Habt ihr geglaubt, ihr könnt uns ficken und es hat keinen Preis?
Habt ihr geglaubt, dass das Recht der ersten Nacht und unser Leib euer eigen sind auf Dauer?
Habt ihr geglaubt, ihr könnt fressen, nehmt den Zehnten, den Fünften wie es euch gefällt, und uns verbietet ihr das Wasser, den Wald, die Wiesen zu nutzen?
Habt ihr geglaubt, wir versorgen euch und ihr versperrt uns den Einlass in eure Städte?
Habt ihr tatsächlich geglaubt, wir ziehen ewig über die Wege von Dorf zu Dorf, wir betteln euch und eure Karawanen an, wir bieten uns an und das geht immer so weiter?
Habt ihr ernsthaft geglaubt, wir nutzen unsere Hände nicht zum Arbeiten, unseren Verstand nicht zum Denken, unsere Menge nicht um uns zu versammeln, nur weil uns - den landlosen Söhnen und Töchtern - eure Zünfte und Gilden das Produzieren und den Wettbewerb verbieten?
Ihr habt geglaubt, ihr schneidet uns die Ohren ab, hackt da mal die Hand weg und brandmarkt uns, und wir werden diese Zeichen nicht zu deuten und zu lesen wissen.
Ihr habt geglaubt, wir beschweren uns, wir krümmen uns, wir jammern, wir klagen an, wir nehmen eure Willkür hin und wir harren ewig.
Habt ihr das tatsächlich geglaubt? Unglaublich.
Ihr habt euch geirrt.
Im Angesicht Gottes sind wir alle gleich frei.
Mytilini auf Lesvos. Im Infozelt werden die Fragen der neu Ankommenden beantwortet. Tag für Tag kommen neue Bürgerinnen aus Somalia, Eritrea, Afghanistan an. Die schon ein paar Tage da sind, weisen die Neuen ein. Manche reisten durch die Kriegsgebiete im Sudan, einige mit Station in Dubai, um noch Geld für die weitere Reise zu verdienen. Anrufe aus Oslo im Infozelt: Ist meine Familie angekommen? Telefon: Endlich, die SMS aus Hamburg kam an. Sie waren gesprungen. Gängeviertel von 200 Leuten besetzt.
Die Besetzung des Gängeviertels war gut und lange vorbereitet. Wie lief das in Amsterdam mit den kreativen Kraakern? Ein Haufen unschuldiger Fragen, wie und warum die Verteidigung in der St. Pauli-Hafenstraße so organisiert war. Würden sie das wieder so machen? Es würde anders aussehen heute. Konzentriert euch auf eure Stärken. Was sind Waffen, die euch helfen? Ihr arbeitet mit der Figur des Künstlers und wollt eine kunstvolle Besetzung machen. Sich verteidigen mit Bildern einer Ausstellung, die der städtischen Gesellschaft den Spiegel vorhält, das ist ein großartiger Angriff.
Schwabinggrad Ballett proudly presents das dreckige dutzend. Sie hatten lange darüber gestritten, mit welcher Haltung sie an den Protesten gegen den G8 in Heiligendamm teilnehmen. Guerillaveteranen, verlumpt, marching band, trojanisches Pferd: Soundtrack zum fight. Bitterböse Blicke by blacbloc. Willkommen in der humorfreien Zone. Die Schlacht flutete um sie herum. Bullen und blacbloc aufeinander zu, die Formationen trennten sich und zogen an ihnen vorbei. Sie paradierten mit den großen Pauken das Schlachtfeld rauf und runter.
Brüderchen kann es nicht lassen und fragt: Wer ist diese Frau? So sexy und cool mit Pauke und Kippe im Mundwinkel? Brüderchen, willst du dich wieder an der Glas-Wasser-Theorie von Alessandra Kollontai verschlucken? Heute ist Sex nicht mehr wie ein Glas Wasser trinken.
Er hatte seine Genossin selten so zornig gesehen. Auf Arabisch schimpfte sie rauf zu ihren Landsfrauen auf der abfahrbereiten Fähre in Mytilini. Am Gate war ein kleiner Tumult, weil eines der Kinder nicht auf die Fähre gelassen wurde, da es nicht eingetragen war in den Reisepapieren der Mutter. Eine der Mütter hatte mehr Geld verlangt, wenn sie ein weiteres Kind als ihres ausgeben sollte. Die Frauen verschwanden von der Reling und sprachen Klartext mit der Schutzmutter. Wenig später konnte das Kind die Fähre betreten. Am Hafen von Piräus warteten wie verabredet Gesandte des Patriarchen, um ihnen den Weg zu den für sie gemieteten Hotels zu zeigen. Der Patriarch wollte zu dem Zeitpunkt nicht, dass das bekannt wird, und auf einem Plenum wäre es nicht zu verhandeln gewesen.
Stunk in der Bude. Sie waren eingeladen zum Bündnis. Die Proteste in Altona-Altstadt, wie in ganz Hamburg, hatten sich wie ein Lauffeuer verselbstständigt. Die organisierten Netzwerke und Bündnisse rotierten. Ständig neue Anfragen von Initiativen, die mitmachen wollten oder sich einfach assoziierten. Keiner stieg mehr durch. So wurden wir gefragt: Was ist euer Name? Wir haben keinen, wir treffen uns am Küchentisch. An dem essen, besprechen und organisieren wir, was zu tun ist. Wer seid ihr, einfach loszulegen, ohne das mit uns abzusprechen? Wir sind zum Beispiel Nachbarn, und wir mobilisieren unsere Freundeskreise. Aber so geht das nicht, ihr müsst das mit uns abstimmen und mit dem Kampagnenfahrplan. Nun, wir wollten einen Gang zulegen, das musste schnell gehen. Wir waren selbst überrascht und überwältigt von der Eigendynamik einer beschleunigenden Bewegung, die ihre Zeit und Konjunktur findet.
A Tale of Stories from the Tent: In the night when the city fell asleep there was the time for talks and explanations about what war looks like and what is hunger and how it feels living without any perspective but leaving to another place. They spoke about bodies in no man‘s land between Iran and Turkey. Young boys and girls carrying the responsibility for younger brothers and sisters and parents on their shoulders explained their sorrows about the ones they left behind. „Be careful“, they said when some of us started crying, „you are not used to war and a living like that, stop listening if you can‘t stand it anymore. Take care of yourself. We need people like you being our voices as long as we have to stay hidden.“
Das ist frech. Ja, aber realistisch. Sie spielen die Rassismuskarte. Wir haben oft darüber gesprochen, wie sie ankommen an ihren Zielorten. Gestritten, wie beschwerlich das ist und wie viele scheitern. Selbstredend. Sie haben immer gesagt: Wir können uns selber helfen. Wir treffen Verabredungen. Jemand schickt Papiere von Leuten mit Status auf die Reise und andere Leute ohne Status nutzen sie. Weil das immer noch so ist: Für einen Weißen sind alle Schwarzen gleich. Deshalb fliegst du am besten. Das gilt nicht für alle. Nein. Kürzlich auf einem Video von Protesten im Jungle in Calais hat eine Freundin aus Athen einen der Jungs aus Mytilini wiedererkannt. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat, er konnte als Afghane nicht die Rassismuskarte spielen. Aber irgendein Ticket hatte er.
revolution non stop.
Ein Spiel mit den Resten der Überproduktion in den zukünftigen Ruinen des Fordismus. Ein kleiner geiler Film von Christoph Schäfer über das Hegemonie_werden des kognitiven Kapitalismus und das Agieren der Produzentinnen. Acht Jahre später war ein wunderbarer Drehort zum Gegenstand einer weiteren Besetzung geworden.
DAS KOMMENDE ERWACHEN
STEHT WIE DAS HOLZPFERD
DER GRIECHEN IM
TROJA DES TRAUMS
Rausgehender elender Student: Hast Du das verstanden?
Rausgehende elende Studentin: Ich glaube nicht, dass der das wirklich meint – das kann doch nur eine Parodie auf Agitprop sein.
Rausgehender elender Student: ... vor allem kann man doch in einer spektakulären Gesellschaft, in der sich alles in Bilder verwandelt hat, mit einem Film nicht durchkommen ...
Rausgehende elende Studentin: ... zumal mit einem, den sich sowieso niemand anschaut...
Könnt Ihr mal die Klappe halten?!
Sie saßen am Brunnen der Worte. Ausgespuckt, angespült vom Mahlstrom der Zeit. Leben im Paralleluniversum. Revoluzzer ihrer Welten, Menschen ihrer Zeit. Versammelt. Wenn sie wollen. Alte Feinde, Seit an Seit, prüfen, ob die Zeit die Wunden heilt. Untersuchen, wer Recht behalten oder wer Recht bekommen hatte.
In den Geschichten suchen, was sie verloren hatten. Manche krampfhaft, andere lustvoll. Erinnern und Vergessen am Brunnen der Worte. Aus dem sich alle jederzeit bedienten und bedienen. Was du willst, welches Wort du nutzt, welchen Begriff du kreierst, hier sind sie entsprungen und geschöpft worden, eingespeist in den Mahlstrom der Zeit. Heute wird's lustig. Ein Freund suchte Rat für einen Artikel. Kleine Randgruppen, die nicht so recht wussten wohin mit sich, wollten Transformationsstrategien in ihrem Magazin debattieren.
Transformationsstrategien. Der Begriff plumpste in den Brunnen. Margarete horchte auf: Latein? Ich dachte, das ist tot. Dafür hat Luther doch die Bibel ins Deutsche übersetzt und Müntzer fing an auf Deutsch zu predigen, damit die Menge ihn verstand und sie das Wort Gottes zu ihrem Schwert machen konnte. Eine riesige Alphabetisierung und der Anfang vom Ende der Vorherrschaft des Klerus.
Hallo Margarete. Ein Glückwunsch aus der Zukunft.
Dir ist als schwarze Hofmännin eine Skulptur gewidmet worden in Heilbronn. Ein Tryptichon von Ketten der Unterdrückung, Thron der Macht und dir. Sie tun sich bis heute schwer mit dir. Deine Rolle in den Bauernkriegen ist immer noch unverdaut. Dass du die Bauern aufgefordert haben sollst, ihre Spieße und Gabeln am Bauchfett des Grafen von Helfenstein gegen Rost zu fetten und die Schuhe damit einzuschmieren, stößt Ihnen noch heute auf.
Hi folks, wollt ihr am Brunnen rasten? Wer seid ihr? Frisch schaut ihr nicht aus.
Wir sind eine kämpfende Einheit auf dem Heimweg. Der letzte Sprengstoff ist verbraucht, die Knarren vergraben und wir brauchen wieder gesellschaftliche Orientierung. Wir haben uns verlaufen.
So dürft ihr nicht reden. Ich spreche für die radikale Linke, und wenn welche von uns aufgeben, ist das kein öffentlicher Talk.
Hola, euch kenne ich. Wir haben nicht aufgegeben. Wir sind in den lacandonischen Urwald gegangen, um wieder Freunde, Erkenntnis und Besinnung zu finden.
Ja. Manchmal sind Brüche notwendig, um wieder Freundeskreise zu finden und eine Ahnung zu bekommen, wer wir sind und ob wir das sein wollen. So ist Euromayday interessant geworden, um einen uns unbekannten gesellschaftlichen Raum aufzuschließen.
Radikale Linke stellen eure Diskurse, Erfolge und Geschichten in Frage. Ihr verratet die historischen Kontinuitäten, entwaffnet die Kritik und betreibt Medialisierung statt Politisierung und Organisierung.
Ihr versteht uns nicht. Wir sind nicht die neuen Präsidenten von Mexico City. Evo Morales hat es in Bolivien geschafft! Die First Nations, die Indígenas, die Bauern sind heute auf den globalen Tagesordnungen präsent. Oft nur Schmuck, aber wenn es um andere Politiken und Praxen geht, sind wir dabei. Was der Friedensnobelpreis von Rigoberta Menchú Tum für uns 1992 nach 500 Jahren Conquista bedeutet hat, könnt ihr nicht ermessen.
Ein Wort noch zu euren Symbolpolitiken. Ich habe die Bilder aus Heiligendamm 2007 gesehen. Ich verstehe den Bruch, den ihr verkörpern wollt, doch das seid ihr nicht. Zum Glück und zu Recht: Wir versuchen dem Krieg zu entkommen und ihr spielt ihn in euren Städten als Farce nach. Wenn euch was fehlt, ihr könnt gern mit uns tauschen.
Vor acht Jahren waren wir als jeder mensch ist ein experte zu einer Diskussion mit John Holloway eingeladen. Wir haben uns seine Thesen durchgelesen. Wir erinnerten uns. Vor allem an die Anti-Psychiatrie- und Frauenbewegung der frühen 1970er.
Dummerweise sind diese Ideen minoritär geblieben.
Wie ihr diese minoritären Stränge im lacandonischen Urwald zu einer aufständischen Erzählung verwoben habt, die dann 20 Jahre später frisch in der Postmoderne zum Startschuss von NAFTA eine uralte Geschichte neu auftischen und den Auftakt einer neuer Rebellion verkörpern: die ewigen VerliererInnen wollen zu ihrem Recht kommen.
Das hat mir auch gefallen. Endlich mal ein Aufstand, bei dem ich mir vorstellen konnte zu tanzen. Eine Revolution, die Reformen möglich macht. Eine Organisation von Haufen, in denen Menschen ihre Gewohnheiten ändern können.
Diese digitalen Technologien, diese Netzwerktechniken, diese ganzen virtuellen Welten und veränderte Gesellschaftlichkeit untersuchen viele von uns am Brunnen mit Feuereifer. Sie schätzen diese Potenziale und fürchten ihre Unwägbarkeiten.
Es gibt unsere alte Erzählung: die Revolution ist der Moment, in dem die Uhren still stehen. Die neue Zeitrechnung. Ein neuer Zug mit einer neuen Geschichte wird auf das Gleis gesetzt und im besten Fall werden die Gleise neu gebaut und die Weichen neu gestellt und ... (aus dem Brunnen tönt es: „Soviel Neues hält doch kein Mensch aus.“)
Schon gut. Erlaubt mir ein paar Fragen, weil ein Moment, in dem die Uhren still stehen, durchaus länger dauern kann: Bei diesen Spielen und Quiz' auf facebook gefällt mir am besten „Are you really the person you think you are“? Viele von euch Linken fragen sich, „Was für ein Kommunist bist du?“, aber viel spannender ist mir doch die Frage:
Warum spielen so viele Farmville und fangen jetzt social city an? Wollen sie alle ihre eigene Welt entfalten und gestalten?