Schon vor Trump gegen Trump: Zwar stehen die Black Lives Matter-Proteste nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, ist das Phänomen der rassistischen Polizeigewalt gegenüber Schwarzen US-Amerikaner*innen doch nichts neues. Dennoch hat sich, aufbauend auf den bereits bestehenden Strukturen der Schwarzen Bürger*innenrechtsbewegung, über die Proteste der vergangenen Jahre, also bereits vor Trump, eine dezentrale, hervorragend vernetzte und anschlussfähige Bewegung etabliert, die in der Lage ist, ihren Protest lautstark und mit vielen Menschen auf die Straße zu tragen, was sie auch dieser Tage in breiten Bündnissen tut.

Intersektionalität: Was uns zum einen an der Bewegung und konkret an der Demonstration in Washington D.C. beeindruckte, war die Selbstverständlichkeit mit der Kämpfe intersektional gedacht wurden. So war es wenig überraschend, dass im Rahmen einer Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt friedlich ein Walmart Supercenter zu einer Zwischenkundgebung gestürmt wurde bei der die prekären Arbeitsbedingungen der überwiegend Schwarzen Walmart-Belegschaft thematisiert wurden und gleichermaßen auch Themen wie Food Justice zur Sprache kamen.

Anschlussfähigkeit: Ähnlich begeistert hat uns das Hand in Hand der vermeintlichen Widersprüche zwischen einer zivilgesellschaftlichen Anschlussfähigkeit und einem radikaleren Anspruch: Schwarze Kommunist*innen gemeinsam mit weißen Anarchist*innen (und natürlich auch andersherum) mit liberalen NGOs, den traditionellen zivilgesellschaftlichen Bürger*innenrechtsorganisationen und sehr vielen nicht enger politisch organisierten Menschen.

Anschlussfähigkeit II: Gleichzeitig schafft es die Bewegung Menschen aller Alterklassen zu mobilisieren. Kinderwägen waren ebenso selbstverständlich anzutreffen wie Rollatoren. Hier scheinen sowohl die erfolgreiche Bündnispolitik, als auch der kluge strategische Essentialismus von Black Lives Matter auf.

Anschlussfähigkeit II: Gleichzeitig schafft es die Bewegung Menschen aller Alterklassen zu mobilisieren. Kinderwägen waren ebenso selbstverständlich anzutreffen wie Rollatoren. Hier scheinen sowohl die erfolgreiche Bündnispolitik, als auch der kluge strategische Essentialismus von Black Lives Matter auf.

Sichtbarkeit: Eine für uns interessante Beobachtung stellte auch der Gestus der überwiegenden Masse an Demonstrant*innen dar: Individuelle Sichtbarkeit scheint ein elementarer Bestandteil der Öffentlichkeitsstrategie von Black Lives Matter zu sein, wie sich im ungewohnt entspannten Verhältnis zu den diversen Medienvertreter*innen zeigte. Subkultureller Politszene-Habitus wie Vermummung schienen ohnehin ein weißes Privileg unter den Demonstrant*innen zu sein – die Schwarze US-Community hat nicht erst seit dem gewaltsamen Tod von Trayvon Martin verinnerlicht, dass bereits ein Kapuzenpullover die Gefahr durch eine Polizeikugel (oder die irgendeiner Neighborhood-Watch) ums Leben gebracht zu werden signifkant erhöht.

Feminismus: In unserer zugegebnermaßen recht punktuellen Wahrnehmung wurde die Demonstration alles andere als vornehmlich von Cis-Männern getragen. Es gab ungewohnt viele nicht-männliche Redebeiträge und es waren insgesamt überdurchschnittlich viele Frauen mit Megafonen anzutreffen. Die Black-Lives-Matter-Bewegung sah sich jedoch auch feministischer Kritik von Innen ausgesetzt, die beispielsweise monierte, dass sich die Bewegung überwiegend auf Fälle männlicher Opfer von Poilizeigewalt konzentriere, obwohl es auch eine ganze Reihe an Fällen mit weiblichen Opfern wie beispielsweise Rekia Boyd gab.

#Who‘sLivesMatter? Natürlich hat sich die Bewegung nicht nur Freund*innen in der US-amerikanischen Gesellschaft gemacht. Neben dem absehbaren Bashing durch rechte und konservative Kreise (auch prominente Schwarze republikanische Abgeordnete agitierten in der Vergangenheit gegen Black Lives Matter), musste die Bewegung auch die Initiative diverser Polizeibehörden die sich unter dem Hashtag #BlueLivesMatter (der blauen Polizeiuniformen wegen) formierten, abwehren.

Strategischer Essentialismus: Diskursiv interessanter schien jedoch noch eine weitere Auseinandersetzung, die Black Lives Matter aufgezwungen wurde: Der von weißen Aktivist*innen verbreitete Hashtag #AllLivesMatter, der einerseits Ausdruck einer konkreten Gegenbewegung war, jedoch gleichzeitig – mit der nötigen Naivität vorgetragen – die Notwendigkeit einer produktiv geführten Debatte um die Struktur von Rassimus und White Privilege in den USA aufzeigt.

Solidarität: Letztlich wurden wir Zeug*innen eines beeindruckenden Moments einer politisch hochinteressanten Bewegung. Die Begegnung mit über 10.000 Black Lives Matter Aktivist*innen an diesem kühlen Washingtoner Novemberabend, und das Gefühl der sich in Solidarität übersetzenden Wut haben einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Black Lives Matter nährt jedenfalls die Hoffnung, dass es in den USA eine breite, gut organisierte bewegungspolitische Opposition mit einem nötig langen Atem gegen die neue Regierung geben wird. Auf Black Lives Matter wird sich diese Opposition sicher stützen können.