Das Setting kann man sich so vorstellen: Es gibt meist einen Bar- und Sitz- oder Sofabereich, in dem man sich relativ unaufgeregt bewegen kann und es gibt einen Darkroom, in den man neugierig schauen oder mit Menschen darin ‹verschwinden› kann. Darkrooms haben meist offenere und privatere Bereiche, sodass ich aussuchen kann, wie sichtbar das ist, was ich tue. Sie sind nicht stockdunkel, sondern lassen sich gut erkunden.

Bin ich hier angekommen, ist es ein offenerer Raum – egal, ob ich als Teil einer Beziehung oder Verabredung da bin oder alleine komme. Es ist nicht mehr das Zweierbeziehungs-Setting in privaten Räumen, in dem ich meine Wünsche und Grenzen verhandeln muss. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, an denen ich mich beteiligen kann oder sie an mir vorüberziehen lasse, die ich auf mich wirken lasse und zu denen ich mich vielleicht erst beim zweiten oder dritten Mal überhaupt verhalten mag.

Sexualität wandert hier vom Privaten ins öffentlich Sichtbare und Erlebbare – sie füllt den Raum, ist präsent, wird vervielfältigt, abgewandelt, neu verhandelt und umgewandelt. Das ist unter Umständen ganz schön (über)fordernd. Auch kann ein Sexparty-Setting Raum für Übergriffe sein. Deshalb ist es gut, auf sich zu achten, sich vielleicht erst mal nicht zu viel vorzunehmen und zu schauen: was macht das Ganze mit mir und was wollen meine Wünsche (und die der anderen) gerade von mir? Eine Sexparty kann im Rückblick wunderbar leuchtendes Glück für dich erzeugen, weil sie ein toller Ort war, mit tollen Menschen und sie dir eine völlig neue Welt eröffnet hat. Sie kann aber auch furchtbar sein, weil der Ort sich richtig mies anfühlte, weil Menschen dort blöd, verletzend und übergriffig waren und niemand für dich da war, weil sie dich überfordert haben oder weil sie dich mit etwas konfrontierten, mit dem du gerade schwer umgehen kannst.

Unter Umständen gehst du, wie bei vielen anderen Schritten in deinem Leben, ins Offene und gehst auf unsicheres Terrain. Umso wichtiger ist, dass der Rahmen, in dem du das tust, dir Verlässlichkeit, Halt und Sicherheit gibt. Dieser Rahmen wird im Folgenden ausgelotet. Es sind Vorschläge, wie sich die Qualität der Veranstaltung beurteilen lässt, die man besuchen mag oder besucht (hat).

Wohlfühlen

Gut ist: Eine Atmosphäre, in der ich mich wohlfühle, eine freundliche Begrüßung, Veranstalter*innen die mir, wenn ich neu bin, die Räumlichkeiten erklären, meine Bedürfnisse ernst nehmen und Regeln haben, die deutlich die eigene Selbstbestimmung unterstreichen. Last but not least sind die anderen Besucher*innen, die mir ein gutes Gefühl geben, eine notwendige Grundlage, um mich auf einen Besuch einzulassen. Wenn ich mich nicht wohlfühle, ist vermutlich irgendwas nicht in Ordnung. Das sollte mich mindestens zu erhöhter Wachsamkeit veranlassen. Gut ist es, auf eine Party, die man noch nicht kennt, mit einer vertrauten Bezugsperson zu gehen.

Kommunikation

Kommunikation ist eine wichtige Grundlage für jede Sexparty. Deshalb ist es unablässig, dass eine Party kommunikative Orte anbietet. Besser noch: Die Veranstalter*innen sollten Kommunikation befördern. Es sind ganz simple Methoden, wie Kennenlernspiele (Finde alle fünf weiteren Personen, die ein Viereck auf ihrer Eintrittskarte haben, etc.) oder eine Darkroom-Führung in kleinen Gruppen zu Beginn der Party für alle, die wollen. Sie reduzieren Hemmschwellen und bauen Brücken zur Kommunikation unter Besucher*innen. Auch ein Workshop zu Beginn der Party fördert die Kommunikation und das Kennenlernen untereinander. Vor allem kommen so sehr unterschiedliche Menschen in Kommunikation miteinander. Gibt es diese Angebote nicht, bleibt Kommunikation meist sehr eng durch cool/uncool-Bewertungen auf die eigene Peergroup beschränkt und ist mit der hohen Hürde des Ansprechens belegt. Vielfältige Kommunikation schafft Sicherheit und Wohlbefinden.

Safer Sex

Safer Sex vermindert sehr deutlich das Risiko, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken. Es ist deshalb vertrauenserweckend, wenn eine Party alle nötigen Safer-Sex-Sachen an gut sichtbaren Orten zur Verfügung stellt. Hierzu zählen: Handschuhe, Gleitgel und Kondome, sowie Lecktücher («dental dam»), die meist nicht vorhanden sind - da zu teuer. Mit einer Schere kann man aber aus einem Handschuh ein Lecktuch machen. Klarsichtfolie geht auch. Es ist gut, sein eigenes Safer Sex Equipment dabei zu haben. Safer Sex braucht neben den Materialien auch den eigenen Mut, ihn einzufordern. Wenn sich eine Party offen sichtbar zu Safer Sex positioniert und Aufklärungsmaterial zur Verfügung stellt, ist das sehr hilfreich.

Sicherheit

Eine Sexparty ist als ein halböffentlicher Raum zumindest ein Raum, in dem es immer Zeug*innen geben kann. Deshalb potentiell ein sicherer Raum. Doch hängt die Sicherheit von den beteiligten Personen und maßgeblich von den Veranstalter*innen ab. Eine Möglichkeit, die eigene Sicherheit zu erhöhen, ist es, gemeinsam mit (einer) vertrauten Person(en) die Party zu besuchen. Eine andere, auf Alkohol und Drogen zu verzichten – das steigert Achtsamkeit und Erlebnisvermögen. Die einfache Grundregel «erst fragen, dann anfassen» ist die minimale Sicherheitsgrundlage, bei dessen Verstoß eine Person auf dein Verlangen hin mindestens der Party verwiesen werden sollte. Die Veranstalter*innen müssen ansprechbar und präsent sein und für die Einhaltung von Regeln sorgen.

Ein Awareness-Konzept und -Team auf der Party wäre ein weiteres Qualitätsmerkmal. Es ist gut, wenn es auf der Party ein «Safeword» gibt, sodass alle umstehenden Menschen mitbekommen, wenn ein Konsens verlassen wird. Dies ist vor allem in Bdsm-Kontexten wichtig, wo unter anderen das Safeword «Mayday» Verwendung findet. Sicherheit betrifft vor allem Menschen, die potentiell Gewaltverhältnissen und Diskriminierungen ausgesetzt sind. Das heißt, eine um Sicherheit bemühte Sexparty hat eine antidiskriminierende Haltung und Position. Sie unterstützt so zum Beispiel Trans*menschen mit einem «Man sieht niemandem sein*ihr Geschlecht an»-Grundsatz.

Konsens

Alles was geschieht bzw. nicht geschieht, wird von den beteiligten Akteur*innen ausgehandelt. Eine Party, auf der Wohlfühlen, Kommunikation, Safer Sex und Sicherheit in einem guten Maße vorhanden sind, bietet die Grundlage für eine möglichst hierarchiearme Verhandlung zwischen Akteur*innen. Kommunikation auch während des Sexes, bietet die Möglichkeit, sich gegenseitig zu vergewissern, Unangenehmes zu beenden und Schönes zu vermehren.

Verschwiegenheit

Es ist zumeist nur ein ungeschriebenes Gesetz für Sexpartys. Klar ist aber: Du solltest mit dem, was Menschen dort miteinander teilen und mit dem Wissen, wer dort etwas mit wem anderen teilt, verschwiegen umgehen. Du weißt nicht, ob die Person will, dass andere davon erfahren. Dennoch kannst du Erlebtes anderen mitteilen, indem du Erlebtes oder Gesehenes so erzählst, dass keine Rückschlüsse auf die beteiligten Personen getroffen werden können. Ein Fotoverbot und das daraus folgende Handyverbot sind hingegen quasi allgemeiner Standard.

Lust

Schließlich schafft eine Sexparty einen Ort, an dem die (sexuelle) Lust einen individuellen und kollektiven Gewinn ziehen kann. Dabei ist es egal, ob alle, die dort waren, «Sex hatten». Es entsteht eben ein Ort, an dem Lust auch schlicht im Raum sein kann und auch Voyeurismus bereits Teilhabe ist. Ich kann mich auch von den vielen anderen Menschen, deren Outfits und sexuellen Praxen inspirieren lassen – und vielleicht werde auch ich selbst Beteiligte in einer sexuellen Interaktion. Nicht zuletzt ist eine Sexparty ein Ort, an dem sexuelle Lust entindividualisiert wird – sie wird zu etwas gemeinsam Erlebtem. Über die Zeit werden die Menschen, die (eine) Sexparty besuchen, sofern sie wollen und sich auf einer der nächsten Partys wieder treffen, zu einer Community, die sich über die geteilte Lust definiert – auch ohne jemals selbst miteinander Sex gehabt zu haben.

«Nicht zuletzt ist eine Sexparty ein Ort, an dem sexuelle Lust entindividualisiert wird – sie wird zu etwas gemeinsam Erlebten.»

Queer, hetero, schwul, FLT*?

Es macht ganz praktisch leider einen großen Unterschied auf welcher Party ich mich befinde. Ist es eine queere Party (ohne strikte Festlegungen auf Identitätskategorien), ist es eine hetero- oder homosexuell (dominierte) Party, ist sie eine frauen-lesben-trans* oder eine schwule Sexparty? Dieser Unterschied gilt sowohl hinsichtlich sexueller Praxen, Safer Sex, Kommunikation und Wohlbefinden, als auch generell für subkulturell gelebte Normen und Werte.

Wie finde ich hin?

Die Wahrscheinlichkeit Sexpartys anzutreffen, ist in Großstädten erwartungsgemäß größer. Barrierefreiheit hingegen ist leider nicht in allen Locations vorhanden. Viele Sexpartys sind aus Communities entstanden und oftmals nicht kommerziell. Eintritts- und Getränkepreise sind deswegen meistens moderat. Aus den unterschiedlichen Zielgruppen ergibt sich auch eine jeweils unterschiedliche Einladungspolitik. Manche Sexpartys findest du ganz offen im Internet. Manche sind an Bdsm-, Sex- oder Swingerclubs angebunden. Auch Beratungsstellen sind eine Möglichkeit Informationen zu bekommen. Andere Partys sind nur über Empfehlungen zu finden (Freund*innen laden Freund*innen ein) oder durch Flyer an einschlägigen Orten (Feministischer- oder Frauen-Sexladen), geschlossene Foren/Gruppen im Internet und Emailverteiler. Geschlossenere Einladungspolitiken führen leider dazu, dass nicht alle hinfinden, die hinfinden würden wollen. Sie haben allerdings den Vorteil einer größeren Wahrscheinlichkeit, dass eher die Personen kommen, die auch zur Party passen. Ansonsten hätte die Person, die schon mal da war, dich ja nicht eingeladen.