Den Gedanken, einen Schwerpunkt zum Thema «Sex» zu machen, tragen wir schon länger mit uns herum. Am Anfang stand bei uns die Frage, warum wir über Lust und sexuelle Phantasien, die nun wirklich keine kleine Rolle in unserem Leben spielen, so wenig reden. Wenn es in der radikalen Linken um «Sexualität» geht (wo fängt sie an, wo hört sie auf), dann meistens im Zusammenhang mit dem «Verbotenen», von dem wir uns abgrenzen wollen: Pornographie, Prostitution, Pädophilie, Vergewaltigung (wobei Vergewaltigung mit Sexualität herzlich wenig zu tun hat).
Wir finden solche Diskussionen, wie sie in den autonomen und linksradikalen Publikationen ausführlich geführt werden, zwar notwendig, aber die Gewichtung erscheint uns trotzdem seltsam. Wer die Debatten verfolgt, kann den Eindruck gewinnen, der radikalen Linken gehe es vor allem um die Durchsetzung moralischer Tabus und nicht etwa um ein lustvolles, sexuelles Leben. Ihr wißt, was wir meinen? Als unsere Debatte dann losging, sind wir schnell zu dem Problem gekommen, daß wir zwar einerseits bestehende Tabus hinterfragen, aber andererseits eben auch keinen Tabubruch um des Tabubruchs willen wollten. Gefetzt haben wir uns lange an dem Artikel der «Nummer 10» zu sexuellen Phantasien, Pornographie und Zensur, der Machtphantasien in der Sexualität unter anderem mit frühkindlichen Erfahrungen zu erklären versucht. Den meisten von uns war das zu psychoanalytisch; patriarchale und kapitalistische Machtverhältnisse wurden ausgeklammert. Darüber waren die Meinungen (zum ersten Mal sei langem) in der Redaktion so konträr, daß eine Auseinandersetzung kaum noch möglich war. Trotz oder wegen der Widersprüche hat dieser Schwerpunkt uns einiges ermöglicht: nebenher gab es mit FreundInnen einige nette Gespräche über Sex, manche von uns haben für sich vielleicht einiges in Frage gestellt, aber das wichtigste ist sicherlich, daß wir noch in keiner Nummer eine so intensive Auseinandersetzung mit feministischen Texten hatten, wie in dieser Nummer 8.
In diesem Sinne kommen wir zwar zu keinem abschließenden Urteil, aber wir halten es mit der spanischsprachigen Feministin Cristina Garaizabal (siehe ihr Interview in diesem Heft) «Radikal für die Lust - unnachgiebig gegen Gewalt» (als Unterdrückungsverhältnis).
Ebenfalls großen Raum nimmt in dieser Nummer der Kampf der baskischen Linken ein: es gibt einiges zum Hungerstreik der 600 ETA-Gefangenen, zum Abschiebeverfahren gegen den in Berlin einsitzenden Benjamin Ramos Vega, zum Sommercamp der Jugendorganisation Jarrai, eine Fotoreportage (schönen Dank!!!) und ein Interview. Der Konflikt im Baskenland hat sich in den letzten Monaten deutlich verschärft, wir glauben, daß es da angebracht ist, etwas zu den Ereignissen zu bringen.
Vielleicht wundert Ihr Euch zuguterletzt auch noch über das parallele Erscheinen der Gemeinschaftsnummer mit der ZAG. Dieses Projekt ist aus der Zusammenarbeit der FelS – Antifa mit der Antirassistischen Initiative gegen die Kriminalisierung und Abschiebung vietnamesischer Vertragsarbeiterinnen entstanden. Wir schicken Euch beide Hefte zeitgleich.
Ja, und schließlich geht an Euch natürlich noch einmal der ewige Aufruf, nicht nur Texte zu lesen, sondern Euch auf der Straße einzumischen. No justice, no peace! In vielen Städten sind Bündnisse gegen die Sozialkürzungen entstanden, in Berlin gab es im Dezember und Januar zwei große Demonstrationen mit 10000 Leuten unter dem Motto «Gegen Sozialkürzungen und Ausgrenzung». Wir meinen: Frankreich vorn! Die elendige neoliberale Kürzungsorgie, den Rassismus, den patriarchalen Rollback können wir stoppen. Bringen wir den sozialen und antirassistischen Widerstand auf die Straße!
So long,
Eure Redaktion