Einige AntifaschistInnen versuchten gegen 19.30 Uhr ein Vorabtreffen der eigentlichen DA-Zusammenkunft aufzulösen, dabei wurden mehrere Nazis verletzt und zwei PKW-Scheiben zerstört. Obwohl es außer einem Stock im Wagen des 3 1/2 Stunden nach dem Vorfall in einer anderen Stadt festgenommenen Gunther kein „Beweismittel“ gibt, wurde er tags darauf dem als „Hard­liner“ gegen Linke geltenden Haftrichter Pohlen vorge­führt, der Untersuchungshaft anordnete. Seine Beschwerde gegen den Haftbefehl wurde von der 1.Strafkammer des Landgericht Mainz als unbegründet abge­wiesen, da sich ein dringender Tatverdacht ergäbe. Weiterhin hätten sich an Gunthers Kleidung Glassplitter gefunden, die von einem Fahrzeug stammen könnten, welches bei der Auflösung des Nazi-Treffen beschädigt wurde. Ebenso könnten die Splitter natürlich von jedem anderen bei PKWs üblichen Security-Glas stammen. Nach 5 Monaten Untersuchungshaft ist Gunther – unter Meldeauflagen – wieder auf freiem Fuß. Es wird wegen des Verdachts auf schweren Landfriedensbruch ermit­telt, der eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren vorsieht. Die gezielte Kriminalisierung linker Politik und antifaschistischer Organisierung liegt auf der Hand.

Wir befragten Gunther zu seinem wahrscheinlich im Herbst diesen Jahres statt­findenden Verfahren.

arranca!: ¿ Hast Du den Ein­druck, daß es sich um eine gezielte Verhaftung handelte?

Gunther: Ja, ich wurde VOR einem Streifenwagen überholt und gestoppt und bin schließ­lich verhaftet worden. Sie haben die Verhaftung wegen schwerem Landfriedensbruchs schon verkündet, bevor sie den Wagen richtig durchsucht hatten.

¿ Du bist 5 Monate in U-Haft gewesen, Haftentlas­sungen wurden nicht mit juri­stischen sondern mit politi­schen Begründungen abgelehnt...

Gunther: Die Begründung lautete: „Der Beschuldigte ist, wie sich aus dem Inhalt der Ermittlungsakten ergibt, Mit­glied einer sich antinational­sozialistisch bezeichnenden linksautonomen Gruppe. Aus den vorgenannten Umständen ergibt sich zweifelsfrei der dringende Tatverdacht der Beteiligung des Beschuldigten an dem Überfall.“ Und, daß ich als „Mitglied der Autono­men Szene jederzeit in den ‚autonomen Untergrund‘„ abtauchen könne, also auch Fluchtgefahr bestehe. Die Begründung enthält gleich mehrere Konstrukte, einmal „die antinationale Gesin­nung“, mit der sie dieser eine ganz klare politische Prägung aufdrücken und dann der „autonome Untergrund“, als gäbe es schon legale und ille­gale Autonome.

¿ Warum bist Du jetzt wieder freigelassen worden?

Gunther: Die Begründung war offiziell, daß der Prozeß frühestens im Oktober diesen Jahres losgehen kann und es Bedenken wegen der langen U-Haft gab. Obwohl so eine lange U-Haft für Rheinland-Pfälzische Verhältnisse keine Besonderheit ist. Ich glaube, daß meine Freilassung ein Erfolg der starken Soli-Arbeit draußen ist.

¿ Wie waren denn die Haftbedingungen?

Gunther: Ich hatte „normale“ Haftbedingungen, wobei ich den ersten Monat ständig ver­legt wurde wegen der Solida­ritätskundgebungen die vor dem Knast organisiert wur­den.

¿ Was bedeutet „nor­male Haftbedingungen“?

Gunther: Die gleichen Bedin­gungen wie andere Gefan­gene auch, wobei in der Mainzer U-Haft die Bedingun­gen zwar offiziell als „normal“ gelten, aber ziemlich übel sind: 23 Stunden allein auf Zelle und eine Stunde Hof­gang. Zwei Stunden täglich ist Umschluß, da kannst Du Dich mit maximal zwei Gefange­nen in eine Zelle sperren las­sen. Es gibt so gut wie keine Freizeitmöglichkeiten. Ich hatte als „politischer Gefange­ner“ in dem Knast eine ganz gute Position, es gab auf Grund des Tatvorwurfs viele Sympathien.

¿ Es gab also keine rechte Stim­mung im Knast? In Berlin gab es ja schon Aktionen von ausländischen Gefangenen gegen rassistische Über­griffe im Knast und es zirkuliert ganz offen Material der eigentlich verbotenen NSDAP/AO...

Gunther: Es gab auch Rechte im Main­zer Knast, aber die hatten in der Knaststruktur keine gute Position, einige haben sich nicht mal mehr zum Hof­gang rausgetraut...

¿ Wieviele Gefangene haben gleichzeitig Hofgang?

Gunther: Das konnten bis zu 100 Gefangene sein auf einem Hof der 10m x 30m mißt, da der eigentliche Hof wegen Restauration geschlos­sen ist. Das war extrem mensche­nunwürdig, Du konntest Dich vor lauter Gefangenen kaum bewe­gen, da sprudelten die Aggressionen nur so.

¿ In welchen Rahmen stellst Du Dein Verfahren?

Gunther: Es ist wichtig festzuhalten, daß Mainz ein Nazizentrum ist. Die Gärtnerei Müller dient seit über 20 Jah­ren als Knotenpunkt deutscher und internationaler faschistischer Organisa­tionen. Doch das wird in Mainzer Polizei-, Staatsschutz- und Justizkreisen nie erwähnt.

Wichtig ist auch Biebelsheim, ein Dorf bei Bad Kreuznach zu erwähnen. Dort sollte auf dem Gelände eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers, in dem Deutsche inhaf­tiert waren, eine Mülldeponie entstehen, was Nazi-Gruppen genutzt haben, um einen Wallfahrtsort daraus zu machen, seit 1991 veranstalten sie dort mehrere Aufmärsche im Jahr. Es entstand ein breites Bündnis von Kirchenkreisen über Grüne und SPD bis hin zu verschiede­nen Antifa-Gruppen, ich saß als Vertreter der Antifa Mainz/Wiesbaden mit dabei.

Das Bündnis veranstaltete meh­rere Aktivitäten und im Laufe der Zeit riß ein SPD-Europaparlamentsabgeordneter Namens Kurt Fittinghoff die Sache immer mehr an sich und fing an Infor­mationen über verschiedene Leute, besonders über Autonome, an das Main­zer Innenministerium weiterzugeben. Dann hat er einmal im Namen des Bündnisses eine Kundgebung organisiert und den Innenminister Walter Zuber als Redner eingeladen. Das Innenministe­rium, kam dann heraus, hatte sogar einen Spitzel im Jugendzentrum Bingen eingeschleust, wo auch eine antifaschi­stische Gruppe organisiert war. Als der Spitzel aufflog, wurde sein Einsatz damit legitimiert, daß die Gruppe aus dem Jugendzentrum Kontakte zu Autonomen, der Antifa MZ/WI hätte und es wurde begonnen in gute und böse Antifaschisten zu spalten.

Zurück zur DA, die hatte sich in Mainz zu einer Kameradschaft von etwa 30 Per­sonen entwickelt, bundesweite Bedeu­tung erreicht und auch nach dem Verbot behalten. Nach meiner Verhaftung gab es mehrere Stellungnahmen von Staats­anwalt und Polizei in denen geleugnet wurde, daß es in Mainz faschistische Strukturen gibt. Das wurde durch eine intensive Antifa-Pressearbeit widerlegt, daher kam es im März zu einer ersten Alibi-Aktion; Durchsuchungen hei ehe­maligen DA-Mitgliedern. Das ganze wurde in der Presse sehr stark ausge­schlachtet und es wurden Informationen als „Neueste Erkenntnisse“ verbraten, die seit Monaten aus linken Antifakreisen bekannt waren.

Es wurde versucht, ein Legitimationsdefizit auszubügeln, was noch deutlicher wurde, als am 17.4. die jährliche Hitler-Geburtstagsfeier auf dem Gärtnerei Müller-Gelände mit über 400 Faschisten stattgefunden hat, die ganze Creme der Nazi-Szene war anwesend. Die Feier wurde unter Polizeischutz gestellt, was in Mainz für ziemliche Empörung gesorgt hat. Das ist auch auf die gute Antifa-Arbeit zurückzuführen.

Im Raum Rhein-Hessen ist auch die antifaschistische Mobilisierung gestärkt worden, es sind viele neue Antifa-Gruppen entstanden. Die Anklage gegen mich ist ganz klar ein Angriff auf die erfolgreiche Antifa-Arbeit. Dann wurde die alljährliche Sonnenwendfeier bei Müllers am 19.6. zum ersten mal in 20 Jahren verboten, kurz davor war meine Freilassung erfolgt. Das ist ein deutliches Zeichen, daß die Polizeitaktik sich geändert hat, wir werten das ganz klar als Erfolg unserer offensiven Öffentlichkeitsarbeit.

¿ Wird die Staatsanwaltschaft durchkommen?

Gunther: Das Mindeststraf­maß beträgt sowieso 6 Monate und wenn sie meinen, mir nachgewiesen zu haben, daß ich bei der Personengruppe, die sich mit den Nazis geprügelt hat, dabei war, dann reicht das für eine Verurteilung mit dem Landfriedensbruchparagraphen schon aus, dafür haben sie ja den Paragraphen geschaffen. Die Tatsache, daß das Verfahren an das Landgericht weitergege­ben worden ist, deutet darauf hin, daß die Staatsanwaltschaft vorhat ein relativ hohes Strafmaß zu beantragen, anson­sten hätte das Amtsgericht ausgereicht. Gegen Nazis wird bei Landfriedensbruch vor dem Amtsgericht verhandelt.