Aus der recht martialischen Bezeichnung, die die mediale Berichterstattung den Auseinandersetzungen zwischen Pornografie Gegner*innen und sexpositiven Feminist*innen gab, lässt sich herauslesen, dass Pornografie in feministischen Bewegungen stets ein umkämpftes Feld war. Die feminist sex wars der 1970er und 1980er Jahre wurden auf Seiten der Anti-Pornografie-Bewegung im deutschsprachigen Raum vor allem durch die von der Emma ins Leben gerufene PorNo-Kampagne dominiert, die ein gesetzliches Verbot von Pornografie verlangte.
Die Kampagne verstand Pornografie in erster Linie als von Männern ausgeübte Gewalt gegen Frauen*. Argumentativ stützten sich viele Verfechter*innen auf die US-amerikanische Aktivistin Andrea Dworkin und ihre Kernaussage, Porno sei nicht mehr und nicht weniger als die Degradierung von Frauen* zu Sexualobjekten, unterdrückt von einer allumfassenden männlichen Machtposition. Oder, wie sie es ausdrückt: «Männliche Macht, ausgedrückt in und durch Pornographie, ist erkennbar an getrennten, aber ineinander verwobenen und einander bestärkenden Strängen: die Macht des Selbst, die körperliche Macht über andere, die Macht des Terrors, die Macht zu benennen, die Macht des Eigentums, die Macht des Geldes und die Macht der Sexualität.»
Die Sache mit der Pornografie
Es ist natürlich kein Geheimnis, dass ein Großteil des pornografischen Mainstreams, damals wie heute, Sex nicht sonderlich anders darstellt, als man es von einer Gesellschaft erwarten mag, in der (hetero-)sexistische Strukturen tief im Alltag verankert sind. Um es mit den Worten der feministischen Aktionskünstlerin María Llopis zu sagen: «Diese Gesellschaft hat die Pornografie, die sie verdient hat.»
«Um es mit den Worten der feministischen Aktionskünstlerin María Llopis zu sagen: ‹Diese Gesellschaft hat die Pornografie, die sie verdient hat.»
Trotzdem formulierten sexpositive Feminist*innen in der 1980er Jahren eine Kritik an der Anti-Pornografie-Bewegung, die davor warnte im Hinblick auf das Verhältnis von Pornos und Sexualität in einer allzu simplen Logik zu verharren. Biologistische Geschlechterstereotypen, die männlicher Sexualität von Natur aus eine Form der Gewalttätigkeit und Triebgesteuertheit unterstellen und weiblicher Sexualität den emotionalen Part zuordnen, würden so Gefahr laufen, reproduziert zu werden. Zusätzlich wurde eine Kritik an der Forderung nach Zensur formuliert, da sie das Problem festgeschriebener geschlechtlicher Normen nicht aufheben würde. Linda Williams war die Erste, die in diesem Kontext davon sprach, Pornografie im Sinne Foucaults als Diskurs über Sexualität zu verstehen, als eine Art und Weise, über Sex zu sprechen, die nicht lösbar ist von den Geschlechterverhältnissen innerhalb einer Gesellschaft.
Eine Abkehr von der differenzfeministischen, antipornografischen Sichtweise Dworkins, Schwarzers und Co hieß in diesem Moment jedoch nicht nur Porno als Diskurs anzuerkennen, sondern auch die Kategorie Geschlecht als solche zu hinterfragen und einen Bruch mit ihr filmisch darzustellen.
Dementsprechend wurde es für sexpositive Feminist*innen zum Lösungsansatz Porno zur Gebrauchskunst zu machen, die nicht für immer und unabänderlich in einem cis-männlich dominierten, heteronormativen Spektrum festgesetzt ist, sondern sich als politische Praxis angeeignet werden kann. «The answer to bad porn isn´t no porn… it´s to try and make better porn.» fasste die Darstellerin Annie Sprinkle diese Strategie in aller Einfachheit zusammen.
…it´s to try and make better porn
Heute scheint es diese «besseren Pornos» endlich zu geben. In Berlin wird seit 2009 jährlich der feministische PorYes Award verliehen, der sexpositive Erotikfilme aus ganz Europa zeigt und auszeichnet. Auf dem Pornfilmfestival gibt es Jahr für Jahr die Möglichkeit, über eine ganze Woche hinweg weiblich-feministische und queere Filme im Kino zu schauen. Pornografische Konzepte, wie das der Regisseurin Erika Lust, die sich seit ihrem ersten Film The Good Girl zu einer der europaweit bekanntesten Pornomacher*innen entwickelt hat, bekommen relativ viel mediale Aufmerksamkeit. Tatsächlich scheint Lust es mit ihrem Anspruch, Ästhetik und Inhalte ihrer Pornos so zu setzen, dass sie auch für ein nicht cis-männliches Publikum interessant werden, geschafft zu haben, sich außerhalb der (trotz allem relativ überschaubaren) (queer-)feministischen Porno-Szene und in den Wohnzimmern deutscher Otto-Normal-Linker zu etablieren. Und das ist auch gut so.
Für einige meiner Freund*innen ist es geradezu eine Offenbarung, sich nicht länger mit female friendly Kategorien großer Mainstream-Seiten herumplagen zu müssen, die im Kern nicht weniger heteronormativ und sexistisch sind, als die übrigen Inhalte der Websites. Für andere sind Erika Lusts Filme das erste Mal Anstoß dafür gewesen, selber aktiv Pornos zu schauen, seit frau das letzte Mal mit vierzehneinhalb entsetzt, halb fasziniert vor YouPorn saß und dann beim Anblick der kreischenden Hauptdarstellerin doch lieber schnell den Laptop zugeklappt hat.
Dass feministische Pornografie wie die von Erika Lust dafür sorgt, dass mehr Frauen* Zugang zu Pornografie bekommen und der Anspruch gilt, begehrende Frauen* abzubilden, ist großartig und wichtig und eröffnet neue Handlungsspielräume.
Nur sind solche pornografischen Konzepte oft eine schmale Gratwanderung. Denn der Anspruch, statt dauergeilen Cheerleaderinnen, deren Lust ausschließlich in Abhängigkeit vom männlichen Protagonisten auftaucht, «weibliches Begehren» in den Fokus zu rücken, führt in der Praxis recht schnell zu Verallgemeinerungen. So genannte frauen*freundliche Pornos laufen Gefahr, genau die Normen von weiblicher Sexualität, mit denen sie eigentlich brechen wollen, zu reproduzieren.
Auch Erika Lusts Filme sind zum Teil stark von klaren Vorstellungen geprägt, was ein weibliches Publikum an Pornos interessant finden könnte: Mehr Narrative, schöne Menschen und eine ästhetische Darstellung von Sex, ganz nach den Bedürfnissen von «Women‘s Pleasure». Festgelegt wird sich dabei jedoch oft auf eine bestimmte Art von Weiblichkeit, die es lieber etwas romantischer und schmusiger hat und damit Vorstellungen von männlicher Sexualität abermals gegenübergestellt wird. «We jump from one cliché to another and end up reproducing exactly what we wanted to deconstruct.», warnt das queerfeministische Kollektiv GirlsWhoLikePorn. Zusätzlich werden Sexualitäten, die sich dieser Binarität entziehen, oft ausgeklammert.
Queer Porn als Versuch der Aneignung
In diesem Kontext läuft die Auseinandersetzung mit Pornografie auch Gefahr, auf dem Stand einer Quoten-Diskussion stehenzubleiben. So als müssten sich nur möglichst viele Frauen* hinter die Kamera stellen, weil sie eh wüssten, was für Sex andere Frauen* sich gerne anschauen und schon wäre das Problem gelöst. Eine Auseinandersetzung mit Pornografie kann jedoch darüber hinausgehen. Sie kann Kritik daran üben, wie Sexualität in gesellschaftlichen Zusammenhängen verhandelt (oder eben nicht verhandelt) wird. Und sie kann die Frage stellen, wie Sex außerhalb einer heterosexuellen Norm aussehen könnte.
Katja Grawinkel sieht beispielsweise in queerer Pornografie eben dieses Potential gegeben. Mit Judith Butlers Theorie einer allgegenwärtigen performativen Konstruktion von Geschlecht betrachtet sie Pornografie «als eine von vielen gesellschaftlichen und medialen Bühnen, auf denen Geschlechtsidentität durch Akte, Gesten und Sprache hergestellt wird.» Durch die explizite und sich ständig wiederholende Darstellung von bestimmten, als männlich oder weiblich gelesenen Genitalien könnte man Pornos einerseits als besonders prädestiniert für eine Verfestigung dieser heteronormativen Matrix betrachten. Andererseits kann sich diese übertriebene Zurschaustellung von genitaler Lust auch subversiv angeeignet werden. Queere Pornografie spielt meist bewusst mit Settings, Bildern und Narrativen, die aus dem pornografischen Mainstream-Bereich stammen, bringt jedoch den Prozess der Identifikation mit Geschlechteridentitäten innerhalb der Darstellung ins Wanken, weil die Genitalien losgelöst von der ihnen zugeschriebenen Identität funktionieren.
«Trashige Aufnahmen, die beim Anschauen irritieren oder Kontexte, die allzu sehr an hetero-sexistische Pornos erinnern, sind meist bewusst gesetzt, um mit der Ästhetik von Mainstream Pornografie nicht zu brechen, sondern in der Übertreibung die Schaugewohnheiten des Publikums auf die Probe zu stellen.»
Produziert wird eine Art «queere Freak-Show» in einem wohlbekannten Rahmen, die heteronormative Pornografie beinahe parodiert. Hierzu gehören auch Übertreibungen auf filmischer Ebene: Trashige Aufnahmen, die beim Anschauen irritieren oder Kontexte, die allzu sehr an hetero-sexistische Pornos erinnern, sind meist bewusst gesetzt, um mit der Ästhetik von Mainstream Pornografie nicht zu brechen, sondern in der Übertreibung die Schaugewohnheiten des Publikums auf die Probe zu stellen.
Was das letzte Beispiel vor allem deutlich machen soll ist, dass Porno die Möglichkeit bieten kann, Widerstand gegen gegenwärtige Vorstellungen von Sexualität und den Normen, in denen sie existiert, zu leisten. Damit das jedoch funktioniert, müssen wir zuerst Sexualität wieder verstärkt als Kampffeld betrachten – ob wir nun den einen oder den anderen Porno besser finden, so oder lieber so Sex haben wollen, uns über unseren Sex unterhalten oder allein darüber nachdenken. Solche Auseinandersetzungen erscheinen losgelöst von unserer politischen Arbeit und nur sehr individualisiert und im altbekannten Privaten aushandelbar. Dabei wäre Pornografie vermutlich nur eins unter vielen Interventionsfeldern, um Sexualität erneut einen Platz in unserem politischen Alltag einzuräumen.