Besonders deutlich wird dies am Versagen nationaler Politik, auf internationaler Ebene zu einigermaßen verbindlichen Entscheidungen zu kommen. Auf der zwischenstaatlichen Ebene aber finden Aushandlungsprozesse in der Logik der Konkurrenz statt – etwa im Marktmechanismus des Emissionshandels oder als Machtspiel im Umfeld internationaler Gipfel. Aus der Perspektive eines nationalstaatlichen Akteurs kann es so nur darum gehen, möglichst wenig Lasten zu tragen. Die Rhetorik der «gemeinsamen Anstrengung» (Merkel) sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen globalen Akteur schlicht nicht gibt, oder besser: er in der Form internationaler Politik nicht darstellbar ist.
Dieser etablierten Unfähigkeit begegnet die radikale Linke zurecht nicht mit Forderungen, sondern mit einer Strategie der Delegitimierung. Was dabei allerdings oft zu kurz kommt, ist die Betonung eines emanzipatorischen Projekts. Slavoj Žižek weist zurecht darauf hin, dass die «Notwendigkeit eines globalen politischen Handelns [...] ein genuin kommunistischer Standpunkt» ist. Auf dem Weg dahin müsste die Linke aber ihr eigenes Politikverständnis überschreiten und eine konsequent transformatorische Perspektive einnehmen.
Dazu ist es auch nötig, über den Rahmen der politischen Sphäre hinauszugehen. Der feministische Slogan «Das Private ist politisch» wäre auf die Ökonomie zu erweitern – etwa indem sich die Linke ganz konkret mit der Frage beschäftigt, was mit Opel-Werken in einer Gesellschaft jenseits des Individualverkehrs anzufangen wäre. Der langjährige Opel-Betriebsrat Wolfgang Schaumberg kritisiert, dass die radikale Linke bei abstrakten Vorschlägen zur langfristigen Produktkonversion stehen bleibt. Nicht nur werden die brisanteren Fragen in der Bündnisperspektive zwischen Ökologie-Bewegung und Arbeiter_innen oft nicht einmal gestellt. Was fehlt, ist eben «die Herausarbeitung der inhaltlichen Bestimmungen, durch die sich nach der Überwindung des ‹Kapitalismus› die neue Produktionsweise von ihrer alten Gestalt [...] unterscheiden würde» (Frieder Otto Wolf).
Indem so die marktförmige Verkehrung von Konsum und Produktion wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird, entgeht man auch einer individualistischen Verzichtsethik. Auch die viel gescholtene Arbeiterklasse würde zurückkehren, denn ohne die im Produktionsprozess Beteiligten sind konkrete Strategien zur ökologischen Produktionskonversion kaum zu entwickeln.
Es ist und bleibt das Projekt einer grundlegenden Transformation, das nicht nur einzig in der Lage ist, eine globale Perspektive auf Klimawandel, Finanzkrise und Armut einzunehmen, sondern das auch die einzige Daseinsberechtigung der Linken jenseits von Abwehrkämpfen darstellt. Dazu gilt es, jenseits von Markt und Staat, alles zum Gegenstand partizipativer Debatten- und Aneignungs-Praxis zu machen, in denen der Mensch ein borniertes, ein entfremdetes, ein geschlechtliches, ein warenförmiges Wesen ist.
Bei aller Skepsis gegenüber einem revolutionären Projekt täte die radikale Linke gut daran, symbolische Transformationsprojekte zu entwickeln, die überzeugend sichtbar machen, dass jene andere Welt nicht nur möglich, sondern auch besser ist. Ein ehemaliges Automobilwerk, in dem mit Fotovoltaik getankte Nahverkehrsvehikel produziert werden, die für alle kostenlos bereit stehen, wäre ein Beispiel. Die sich daraus ergebenden Fragen weisen eine erschreckende Konkretheit auf, doch könnte eine transformatorische Linke hier durch praktisches Engagement an Boden gewinnen, den eine allzu sehr auf etablierte politische Verfahren fixierte Linke verloren hat.