In der letzten Ausgabe der arranca! ging es ums Scheitern der Linken. Heute scheitert der Gegner. Der Kapitalismus erlebt seine größte Krise seit 80 Jahren. Was bis vor kurzem von der bürgerlichen Presse bis weit in die parlamentarische Linke hinein als immerwährendes Naturgesetz galt, zählt auf einmal nicht mehr. Für einen Augenblick scheint die Welt Kopf zu stehen. Marx ist wieder salonfähig, und in den Feuilletons riecht es nach Vormärz. Die einstigen Apologet_innen des Neoliberalismus klingen wie verstaubte Gewerkschaftsfunktionär_innen. Die FDP entdeckt ihr Herz für die ‹kleinen Leute› und in Hamburg solidarisiert sich die CDU mit Hausbesetzer_innen gegen den neoliberalen Umbau der Stadt.

...zum Editorial

Thema

None

Venezuela: Die konstituierende Macht in Bewegung

10 Jahre Bolivarianischer Prozess an der Regierung

Dario Azzellini

In den letzten Jahrzehnten hat vor allem die Frage nach der Übernahme der (Staats-)Macht für Kontroversen innerhalb der Linken gesorgt. Ob der Staat übernommen wird, bis zu einem bestimmten Punkt mit staatlichen Institutionen zusammengearbeitet werden solle oder doch lieber jede Kooperation vermieden werden müsse, war ein zentraler Streitpunkt. Die Wahl verschiedener linker Regierungen in Lateinamerika, vor allem die Fälle Venezuelas und Boliviens, spielen eine zentrale Rolle. Mit der Wahl von Hugo Chávez zum Präsidenten Venezuelas und seiner Amtsübernahme Anfang 1999 begann ein Prozess wirksamer und auf eine sehr breite linke Bewegung gründender sozialer Transformationen, der die Linke zwingt, bestimmte tradierte Konzepte neu zu denken.

None

We may not like it, but we have to be part of it

Poulantzas, die Linke und der Staat

Alexander Gallas

Wie erzwingt man Konzessionen von Staatsseite? Wie kommt man innerhalb einer nationalstaatlich verfassten Gesellschaft angesichts der globalen ökonomischen und ökologischen Krise über den Nationalstaat hinaus? Ein Blick zurück in die 1970er Jahre führt den Autor Alexander Gallas zurück zum marxistischen Staatstheoretiker Nicos Poulantzas. Es bleibt zu fragen: Welche Konzepte und Strategien haben wir heute, um eine antikapitalistische Politik weiter voranzutreiben?

None

Künstlerische Praxis als Emanzipationsstrategie?

A.J. Haller

Wieso Kunst? Diese Frage lässt sich stellen, wenn es darum geht, welche Strategien zu einer emanzipatorischen Transformation der Gesellschaft führen können. Warum halten sich Menschen, die an Emanzipation von historisch geschaffenen Zwängen interessiert sind, mit Kritik an den als ‹Überbauphänomenen› geschmähten Künsten auf?

None

Haltung und Rausch

Grenzen linker Politik in Zeiten der Krise

Josef Moe Hierlmeier

Über den Erfolg der Linkspartei bei den Bundestagswahlen darf man sich ruhig freuen. Er zeigt an, dass zwar viel erreicht, aber noch nichts gewonnen ist; ein Sieg im Kleinen, doch kein Ausweg aus der Krise. «Es herrscht Ruhe im Land» – trotz oder gerade wegen der größten Krise der Nachkriegszeit. Man hört untergründiges Beben, geht aber weiter am Strand spazieren in der Hoffnung, der kommende Tsunami werde folgenlos über eine/n hinwegschwappen.

None

Diverser leben, arbeiten und Widerstand leisten

Queerende Perspektiven auf ökonomische Praxen der Transformation

Do. Gerbig & Kathrin Ganz

Die AutorInnen wollen nicht mehr länger auf die Weltrevolution warten, sondern die neoliberalen Vergesellschaftungsprozesse analysieren. Und zwar mit einer queerenden Perspektive, um Transformationsprozesse in den Blick zu bekommen. Wie können wir die Norm des Kapitalismus und seine vermeintliche Omnipotenz bekämpfen? Und in welchem Wechselverhältnis stehen privatisierte Freiheit jenseits sozialer Gerechtigkeit und neoliberalen Regierungsweisen?

None

Hier ist der Klimawandel, hier tanze!

Bernd Barenberg

In der Debatte um eine interventionistische Klimapolitik fällt auf, dass sie sich fast immer um die Frage dreht, mit welchen Inhalten die radikale Linke ins Feld der Politik eingreifen soll. Dabei stellt die ökologische Herausforderung nicht zuletzt die Form etablierter Politik selbst in Frage. Denn zum einen betrifft der Klimawandel den ganz konkreten Inhalt der Produktion und zum anderen sind ökologische Probleme wie der Klimawandel per se globalen Ausmaßes.

None

Stachelbeermarmelade und die Farbe der Kunst:

Gibt es eine revolutionäre Literatur?

Paolo Nori & Vincenzo Gallico

Vor einigen Wochen unterhielten sich die beiden ­italinienischen Schriftsteller Vincenzo Gallico und Paolo Nori für die arranca! darüber, ob Literatur zur Transformation beitragen kann.

None

Transformationen des Kapitalismus und revolutionäre Realpolitik

Mario Candeias

Systemkrise oder business as usual, zwischen diesen beiden Positionen changiert die Einschätzung der gegenwärtigen Krise. Doch weder ist der Kapitalismus als solches in der Krise, noch kann die Form kapitalistischer Entwicklung der letzten 30 Jahre einfach weiter verfolgt werden. Die spezifische Form der transnationalen, informationstechnologischen Produktions- und Lebensweise unter neoliberaler Hegemonie ist in eine strukturelle oder organische Krise geraten. Wir stehen am Beginn einer erneuten Transformation des Kapitalismus. Um seine Gestalt wird in den nächsten Jahren gekämpft werden. Wie kann angesichts der nachteiligen gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse dennoch eine sozialistische Transformation im Sinne einer revolutionären Realpolitik (Luxemburg) verfolgt werden? Also, was tun (Lenin) – und «wer zum Teufel tut es» (Harvey 2009)?

None

Die Commons in Zeiten der Cholera

Benni Bärmann

Wie herauskommen aus dem kapitalistischen Elend? Wir müssen uns wohl erst einmal fragen, was nicht geht. Sei es aus analytischen Gründen, aus solchen der historischen Situation oder der historischen Erfahrung. Erst dann können wir anfangen zu überlegen, was gehen könnte. Ein recht anspruchsvolles Programm für einen Zeitschriftenartikel.

Artikel außerhalb des Schwerpunkts

None

«Wer nicht arbeitet, soll nicht essen»

Geschichte, Gegenwart und Kritik des Antiziganismus

Markus End

Antiziganismus ist aktuell und brisant wie selten zuvor und stellt auch Linke vor die Aufgabe, sich dieses Problems anzunehmen und für eine wirksame Bekämpfung des Antiziganismus und seiner Ursachen einzustehen und zu streiten. Denn wenn in Berlin die B.Z., die Bild-Zeitung und der Tagesspiegel gegen «Roma-Bettler» hetzen und die Taskforce Okerstraße des Quartiersmanagments Schillerpromenade in Berlin-Neukölln von «umherziehenden Roma-Kindern» fabuliert, stellt dies nur die Spitze eines Eisberges dar.

None

Zwei Blicke auf Lesbos

Das Grenzcamp 2009

Emina Kirsch & Winnie Medina

Im August 2009 fand das Grenzcamp in unmittelbarer Nähe des Lagers Paganí unter reger Beteiligung von Aktivist_innen aus dem deutschsprachigen Raum statt. Zwei von ihnen schildern ihre Erfahrungen und wagen eine Bewertung der Ereignisse.

None

Little Earthquakes

Zur Dokumentargeschichte der Roten Armee Fraktion (RAF) in Nordamerika

André Moncourt & Gabriel Kuhn & J. Smith

Im Februar 2009 erschien als Gemeinschaftsproduktion der Verlage PM Press (Oakland, USA) und Kersplebedeb (Montreal, Kanada) der erste Band einer zweibändigen «Documentary History» der RAF mit dem Titel Projectiles for the People. Die Bände beinhalten Übersetzungen von Original-RAF-Texten sowie ausführliche Einleitungen zum historischen und politischen Kontext. Das Projekt stellt den bisher bei weitem ambitioniertesten Versuch dar, die Geschichte der RAF auf Englisch zu dokumentieren. Gabriel Kuhn sprach mit den beiden kanadischen Herausgebern, André Moncourt und J. Smith, über ihre Beweggründe, über die historische Bedeutung des bewaffneten Kampfes in der Metropole und über die Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Stadtguerillagruppen Nordamerikas und Deutschlands. Moncourt und Smith sind seit knapp dreißig Jahren in der radikalen Linken aktiv, vor allem in der Unterstützung anti-kolonialen Widerstands und in Gefangenenhilfsgruppen.

None

Wahnsinn, was man hier alles sagen kann?

Ein Bericht über die NPA, der ganz ohne ihren Vorsitzenden Olivier Besancenot auskommt

Aurélie A.

Bereits anderthalb Jahre sind seit der Entstehung der Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA, Neue Antikapitalistische Partei) vergangen und ein knappes Jahr seit ihrem Gründungskongress im Februar 2009. Der richtige Moment, eine erste Bilanz zu ziehen und jenseits allgemeiner Prinzipien und Absichtserklärungen den Blick auf das zu richten, was die Partei tatsächlich umzusetzen vermag.