«Sich den Nazis entgegenstellen heute und in Zukunft und alle Rassisten zum Mond Schießen»

Carlo Blietz in der Hauptverhandlung desKaindl-Prozess

Das frühe Ende ist einem Vergleich geschuldet. Der Verlauf des Prozesses macht auch einigen der abgetauchten Berlinerinnen das Auftauchen leich­ter. Für uns bedeutet dies, daß wir uns freuen, hoffentlich bald wieder unsere Freundin und Genossin bei uns zu haben, die wir nun schon ein Jahr lang jeden Tag vermissen. An dieser Stelle auch nochmal ganz liebe Grüße an Dich!

Es bleibt natürlich unsere Wut auf die Umstände, Menschen und Institutionen, die sie erst in diese Lage gebracht haben und die das Zurückkommen für ein oder zwei der Abgetauchten sehr schwer machen.

Richterinnen und Staatsanwaltschaft gerieten während der Hauptverhandlung zunehmend in Bedrängnis. Die Ermittlungsmethoden des Staats­schutzes schienen in den Mittelpunkt des öffentli­chen Interesses zu rücken während gleichzeitig die auf eine Konstruktion des Staatsschutzes basie­rende Mordanklage in sich zusammenbrach. Bezeichnend schnell wurde zwischen Richterinnen und Staatsanwaltschaft Einigkeit erzielt, um wei­tere öffentliche Bloßstellungen des Staatschutzes und der ermittelnden zwanzigköpfigen Sonder­kommission zu verhindern. Den teilweise seit einem Jahr einsitzenden Angeklagten wurde das Angebot gemacht, daß sie, wenn sie dem Deal zustimmen, mit dreijährigen Haftstrafen zu rech­nen hätten. Unter der Last der ursprünglichen Anschuldigungen stimmten einige diesem Ver­gleich erleichtert zu. Den Staatsschutzbullen blieb so ein Verhör zu ihren eigenen Verhör- und Arbeitsmethoden erspart.

Auf die fast einjährige Öffentlichkeits­kampagne, die immer wieder die Mani­pulationen des Staatsschutzes und seine Zusammenarbeit mit Nazis thematisierte, ist es zurückzuführen, daß diesen Punk­ten in der Hauptverhandlung eine ent­scheidende Rolle zukam. Richterinnen und Staatsanwaltschaft sahen sich gezwungen, den Deal vorzuschlagen. Wir wollen keinem der Angeklagten einen Vorwurf daraus machen, dem Deal auch zugestimmt zu haben, schließlich saßen sie im Knast und nicht wir. Eine Weiterführung des Prozesses wäre aber interessant gewesen, obwohl wir uns auch nicht sicher sind, ob dies tatsächlich zu einer folgenschweren Offenlegung der Arbeitsmethoden von Staats- und Verfassungsschutz geführt hätte. Skandale ohne größere Konse­quenzen hat es schließlich schon genug gegeben.

So ist die Soli-Arbeit ganz sicher ein Erfolg gewesen, das Prozeßende aus verschiedenen Gründen ein Erfolg mit den vielzitierten Magenschmerzen. Dazu und zum Prozeßverlauf mehr auf den nächsten Seiten. Hier aber schon mal einen herzlicher Dank an alle Unterstüt­zerInnen im In- und Ausland, die während der ganzen Zeit ihre Solidarität mit den Angeklagten und Verfolgten zum Ausdruck brachten.

Nun zur vorliegenden ARRANCA-Nummer: Der Schwerpunkt ist faktisch eine Fort­setzung des Schwerpunktes „Bis hierher und weiter – Resumee“ der ARRANCA Nr.4, der in vielen unvollständig geblieben war und auch diesmal längst nicht alle Bereiche linksradikaler Politik anschnei­det. Wie wir bereits in der letzten ARRANCA angekündigt hatten, ist diesmal einiges zur Antifaschistischen Aktion / Bundesweite Organisation (AA/BO), in der FelS organisiert ist, in diesem Heft enthalten. Das Zustandekommen des Interviews hatten wir uns allerdings ein­facher vorgestellt. Die große Unter­schiedlichkeit der Berliner AA/BO­ - Gruppen führte zu einem Hin und Her von Ab- und Zusagen. Letztendlich erscheint das Interview hier ohne die Beteiligung der Antifa A+P, die ihre Zustimmung zurückgezogen hat. Den verbleibenden Gruppen erschien eine Veröffentlichung trotz oder auch gerade wegen der Widersprüche sinnvoll.

Der nächste Schwerpunkt kann unter die Stichworte „Ost/West“, „Kritik am Realsozialismus“, „Osteuropa“ fallen.

Eure Redaktion