Die Klimakrise ist schon wieder auf Normalniveau. Flutkatastrophe? Bauen wir wieder auf. Es wird kein ‹Weiter so› geben – oder doch? Coronakrise als Testlauf für die Klimakrise? Burn Out.
Aber Burn Out heißt auch: Reißleine ziehen, nicht mehr mit zu machen, sich was Neues suchen. Die kapitalistische Welt ist Burned Out. Deshalb stellen wir Machtfragen, das heißt: Macht in Frage stellen – und Machtverhältnisse in Bewegung bringen.
Als Teil der Interventionistischen Linken ist die arranca! eingebunden in die konstante Debatte um die Frage, wie wir Kräfteverhältnisse nutzen, verschieben und politische Macht einsetzen können, um in den Kämpfen, die uns betreffen, eine Veränderung zu erwirken. Sei es in lokalen Kämpfen wie dem Berliner Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co. enteignen bis hin zu den großen Themen wie Klimawandel und Kapitalismus. So geht es etwa im Artikel «Der Kampf gegen das System Auto» um die hegemoniale Macht der Autoindustrie und konkrete Bewegungsmöglichkeiten dagegen und in «Prozess, Bruch und Konstruktion» um eine breitere historische Analyse linker Ermächtigungsstrategien.
Neben dem wie wollen wir uns in unserer aktivistischen Arbeit aber auch fragen: was und warum? Was sind unsere Definitionen von Macht und Herrschaft? Welche Machtbegriffe und -werkzeuge verwenden wir? Wie stehen wir zu Herrschaft und was sind linke Machtverhältnisse? Sprich: In welchen Übereinkünften wollen wir leben? Marcus Hawel gibt in «Machtvolle Gefüge zwischen Differenz und Vielheit» einen Überblick über die aus linker Sicht einflussreichsten historischen Analysen und Gedanken rund um Machtkonzepte.
Wir fragen uns aber auch: Wie sind wir selbst in den Machtverhältnissen verstrickt und wie können wir uns darin verhalten? Wie sieht es mit strukturell verankerten, diskriminierenden Machtungleichheiten wie Rassismus oder Patriarchat aus? Welche Machtbegriffe und -strategien bieten uns feministische, antirassistische und dekoloniale Bewegungen? Im Zuge der black lives matter-Bewegung rückten Konzepte der community accountability zunehmend in die linke Debatte – als antirassistische, herrschaftsfreie Alternative zu gewaltförmigentätigen Konzepten von ‹Sicherheit› und Staat. Dies untersucht der Artikel «Keine einfachen Alternativen» von Melanie Brazzell.
Der Text «Über machtbeladene Beziehungen» blickt aus feministischer und posthumanistischer Sicht auf mächtige Beziehungsweisen, angefangen von der körperlichen bis hin zur familiären und ökologischen Ebene.
Viele linke Strategien sind in kämpferischen Ermächtigungsstrategien gegen den Status Quo entstanden. Der Text «Leninismus und Radikale Demokratie – Gegenmacht auf Kurdisch» fragt, was wir aus der kurdischen Widerstandsbewegung lernen können, während der Artikel «Zwischen Selbstausbeutung und Revolution. Die neue Welt in der Schale der alten bauen» Arbeitsweisen und Visionen für eine globale Bewegung kollektiver Arbeitsverhältnisse skizziert. Das Interview «Den Spaten ergreifen» sucht nach den Möglichkeiten transformativen Organizings, während «Die Macht übernehmen und die Welt verändern?» mahnt, dass wir neben allem Druckaufbau auch real umsetzbare politische und ökonomische Alternativen formulieren müssen. «Progressiver Diskurs, konservative Politik und die Linke» untersucht, wie das in der Praxis in Argentinien versucht wird. Und die Artikel «We came here to be free» und «Existieren verboten» nehmen schließlich die Lebensbedingungen und Kämpfe von Queers in Kenia und Polen in den Blick.
Feministische Autor*innen wie Ursula K. Le Guin oder Donna Haraway sehen eine politische Bedeutung in «spekulativem Fabulieren»: Es macht einen Unterschied, welche Wissensformen Wissen wissen, und welche Geschichten Geschichten erzählen. Im Interview mit Bini Adamczak blicken wir auf Beziehungsweisen als revolutionären Schlüssel, «Auf wen ich die Waffe richte wird sich noch zeigen» berichtet aus einer dystopischen, nicht weit entfernten Zukunft und «Testo-Junkies, Power-Poser und Zombie-Fakten» fragt nach der Macht hegemonialer (pseudo)wissenschaftlicher Narrative und queerem Transformationspotential. «Nimm deine friends in die Verantwortung» und «Wut im Bauch» widmen sich dem Umgang mit sexualisierter Gewalt und patriarchaler Macht, aus kollektiver und aus individueller Perspektive, während «German Angst» sich mit der rassistischen Angst vor dem ‹Anderen› beschäftigt und «Die Versöhnung mit dem Vater» den Diskurs von linken intellektuellen Arbeiter*innenkinder um ihre Herkunftsfamilien um den Kontaktabbruch ergänzt. So schließt sich der Kreis von Macht und Verantwortlichkeit von der Mikro- bis zur Makroebene.
Viel Spaß beim Lesen und Machfragen stellen!
Eure arranca!-Redaktion
im November 2021