifiziert. Und dennoch umfasst der Sufismus eine ganze Metaphysik, soweit es eben wahr ist, dass die Philosophie und die Metaphysik nicht in eins fallen. (…) was hier als die ‹Metaphysik des Sufismus› bezeichnet wird, entspricht dem, was im Allgemeinen unter dem Begriff der ‹spekulativen Mystik› bekannt ist.»

Henry Corbin
Histoire de la philosophie islamique, Paris 1986, S. 3911

Artikel außerhalb des Schwerpunkts

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Wie weiß ist der Elfenbeinturm?

Zum Rassismus in der Wissenschaft

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Ein Rechtsstreit zwischen zwei Dozenten am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin eröffnet einen neuen Blick auf einen oft totgeschwiegenen Aspekt des Wissenschaftsbetriebes: Wie Rassismus und Weiße* Definitionsmacht dafür sorgen, dass unter dem Deckmantel «objektiver» Wissenschaft kolonialrevisionistische Thesen vertreten und kritische Schwarze Perspektiven zum Schweigen gebracht werden sollen – zur Not vor Gericht. Wer schafft wessen Wissen und wessen Wissen schafft es nicht in die Wissenschaft? Inwieweit ist Wissenschaft in Deutschland geprägt durch Rassismus und eine Weiße Position, die universelle Gültigkeit beansprucht, ohne sich zu hinterfragen?

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Antifa heißt ... !

Beginn einer notwendigen Diskussion über antifaschistische Aktionen

Kampagne NS-Verherrlichung stoppen

Wenn dumme Parolen auf schwache Strukturen treffen, wenn Nazi-Großveranstaltungen fast unwidersprochen bleiben, wenn schnelles Abenteuer die Diskussion um Inhalte und Strategie antifaschistischer Politik ersetzt, dann ist es Zeit für eine kritische Reflexion. Unserer Meinung nach steckt die linksradikale antifaschistische Bewegung der Bundesrepublik in einer Krise – und das nicht erst seit gestern.

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Repression auf psychischer Ebene

Über traumatisierende Folgen von Polizei- (und anderer) Gewalt und wie wir da wieder rauskommen …

Joanna Rivas

Wer Widerstand leistet, ist zwangsläufig mit Repression konfrontiert. Diese verläuft auf verschiedenen Ebenen, wie die eingesetzten Mittel im Zuge des G8-Gipfels in Heiligendamm erneut gezeigt haben. Das martialische Auftreten der Polizei im schwarzen, gepanzerten Kampfoutfit, der Einsatz von Tornados, Bundeswehrfahrzeugen und Hubschraubern, die unentwegt über den Camps kreisten, willkürliche Kontrollen und Verhaftungen, die gezielte Desinformation der Medien durch die Sondereinheit der Polizei sowie die Hausdurchsuchungen und Kriminalisierungen von GipfelgegnerInnen nach § 129a bereits vor dem Gipfel schafften ein Klima der Bedrohung.

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Im Rausch der Praxis

Zwei Tage vor dem blockierten Heiligendamm

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Eine halbe Stunde lang passiert gar nichts. Meine Beine schlafen ein, der Asphalt wird zur Ameisenstraße. Wir skandieren Parolen. Ein Praxisbericht über das Weitermachen, Bezugsgruppen und Straßenbesetzung trotz Pefferspray und Wasserwerfern. «We are winning» steht am Schluss an jeder Wand.

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Choreographie des Widerstandes

Der G8-Gipfel in Heiligendamm

Ben Trott

Fast zwei Jahre lang hatten sich linke Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen inner- und außerhalb Deutschlands auf den diesjährigen G8-Gipfel vorbereitet. An den Mobilisierungen beteiligt waren GewerkschafterInnen, die Anti- Atomkraft- und die Öko-Bewegung, antimilitaristische Gruppen und die Friedensbewegung, Studierendenorganisationen, antifaschistische Gruppen, antirassistische Kampagnen und migrantische Gruppen, die Jugendorganisationen der politischen Parteien und die Netzwerke der Autonomen und der radikalen Linken. Sie alle hatten – nicht immer konfliktfrei – zusammen daran gearbeitet, dass das, was auf den Straßen Rostocks und auf den Feldern und Wegen um Heiligendamm Anfang Juni geschah, zu einem Erfolg für die Linke wurde.

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¡No somos terroristas! Bildungsproteste auf kolumbianisch

Andreas Somasundram

Betrachtet mit einem Abstand von wenigen Monaten muss dieser lautstark vermittelten Anklage der kolumbianischen Studierenden gegen die Regierung Alvaro Uribe Velez und die staatliche Exekutive leider Recht gegeben werden. Die jüngste Erhebung der Studierenden im Mai dieses Jahres gegen den autoritären Staatsapparat spiegelt dabei nur zu deutlich die Schwierigkeiten wider sowie die Brutalität, denen sich linke Organisationen und Bewegungen des Landes seit Jahrzehnten ausgesetzt sehen.

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Anti-Opium

Aski Elber

Der Markt ist das Anti-Opium des Volkes. Eines Volkes, das durch alte Religion nicht mehr zu beruhigen ist. Und das nicht mehr beruhigt sein darf. Weil das Volk im Rausch täglich neu sein soll. Aski Elbers literarisch-dystopischer Traum liefert eine präzise Analyse über neoliberale Strukturen und den Status Quo.