Für Harry Assenmacher, den Geschäftsführer der ForestFinance GmbH ist der Boom in der Wald- und Forstwirtschaft sogar ein Megatrend: „An dieser Schnittstelle finden Ökologie und Ökonomie zum Nutzen von uns allen Frieden“. Agro-Business as usual, zeitgemäß im grünen Mäntelchen. Der nachwachsende Rohstoff Holz verbraucht CO2 anstatt es zu produzieren. So weit, so richtig. Aber Wald ist nicht gleich Wald und so treiben auch die boomenden Forstwirtschafts-Monokulturen den Klimawandel an. Denn die ungebremst wachsende Konsumkultur braucht Papier: Für die Herstellung einer Tonne Papier aus Zellstoff werden rund 2,2 Tonnen Holz benötigt und so landet bereits heute jeder fünfte weltweit gefällte Baum in einem Zellstoffwerk, mit steigender Tendenz. Der Verbrauch von Papier, das größtenteils aus pflanzlichen Fasern besteht (neben Schreibpapier sind Verpackungen wie Pappe und Karton, Hygienepapiere wie Toilettenpapier und Spezialpapiere wie Tapeten die wichtigsten Einsatzgebiete), hat sich allein in Deutschland seit 1950 versiebenfacht. Hierzulande wird so viel Papier wie im gesamten afrikanischen und lateinamerikanischen Kontinent zusammen konsumiert. Und nur soviel zur Anfang der 1980er Jahre propagierten Idee vom „Papierlosen Büro“: Der typische Papierverschwender ist nach einer Studie des Drucker-Herstellers Lexmark von 2006 männlich und zwischen 18 und 34 Jahre alt (und hält selbst 51 Prozent aller Ausdrucke für überflüssig). Allein dieser Prototyp verursacht weltweit 1,4 Milliarden Euro Kosten, verbraucht zehn Milliarden Kilowattstunden Energie und sorgt für 655.000 Tonnen CO2.
Auch das Papier kommt zunehmend aus dem Süden
Waren bis vor wenigen Jahren die Verbraucherstaaten auch die Produktionsstaaten von Zellstoffmasse zur Papierherstellung, so wird heute mehr und mehr in den Ländern des Südens erzeugt. Aktuell im Blickfeld der Forstwirtschaft ist dabei Lateinamerika. Für 2010 wird davon ausgegangen, dass 25 Prozent des weltweit nachgefragten Rohstoffes aus dem Subkontinent kommen werden (2005 waren es erst neun Prozent). Verschärfte Umweltgesetze und die Einbeziehung der energieintensiven Industrien in den CO2-Emissionshandel in der EU ab 2012 einerseits und günstige klimatische Bedingungen in Lateinamerika, die dafür sorgen, dass zum Beispiel am Rio de la Plata Eukalyptus-Bäume in nur acht Jahren auf 20 Meter Höhe wachsen und „geerntet“ werden können (in Finnland hat die weit verbreitete Kiefer eine Umtriebszeit, so wird der Zeitraum von der Pflanzung bis zum Holzeinschlag bezeichnet, von circa 80 Jahren) andererseits sind für die Zellstoffunternehmen ein Anreiz, in den dünn besiedelten Regionen Südamerikas ganze Landstriche aufzukaufen. Weiter locken nahezu unerschöpfliche Wasserreservoirs und die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Konzerne sind in vielen Ländern Lateinamerikas (unter anderem in den von „Linken“ regierten Ländern Brasilien, Chile und Uruguay) äußerst investorenfreundlich. So werden Freihandelszonen eingerichtet, Subventionen für die Fortwirtschaftsmonokulturen gezahlt und Weltbank und Co gewähren milliardenschwere Darlehen. Die Folge dieses Booms: Ganze Ökosysteme werden für die Herstellung von Zellulose-Frischfasern zerstört und Tausende von Menschen verlieren ihre Landrechte und damit ihre Lebensgrundlage.
Die wichtigsten Akteure bei dieser Standortverlagerung vom Norden in den Süden sind die europäischen Zellstoffgiganten. So hat die spanische ENCE hat die Genehmigung für eine Fabrik in Uruguay am Rio de la Plata mit einer Produktion von einer Million Tonnen jährlich erhalten und besitzt dort bereits 100.000 Hektar Land. Stora Enso (Schweden - Finnland), das zweitgrößte Forstunternehmen der Welt, plant aktuell ebenfalls eine Fabrik in Uruguay mit einer Jahresproduktion von einer halben Million Tonnen. Die Skandinavier haben dafür 43.000 Hektar Land in Brasilien sowie weitere 25.000 Hektar in Uruguay erworben, um Eukalyptus anzupflanzen. Weitere sieben Anträge liegen den Umweltbehörden allein in Uruguay vor. Und der finnische Konzern Botnia hat Ende 2007, trotz heftiger Widerstände aus Argentinien, im uruguayischen Fray Bentos die größte Zellstofffabrik der Welt eröffnet. In Brasilien ist das norwegisch-brasilianische Unternehmen Aracruz Celulose der mächtigste Zellstoffkonzern, mit einer Jahresproduktion von über 2,5 Millionen Tonnen der größte Produzent von gebleichtem Eukalyptuszellstoff weltweit. Fast 95 Prozent der Produktion von Aracruz sind für den Export bestimmt, circa zehn Prozent davon gehen nach Deutschland, unter anderem für die Produktion von Taschentüchern. Um die Werke mit Holz zu versorgen, hat Aracruz seine Eukalyptusmonokulturen in den brasilianischen Bundesstaaten Rio Grande do Sul, Bahia und Espirito Santo auf über 250.000 Hektar ausgedehnt. Dabei werden Hand in Hand mit Großgrundbesitzern und willfährigen Behörden vor Ort die lokale indigene Bevölkerung wie zum Beispiel die Tupinikim und die Guaraní in Espirito Santo gewaltsam von ihrem Land vertrieben.
Der Zellulose-Boom und das Klima
Ein Drittel der Erdoberfläche ist heute noch von Wäldern bedeckt. Diese Waldfläche bietet für etwa 50 bis 90 Prozent der weltweit existierenden Tier- und Pflanzenarten die Existenzgrundlage. Wälder produzieren Sauerstoff und speichern Kohlenstoff, bergen riesige Süßwasserreserven, sie verhindern Bodenerosion, Erdrutsche und Überschwemmungen. Aber der Naturwald muss immer mehr dem Wirtschaftswald weichen, Kohlenstoffspeicher den Kohlenstoffsenken. Vor allem in Südostasien, Äquatorialafrika und eben Südamerika fallen immer mehr Naturwälder und einheimische Baumarten den Kettensägen und Harvestern genannten Holzernte-Maschinen zum Opfer. Entwaldung bedeutet, dass in kurzer Zeit riesige Kohlenstoffmengen freigesetzt werden, während Wiederaufforstungsmaßnahmen große Zeiträume beanspruchen, um dieselbe Kohlenstoffmenge wieder in Biomasse zu binden.
Monokulturen als Kohlenstoffsenken
Wegen des weltweiten „Papierhungers“ (der weltweite Verbrauch lag 2006 bei 360 Millionen Tonnen jährlich, für 2020 werden 560 Millionen Tonnen geschätzt) kaufen Großinvestoren Wald und Forstplantagen auf. Eine Investition in „reale Werte“ und eine sichere Geldanlage: Die steigende Nachfrage trifft auf ein Angebot, das sich nicht beliebig ausweiten lässt. Und das internationale Klimaregime fördert diese Entwicklung.
Eukalyptus: Die Pflanze, bei der man schnell an Hustenbonbons denkt, ist ein Baum, der bis zu 40m hoch werden kann. Der ursprünglich aus Australien stammende Eukalyptus wird wegen seiner Schnellwüchsigkeit und seiner guten Holzqualität angebaut. Das führt zu Problemen, da der Boden bis in die Tiefe austrocknet, heimischen Tieren keinen Lebensraum bietet, andere Baumarten verdrängt und mit seinen hochbrennbaren Ölen Waldbrände fördert. Außerdem hat er die Eigenschaft, von Zeit zu Zeit ohne Vorwarnung große Äste abzuwerfen, was in Australien schon öfter zu tödlichen Unfällen geführt hat. Insofern der Tipp für TravellerInnen: niemals unterhalb eines Eukalyptusbaumes kampieren. Der Eukalyptus ist ein „ökologischer Terrorist“, so ein indischer Umweltjournalist schon 1971. Einer Analyse, der viele in Lateinamerika zustimmen können.
Auf den ersten Blick macht das Sinn: Bäume nehmen während ihres Wachstums mehr Kohlendioxid auf als sie abgeben. Aber nicht jede Wald taugt als Staubsauger im Treibhaus gleich viel. Die größte Speicherkapazität an Kohlenstoff haben alte Bäume, während „junge Bäume“ mehr Kohlenstoff emittieren als aufnehmen. Ein wirklicher CO2-Effekt wird nur erreicht, wenn der Wald so bewirtschaftet wird, dass jährlich möglichst viel nutzbares Holz zuwächst und das Holz aus diesem Zuwachs als Baustoff und erst in zweiter Linie als Energiequelle verwendet wird. Werden die rein auf Profitmaximierung ausgerichteten Monokulturen aber auf Flächen von zuvor abgeholzten Tropenwäldern gepflanzt, verpufft der Effekt gänzlich. Und so trägt neben dem Boom der Agrotreibstoffe und der Expansion der vom Fleischkonsum getriebenen Agrarunternehmen auch der wachsende Papierverbrauch zur Abwertung und Zerstörung von Tropenwäldern bei. Und die Zellstoff- und Papierindustrie macht sich den CDM, den im Kyoto-Protokoll verankerten Clean Development Mechanismus, zu Nutzen und verdient doppelt: Monokulturen werden als so genannte Kohlenstoffsenken auf die Emissionsbilanz angerechnet, die Konzerne, die auch die energieintensiven Papierfabriken im Norden betreiben, erhalten für ihre Pflanzungen im Süden CO2-Emissionszertifikate, die an Klimabörsen wie der European Climate Exchange zu Geld gemacht werden können. Auch die neu entwickelten, so genannten Bio-Treibstoffe der zweiten Generation (etwa auf Zellulose-Basis) heizen die Nachfrage weiter an. Im April 2008 wurde von Angela Merkel im sächsischen Freiberg die weltweit erste Großanlage in Betrieb genommen, bei der mit dem BtL-Verfahren (Biomasse zu Liquid) Sprit aus Bäumen und Holzabfällen erzeugt werden soll. Wenn diese Verfahren erst einmal marktreif sind, dann werden noch mehr Zellstoff-Monokulturen angepflanzt werden, gerade auf fruchtbaren Böden wie im argentinisch-uruguayischen Rio de la Plata-Einzugsgebiet eine Katastrophe. Auf den Flächen, die zu den ertragreichsten weltweit gehören, könnten Nahrungsmittel für viele hunderttausende Menschen angebaut werden. Für die CO2-Bilanz bringen die Zellstofftreibstoffe nichts Neues: Es ist immer noch sinnvoller, Biomasse direkt ohne aufwändige Umwandlungstechniken direkt zu Strom- und Wärmeproduktion zu nutzen. So werden wesentlich mehr Energie und Treibhausgase eingespart.
Globalisierungskritik trifft Klimaschutz
Wie bei der Kritik an der Abholzung von Regenwäldern für den Anbau von Agro-Treibstoffen oder genmodifiziertem Soja reichen auch bei der Abwertung von Naturwäldern oder der Umwandlung von nährstoffreichen Anbauflächen in Zellulose-Monokulturen Ein-Punkt-Bewegungen nicht aus. Haben Teilbereichspolitiken in den 1970ern und 1980ern noch funktioniert (etwa beim Widerstand gegen die Atomkraft), so geht es heute um globale und lokale Bündniss von AkteurInnen. Der Klimawandel ist die „Summe aller Fehler“, so die indische Aktivistin Sunita Narain. Ökologie und Kapitalismuskritik, Globale Soziale Rechte und Konsumverhalten, Klimagerechtigkeit und eine gerechte Weltwirtschaft gehören unmittelbar zusammen. Dass solche Strategien Erfolg haben können, wird an der Entwicklung der Debatte um die Agro-Treibstoffe offensichtlich. Innerhalb kurzer Zeit wurde zumindest offen gelegt, dass die pflanzlichen Treibstoffe erstens überhaupt nicht „bio“ sind und zweitens neue Abhängigkeiten schaffen, zu ökologischen Katastrophen und zum Rückgang der Produktion von Nahrungsmitteln führen. Den Zusammenhang zwischen Papierverbrauch und Raubbau und Vertreibung, zwischen Machtkonzentrationen und Marktkartellen multinationaler Unternehmen und Klimawandel bewusst zu machen, versuchen in Deutschland Organisationen wie Robin Wood, Urgewald unter anderem in dem sie internationale Kampagnen durchführen. Und sie haben damit Erfolg: Ende 2007 wurde auch auf internationalen Druck hin den Tupinikim und Guaraní im brasilianischen Bundesstaat Espírito Santo 18.000 Hektar Land offiziell zugesprochen. Land, das schon ab den 1970er Jahren vom Zellstoffkonzern Aracruz zerstört und in eine Wüste von Eukalyptusbäumen umgewandelt worden war. Und die Kampagnen richten sich auch an die VerbraucherInnen, denn auch individuelle Strategien sind Bausteine. Bei der Produktion von Recyclingpapier wird nur halb so viel Energie und ein Drittel Frischwasser verbraucht wie bei der Herstellung von neuem Papier. Insofern: Warum nicht wieder mal Papier sparen und Recyclingpapier benützen.
Eine kurze Richtigstellung: Im Text „Das Papier nicht wert - Monokulturen und Klima“ von Stefan Thimmel in Arranca!-Ausgabe 38 ist im ersten Absatz Harry Assenmacher, Geschäftsführer der ForestFinance GmbH, zitiert. „Für Harry Assenmacher, den Geschäftsführer der ForestFinance GmbH ist der Boom in der Wald- und Forstwirtschaft sogar ein Megatrend: >An dieser Schnittstelle finden Ökologie und Ökonomie zum Nutzen von uns allen Frieden.< Agro-Business as usual, zeitgemäß im grünen Mäntelchen.“ (Stefan Thimmel). Das Zitat ist einem Interview mit Harry Assenmacher aus dem Handelsblatt vom 09. Mai 2008 entnommen. So weit so richtig. Nicht richtig ist allerdings der Kontext, in dem ForestFinance durch das Zitat gestellt wird. Die Firma verwaltet aktuell in Costa Rica etwas über 1.200 Hektar Mischforste und das völlig ohne den Anbau von Eukalyptus („Wir teilen ihre Kritik z.B. an Eukalyptus“, so Harry Assenmacher im Gespräch mit dem Autor nach Erscheinen des Artikels). Von diesen 1.200 Hektar sind wiederum 400 Hektar reine Naturschutzfläche ohne Holzproduktionszwecke. Über den Ansatz der Firma, über den man sich auch der Website www.forestfinance.de informieren kann, kann man sicher diskutieren. Aber es ist auch sicher, dass ein kleines nachhaltig-ökologisch operierendes Forstunternehmen wie ForestFinance nichts mit transnationalen Monokultur-Großkonzernen wie Stora Enso oder Botnia zu tun hat. Dass dieser Eindruck entstanden ist, war nicht beabsichtigt.