Ich bin fett. Aber nicht fett und hässlich. Ich bin fett, aber ich spüre etwas, wenn ich berührt werde, ich bin empfindsam und zart. Ich bin fett und ich habe trotzdem Sex. Auch wenn sich die meisten Menschen das nicht gerne vorstellen, mich lieber entsexualisieren. Sich mit mir in der Öffentlichkeit zu zeigen ist ebenso schwer, wie im Bett meinen Bauch anzufassen und es geil zu finden. Mein Bauch und meine Größe setzen mich ins Verhältnis zu anderen Frauen – denen, die ich begehre und die mich begehren und denen, deren Begehren ein heterosexuelles ist. Ich bin nicht ihre fette, schüchterne Freundin, die sich wünscht, auch mal einen Typen abzubekommen. Ich bin auch nicht ihre Feindin oder Neiderin. Mein Fett gibt meiner feministischen Praxis eine Wendung: Oft bin ich das Monster, das andere Frauen nicht werden wollen und ich mag es, dieses Monster zu sein, denn als Monster kann ich ihnen ihre Angst nehmen, fett zu werden.
Ein Körper wie meiner kommt als Objekt der Begierde in keinem klassischen Hollywoodfilm vor. Das heißt, als Nicht-Fetisch gibt es kein (Vor-)Bild für mich. Er kommt vor in Fetischpornos, in queeren Indiepornos oder anderswo, abseits. Mich zu lieben ist pervers, man macht sich die Hände schmutzig an mir. Wenn mein Körper ein anderer wäre, «gesund», petite, handhabbarer, hätte ich dann besseren Sex?
Feministische Praxis und das Begehren im und am fetten Frauenkörper.
Ich habe aufgehört, vegan zu essen, weil mir ständig unterstellt wurde, ich mache eine Diät. Ich habe aufgehört, mit Männern zu schlafen, weil ich im Rahmen heterosexuellen Begehrens keinen Platz für meinen Körper finden konnte. Ich kleide mich feminin, um keinen doppelten Widerwillen auf mich zu ziehen. Mein Körper setzt Bedingungen und ich folge ihnen, mal widerwillig, mal lustvoll. Doch wer folgt mir in die Lust? Die Lust, meinen Bauch zu kneten wie Brüste, die Lust, mit dem Körper umzugehen, der da ist, und nicht dem, der da sein soll? Der Widerwillen gegen fette Körper, gegen die unterstellte Krankheit, Hässlichkeit und Faulheit, ist omnipräsent. Meine Hypervisibilität lässt keine vielfältigen oder gar positiven Mutmaßungen über mein Fettsein zu. Mein Körper wird als pathologisch markiert. Der fette Körper als Resultat falscher Erziehung, mangelnder Zuneigung, traumatischer Erfahrung mit (sexueller) Gewalt oder sexueller Frustration. Es gibt einen Unterschied zwischen der öffentlichen Wahrnehmung von Subjekten und deren Lebenspraxis. Mein Körper ist noch immer der öffentliche Text, der öffentliche Ort, wenn ich ihn mit ins Bett nehme. Aber ich weiß, dass mein Körper nicht nur Resultat von Erziehung, Frustration oder Gewalt ist. Er ist auch geworden, was er ist, durch meine feministische Praxis, durch die Verweigerung, sich vereindeutigen zu lassen. Durch die Entscheidung, mit den Widersprüchen umzugehen und Sex, Körper und Liebesbeziehungen als politische Praxen zu denken, die veränderbar durch uns sind. Körper werden anders spürbar durch die Art, wie wir uns auf sie beziehen und zulassen, dass andere sich auf uns beziehen. An guten Tagen heißt das: Mein Körper ist überhaupt nicht eindeutig. Weder meine langen Haare noch meine muskulösen Schultern noch mein dicker Bauch. Ihr könnt sie sehen, aber was würde passieren, wenn ihr sie auch fühlen würdet? Nur einen kleinen Schritt über die innere Grenze von der Transformation der Urteile entfernt, die die Gesellschaft untergejubelt hat. Dorthin, wo die Öffentlichkeit, die Allmacht der Urteile nichts mehr zu suchen hat, in die Versenkung, die Sex als Sehnsuchtsort vielleicht noch übrig gelassen hat, die namenlose Sinnlichkeit der Erotik eines lebendigen Körpers. Der weich, hart, laut und nachgiebig ist gegenüber seiner Neuentdeckung. Der verwoben ist mit allem, was ihm je zugefügt und was über ihn gesagt worden ist und doch, wundersamerweise, offen für Zärtlichkeit, für Perversion und radikale Sinnlichkeit – an guten Tagen.