So wie jedes mal also und natürlich trotzdem ganz anders als sonst. Neben zahlreichen Artikeln, die garantiert noch niemand gelesen hat, haben wir diesmal auch ein leicht modifiziertes Innen-Layout.
Außerdem wurden alle Bilder des thematischen Schwerpunktes exklusiv für dieses Heft gezeichnet. Wir freuen uns auf Kommentare. Business as usual hingegen in Sachen inhaltlicher Gestaltung: Wir, die Mitglieder der arranca!-Redaktion, dokumentieren linke Geschichte – kritisch, aber als TeilnehmerInnen an eben dieser Geschichte, solidarisch, aber ohne Bedürfnis nach einer kurz- oder langfristigen Netzhautablösung. Wir wollen mit der arranca! dort sein, wo sich etwas bewegt, ganz praktisch und mit Haut und Haaren. So jedenfalls die Theorie. Dass diese Ausgabe mit dem schönen Titel »Kopfstoß – Linke Untaten auf 64 Seiten« nun auch ganz real und greifbar vor euch liegt, war dennoch ein hartes Stück Arbeit. Erst die arktische Kälte bis Ende Juni, dann die tropische Hitze bis August und dann die Erkenntnis, dass inzwischen sogar wir hin und wieder über das Wetter reden. Der Sommer 2006 hat die arranca!-Redaktion nicht nur einmal an ihre geistigen und körperlichen Grenzen herangeführt. Wir mussten wiederholt feststellen, dass die Akkus leer waren, denn die Ausfallerscheinungen wurden schwerwiegender. Bis heute haben wir uns noch nicht wieder ganz erholt, die Redaktion laboriert an einer amüsanten kleinen Depression (wir sind so frei) und wartet darauf, dass der Konsum vielfältiger Antidepressiva im weitesten Sinne langsam wieder zurück geschraubt werden kann.
Nichtsdestotrotz sind wir vorangekommen. Und das obwohl während unserer Suche nach Artikeln und Themen schnell deutlich wurde, dass der vorläufige Arbeitstitel der Ausgabe »Theorie und Praxis« nicht ganz den Tenor unserer Überlegungen traf. Denn seien wir mal ganz ehrlich: Was ist heute nicht irgendwie »Theorie und Praxis«? Die Dialektik dieser Begriffe fiel uns schnell auf die Füße und so war es nur folgerichtig, dass wir uns letztlich im Bermudadreieck zwischen Denken und Handeln, Ideen und Taten verfahren haben. Der Weg hinaus war beschwerlich aber spannend – einige der Untiefen, Stromschnellen und Kurskorrekturen lassen sich anhand unseres Leitartikels nachvollziehen. Um unserem Anspruch für diese Ausgabe – Rückschau und »Lernerfolgskontrolle« sowie Diskussion und Dokumentation aktueller emanzipativer Projekte und Strategien – gerecht zu werden, haben wir die spektakulärsten Selbstversuche in Bezug auf politische Praxis und linke Theoriebildung der letzten Monate und Jahre Revue passieren lassen. Die Tatsache, dass wir mit der Gruppe FelS eine prominente Partnerin in der Hinterhand hatten, die uns (speziell in Hinblick auf die letzten Jahre) einiges an Material liefern konnte, hat uns die Gestaltung der neuen Ausgabe sehr erleichtert. Tatsächlich sind wir diesmal in der glücklichen Position, mindestens einen Artikel aus jeder FelS-Arbeitsgruppe präsentieren zu können. So haben wir sowohl die Perspektive Antifa als auch verschiedene Aspekte der anstehenden G8 Mobilisierung und – last but not least – eine gründliche Innenrevision der sozialen Kämpfe in Berlin und anderswo anzubieten. Die gruppeninterne Perspektive wird ergänzt durch ein Interview zum Thema Kulturpolitik mit den Gruppen Lucha Amada und Turn it Down, sowie durch einen Artikel über gewerkschaftliche Arbeitskämpfe in Deutschland. Weiter in die Vergangenheit hingegen weist eine Diskussionsdokumentation über das Gründungsdokument des Revolutionären Kampfes. Dieses berühmt-berüchtigte Stück linker Papierproduktion wurde als Grundlage für eine aktualisierte Organisierungsdebatte genommen – gerade hier erhoffen wir uns für die Zukunft angeregte Diskussionen und neue Impulse. Dass die Organisierungsdebatte nicht nur auf theoretischer Ebene begonnen hat, sondern auch ganz praktisch bereits in vollem Gange ist, dokumentiert ein Interview mit der Interventionistischen Linken (IL).
Ein weiterer Schwerpunktartikel diskutiert Sinn und Unsinn einer Handhabung der Kategorie »Gender« als »Querschnittsthema«, auch hier wird das letzte Wort noch nicht gesprochen sein – gut so! Über die von uns mit Absicht in den Vordergrund gestellte lokale Perspektive hinaus ergänzt ein Interview mit schwedischen GenossInnen des Bündnisses »Die unsichtbare Partei« die Debatte um Formen un Perspektiven eines linken politischen Aktivismus. Außerdem freuen wir uns, dem massenmedialen Schweigen in Bezug auf kritische soziale Bewegungen und Organisierung in den USA etwas entgegensetzen zu können. Der Artikel von David Bacon »Reality Check« befasst sich mit der aktuellen US-amerikanischen Einwanderungspolitik und analysiert vor allem die massenhaften migrantischen Proteste gegen die neuen Gesetze.
Das Praktikum eines Redaktionsmitgliedes bei einer großen deutschen Onlineredaktion schließlich brachte uns einen Artikel zur modernen Produktion von Öffentlichkeit ein. Über die aktuelle Menschenrechtssituation nach den Gefängnisrevolten und den anschließenden Polizeimassakern in Brasilien informiert hingegen das Interview mit Mauricio Campos. Schließlich wird in diesem Heft auch über den aktuellen Stand im Prozess des Roten Kreuzes gegen die allseits geschätzte Rote Hilfe berichtet.
Ganz herzlich bedanken wollen wir uns diesmal vor allem bei zwei Leuten. Zum einen natürlich bei unserem Layouter Mattias, der in Rekordzeit und quasi aus dem Urlaub diese Nummer gemanagt hat. Außerdem bei Lars Sjunnesson (errolsjunne [at] hotmail.com), der die Bildgestaltung des Schwerpunktes übernommen hat und der selbst Sonderwünsche und kleine Karos unsererseits hingenommen hat, ohne lauthals zu verzweifeln.
Außerdem müssen wir uns schweren Herzens von einem lieben Redaktionsmitglied verabschieden. Warum, warum nur gehst du nach Bayern? Als ob´s da besser wär… Wir vermissen dich jetzt schon Stefan! Wie immer freuen wir uns auf Widersprüche, Diskussionsbeiträge und Artikelangebote.
Einen bunten Herbst, besseres Wetter und alle Uhren auf Sturm!
Eure arranca! Redaktion