Die Logik des Hamsterrades
Gescheitert bin ich bisher an der Antwort auf die Frage nach der Vermittlung von Gruppendiskussionen über die Generationenwechsel in der Gruppe hinweg. Es gibt bei FelS periodisch wiederkehrende Fragestellungen, Positionierungen sind gefragt, die immer wieder von neuem diskutiert werden müssen. Klar, die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Akteure sind nicht statisch, grundsätzliche Fragen haben jedoch länger Bestand und müssten nicht immer wieder neu diskutiert werden, nur weil vier Leute weggehen und sechs Leute dazu kommen … Andere Organisationen haben ein Programm, darin werden Positionen festgehalten, die für alle nachvollziehbar sind. FelS tut sich damit schwer. Wir wollen unsere autonome Identität nicht aufgeben, sind lieber undogmatisch, antiautoritär, spontaneistisch ... Wir wollen uns nichts von den »Alten« erzählen lassen und die »Alten« haben keine Lust zu erzählen.
Allerdings: Wir arbeiten am Aufbau einer Organisation, mit der wir uns in gesellschaftliche Diskurse und Konflikte einmischen, um sie mit unserer Strömung politisch zu beeinflussen. Und weil es viel Kraft und Zeit kostet, Grundsatzdiskussionen zu führen, ist es gut, Diskussionsergebnisse zu Papier zu bringen, um der Logik des Hamsterrades zu entkommen.
Darum schreiben wir auch an einem Selbstverständnis - und das schon seit Gründung der Gruppe! Vielleicht wird es bald fertig, aber ich neige dazu, es als gescheitert zu erklären.
Hartnäckigkeit, Ignoranz, Zähigkeit
Ich war bei einem schlecht besuchten FelS-Wochenende im Frühsommer 2006 und hatte das Gefühl zu denen zu gehören, die nichts Besseres zu tun haben als mit der Gruppe wegzufahren. Es gab eine Zukunftswerkstatt, in deren Verlauf gute Ideen entwickelt wurden und sich die Stimmung besserte. Wir visionierten uns Dinge herbei wie einen FelS-Buchladen mit Veranstaltungsort, wir sprachen über neue Gruppenstrukturen, über die sehr unterschiedlichen AG-Identitäten und den drohenden Verlust der Gesamtidentität. Das Gefühl entstand, zu neuen Ufern unterwegs zu sein, es blieb aber zunächst nichts Greifbares zurück. Der Bericht über das Wochenende bei der Vollversammlung danach war irgendwie öde und weil so gar nichts passierte, hatte man den Eindruck, es hätte dieses Wochenende nie gegeben. Das fand ich krass.
Schließlich kam doch noch eine Debatte in Gang, die auch strukturelle Änderungen bei FelS bewirkte. All die Visionen, die wir entwickelt hatten, um das Politikmachen ganzheitlicher und konkreter gestalten zu können, haben wir nie in einem strukturierten Rahmen weiter verfolgt. Das schaffte Ernüchterung.
Zum Thema Scheitern muss ich noch die Heiligendamm-Mobilisierung anführen.
In einer 2005 entstandenen G8-Gruppe hatten wir begonnen, über die Gipfelproteste zu diskutieren und uns dabei auf Migration als Schwerpunktthema festgelegt. Frustrierend war, dass die Zusammensetzung dieser Gruppe 2006/2007 komplett wechselte; auch wollten die neuen Leute nicht mehr zu diesem Thema arbeiten, sondern eine breitere Strömung ansprechen und sich auf Block G8 konzentrieren.
Vielleicht ist eine zweijährige Mobilisierung zu lang angelegt: Die Leute gingen ins Ausland, bekamen Kinder, beendeten ihr Studium, wechselten die Gruppe, machten zwischendurch lieber Party usw. Die Gründe waren individuell verständlich, aber das zeigte die Grenzen einer langfristigen Arbeit auf. Und es ist frustrierend für die Leute, die mehr Zeit in politische Arbeit stecken. Auch andere blicken auf G8 und FelS eher frustriert zurück, obwohl die letzten Monate der Mobilisierung 2007 mit der Gruppe total super waren.
Ich rechne mich allerdings zu jenen, die Schlechtes verdrängen und in der Erinnerung eher an das positiv Erlebte anknüpfen. Vielleicht eine Eigenschaft, die einem die notwendige Hartnäckigkeit, Ignoranz und Zähigkeit geben, um Gruppenprozesse wie bei FelS längere Zeit, nicht nur für einen kurzen Zeitabschnitt, durchzustehen.
Gender, Politik und Alltag
Aus meiner Sicht ist FelS daran gescheitert, den Anteil an Frauen (übrigens auch an Migrant_innen und nicht heterosexuell Lebenden) über das in Polit-Gruppen übliche Maß zu heben. Wir haben alles Mögliche probiert: Frauen-AG, Gender als Querschnittsthema, Redebeeinflussung, Quotierung – alles hat nicht viel gebracht oder wurde nicht richtig umgesetzt. Nicht einmal die Frage, ob dem Problem mit solchen Maßnahmen überhaupt beizukommen ist, wurde beantwortet.
Ich tröste mich damit, dass FelS es wenigstens ansatzweise geschafft hat, unterschiedliche Alltagssituationen und Voraussetzungen (Alter, Kinder, Job, Studium, viel/wenig Zeit) miteinander zu vereinbaren.
Kommunist-Sein heute
Das Scheitern politischer Projekte und das Nicht-Durchsetzen-Können politischer Ansprüche haben bei mir bislang nicht dazu geführt, die Arbeit bei FelS zu beenden. Natürlich bin ich illusionsloser geworden, was mein Engagement angeht, muss aber aus zwei Gründen weitermachen:
- Die Arbeit und den Ansatz von FelS halte ich - Scheitern eingeschlossen! - nach wie vor für richtig und wichtig.
- Meine Ansprüche an gutes Leben, stilvolles Wohnen, Kultur und feines Essen kann ich vor mir selbst nur rechtfertigen, wenn ich an den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Gegenwart teilhabe.
Heute Kommunist zu sein, heißt ohnehin, sich mit dem Scheitern der großen Utopie irgendwie arrangiert zu haben - und trotzdem weiter zu kämpfen.
Pinker Punkt
Gescheitert ist zum Beispiel die Kampagne Pinker Punkt. Wir wollten damit die Aneignung des Nahverkehrs durch öffentliches Umsonstfahren konkret propagieren. Die Chancen dafür schienen gut, weil das Semesterticket an der Freien Universität Berlin (FU) nicht zustande gekommen war. Unsere Überlegung war, dass der kleine Rahmen des Konzepts eine Vermittlung von Aneignungsprozessen erleichtert und sich Student_innen leichter begeistern lassen würden als die Gesamtbevölkerung.
Die Leute sollten sich an pinken auf den Bahnsteig gesprühten Punkten treffen und in Gruppen demonstrativ ohne Fahrschein fahren. Wir haben relativ viel Arbeit in eine stylische Darstellung gesteckt, von der Webseite über Flyer und Buttons bis hin zu T-Shirts, damit sind wir an der FU auch auf ein gewisses Interesse gestoßen. Es gab aber nur wenige, die dann auch tatsächlich gewagt haben, pink zu fahren. Und wir als Gruppe konnten natürlich nicht jedesmal, wenn jemand zur Uni fahren wollte, präsent sein.
Rückblickend würde ich sagen, dass wir da einen zu großen Schritt vorausgesetzt haben: Die spontane Selbstorganisierung von Pinkfahrgruppen an den pinken Punkten mit der Aussicht auf eine mögliche Konfrontation mit Kontrolleuren – das war auch für die linken Studis oft ein zu großer Schritt. Verglichen mit den Erfahrungen von Block G8 wäre es vielleicht besser gewesen, Selbstbewusstsein und Organisierung stärker zu fördern, beispielsweise durch Aktionstrainings, und weniger auf das Design des Auftritts zu achten.
Der Misserfolg beim Pinken Punkt hat Leute, die viel Arbeit hinein gesteckt hatten, demotiviert. Einige sind zeitweise oder endgültig aus der Gruppe ausgestiegen. Wieder aufgebaut hat sich die AG Soziale Kämpfe dann am nächsten Projekt, der Organisierung der Mayday-Parade.