Trans*misogynie

…bedeutet für mich die Diskriminierung von trans*Frauen und auch von nicht binären trans*Personen, die bei der Geburt männlich zugeordnet wurden und sich eher im trans*weiblichen Genderspektrum verorten. Trans*Misogynie verstehe ich als ein Zusammenwirken von verschiedenen Diskriminierungsformen, zum Beispiel auch Sexismus und Lookismus (Diskriminierung aufgrund des Aussehens).

Mein zweites Pech war, in einer Gesellschaft geboren zu sein, in der alle Menschen in die zwei Schubladen ‹männlich› oder ‹weiblich› einsortiert werden. Alle möglichen körperlichen Merkmale gelten hier entweder als männlich oder weiblich: Brüste, Genital, Behaarung, Körperbau und Körperform, Fußgröße. Dann ist genau festgelegt, wie sich die Menschen in den beiden Schubladen anziehen sollen (Rock oder Hose?), wie sie sich verhalten sollen (raumeinnehmend oder zurückhaltend?), was sie mögen sollen (Fußball oder Puppen?), welchen Beruf sie erlernen sollen (Stewardess oder Kapitän?), wen sie lieben sollen (natürlich hetero) und so weiter. Aus diesem Zweigeschlechterdenken gibt es kein Entkommen.

So bekam ich schon als Kind von allen gesagt: «Dein Körper ist ein Jungen-Körper». «Du musst Hosen tragen, raumeinnehmend sein, Fußball mögen, Kapitän werden und dich, verdammt noch mal, in ein Mädchen verlieben.» Dumm nur: Ich wusste, dass ich ein Mädchen bin. Klar ließ ich mich oft verunsichern, versuchte, den Erwartungen zu entsprechen. Doch das hat sich so falsch angefühlt, und authentisch wirkte das auch nicht an mir. Das fiel auf, und so erlebte ich Mobbing und Diskriminierung.

Trans*Mädchen männlich privilegiert?

Auf einem meiner Vorträge meinte mal eine Person, dass Kindern und Jugendlichen, die männlich gelesen werden, ja mehr Raum gegeben werde und sie ermuntert werden würden, sich Raum zu nehmen. Und deshalb wären auch trans*Mädchen männlich privilegiert. Das stimmt nicht, denn viele trans*weibliche Kinder und Jugendliche werden von anderen Jugendlichen und auch Erwachsenen jahrelang täglich gemobbt und klein gemacht, auch wenn sie männlich gelesen werden. So habe ich alles andere gelernt, als mir Raum zu nehmen und selbstbewusst zu sein. Was mir tatsächlich nachdrücklich beigebracht wurde, ist: falsch zu sein, unwichtig und verrückt zu sein, schwach, nicht liebenswert und hässlich.

Dass ich hässlich sei, habe ich tief verinnerlicht. Immer beneidete ich die cis-Mädchen, deren Körper der Norm entsprachen, um ihren Körper. Ein Körper, in dem ich mich so viel wohler fühlen würde. Dass mein Aussehen als ‹männlich› galt, hatte zur Folge, dass ich nicht ich sein durfte. Ich musste mich einengen und viele Jahre lang verbiegen. Gehörte weder richtig zu Mädchen- noch zu Jungencliquen.

Gesellschaftliche Schönheitsnormen

Die Models aus der Werbung zeigten mir jeden Tag, wie eine Frau auszusehen hat, was mein Gefühl verstärkte, falsch zu sein. Das hat mich stark geprägt. Und obwohl ich heute versuche, auf diese Schönheitsideale zu scheißen, merke ich, dass ich immer noch dem Ideal aus der Werbung nach strebe und darunter leide, dass ich es nie erreichen werde. Die Gesellschaft sagt nämlich nicht nur, wer eine Frau ist und wer nicht, sondern sie sagt auch ganz genau, wer eine schöne Frau ist und wer nicht. Beim Entsprechen von Schönheitsnormen hatte ich als trans*Frau ja nie gute Karten.

Gelte ich als schöne Frau? Ich, mit meinem schwer zu verbergenden Damenbart und sonstiger Körperbehaarung, mit meinem breiten Kreuz, den Operationsnarben unter meinen Brüsten, dem nicht der Norm entsprechenden Genital?

Und warum fühle ich mich eigentlich immer zu dick? Als Teenie war ich wohl dünner, als gesund für mich war. Aber Abnehmen war auch einfach der einzige Weg, den ich kannte, meinen Körper zu verändern, meinen Körper verschwinden zu lassen. Wie viele Jahre stand ich auch später noch täglich auf der Waage und habe Statistik geführt, über jede Zehntel Kommastelle in der sich mein Gewicht verändert hatte. Habe meine riesige Waage sogar mit auf Urlaubsreisen genommen, damit ich nicht nach zwei Wochen den Schock kriege, ein Kilo zugelegt zu haben.

Ständiges Nachdenken übers Aussehen

Bis heute blitzen immer noch die beiden gleichen verflixten Fragen auf: Werde ich ‹schön› gefunden? Und: Werde ich als Frau gelesen? Nicht als schön zu gelten und missgendert zu werden, ist beides sehr schmerzhaft, und wenn es zusammenkommt noch mehr.

Ich denke permanent über mein Aussehen nach: Sind meine Augenbrauen zu wuschig? Sollte ich abnehmen, damit ich zierlicher und damit femininer wirke, oder werden dann meine Gesichtszüge zu kantig und damit männlich? Trage ich diese Winterjacke, oder stellt sie mein breites Kreuz heraus? Wie verstecke ich meine Geheimratsecken? Wirke ich zu groß in hochhackigen Schuhen? Habe ich mich heute früh zu unsauber rasiert? Oder noch vor meiner Operation: In welchem Rock oder in welcher Hose könnte sich eine kleine Beule im Schritt abzeichnen, wenn ich mich bewege? Da mein Passing immer noch sehr brüchig ist, zählt jedes Detail. Schon eine Kleinigkeit, die auffällt, kann mich als Trans* outen.

Da haben es viele cis-Menschen, die der Norm entsprechen, vielleicht einfacher. Wenn etwa eine cis-Frau nicht als schön gilt, gilt sie immer noch als Frau. Ihr wird deshalb in der Regel nicht ihre Geschlechtsidentität abgesprochen. Wenn eine trans*Frau nicht ihre ganze Energie in ihr Aussehen investiert, gilt sie nicht ‹nur› als keine ‹schöne› Frau, ihr wird dann auch oft ihre Geschlechtsidentität abgesprochen. Also: «Die da hinten, die viel zu große Frau mit dem breiten Kreuz und den aus dem Second Hand-Laden zusammengesuchten Klamotten. Krass, und voll den Bartschatten. Die ist doch ein Mann!» Viele trans*Weiblichkeiten haben wenig Kohle. Und Kosmetik, Kleidung, Epilation und Operation sind sehr teuer, selbst wenn die Krankenkasse einen Teil übernimmt.

Die Szene ist keine Seifenblase

In der queerfeministischen und feministischen Szene versuchen viele Leute Sachen besser zu machen, nicht zu diskriminieren und sich und andere zu bestärken. Deshalb fühle ich mich dieser Szene auch zugehörig. Trotzdem ist sie keine Seifenblase, die außerhalb der Gesellschaft existiert. Wir sind aufgewachsen mit erfahrenen Diskriminierungen und Privilegien und haben gelernt zu diskriminieren. Daher hören Privilegien und Machtstrukturen in der Szene nicht einfach auf zu existieren. Räume und Gruppen sind hier meist weiß, able bodied, middle class … dominiert. Und sie sind dominiert von cis-Frauen und von trans*Männlichkeiten.

Auch in Frauenräumen oder FrauenLesbenTrans*Inter*-Räumen kommt es immer wieder zu direkten und indirekten Diskriminierungen und Ausschlüssen von Trans*Frauen. Auch wenn ein Flti* Raum offiziell offen für trans*Frauen ist, passiert es oft, dass Besucher*innen von den Personen, die den Einlass machen an der Tür auf ihr Aussehen hin abgecheckt werden. Sehen sie nach deren Meinung männlich aus, werden sie dann gleich angesprochen und darauf hingewiesen, dass dies ja eine Flti*-Veranstaltung sei.

So habe ich das Gefühl, dass ich als trans*Frau in feministischen Szenen mehr akzeptiert werde, je mehr ich den weiblichen Schönheitsnormen entspreche. Das finde ich so absurd!

Konflikte in den Räumen der Szene

Betrete ich einen Frauen- oder einen Flti*- Raum, bin ich gleich noch viel mehr auf mein Aussehen bedacht, als sonst. Ich fühle mich von Leuten gemustert, daraufhin, ob ich wohl eine ‹echte Trans*frau› bin, oder eigentlich ein cis-Mann, der sich nur mal zum Spaß verkleidet. Ich achte besonders auf gute Rasur, Make-up und Kleidung und bemühe mich doppelt, allen Schönheitsnormen zu entsprechen. Ich darf mich dabei nicht zu sehr dem gängigen Szenestyle anpassen, denn der ist eher maskulin.

Für mich aber sind all die als feminin geltenden Dinge oft wichtig, um mich schön zu fühlen, um meine Weiblichkeit zu zeigen und zu feiern. Ich glaube, das geht vielen trans*Weiblichkeiten so.

Ich habe das Gefühl, dass alles, was von der Gesellschaft her als ‹weiblich› gilt, hier oft negativ bewertet wird. Feminine Kleidung und Schmuck, Make-up, Styles und Accessoirs, aber auch Verhalten, Gestik, Hobbies usw. Alles uncool und tussig. Jogginghose = cool, Minirock = tussig, rational sein = cool, emotional = uncool usw. Viele Menschen lehnen die weibliche Rolle ab, die ihnen von der Gesellschaft aufgezwungen wird, und werten all das ab, was als ‹weiblich› gilt. Für mich aber sind all die als feminin geltenden Dinge oft wichtig, um mich schön zu fühlen, um meine Weiblichkeit zu zeigen und zu feiern. Ich glaube, das geht vielen trans*Weiblichkeiten so. Wenn eine cis-Frau sich sehr feminin gibt, gilt sie als weniger cool in der queeren Szene und erfährt Feminitätsfeindlichkeit. Aber ihr wird nicht ihre Geschlechtsidentität abgesprochen. Bei Menschen, die von Trans*misogynie betroffen sind, ist das anders: Geben sie sich sehr feminin wird gesagt: «Ach die meint das ja gar nicht ernst. Das ist ja nur ein Kostüm. Sie ist nur eine Drag-Queen und keine richtige Frau» und all so ein Scheiß. Gibt sie sich aber wenig feminin, wird gesagt: «Sie versucht es ja nicht einmal.»

Heute hilft es mir, mich mit anderen queeren Menschen zusammenzutun und auszutauschen. Uns gegenseitig zu bestärken und über all die Leute zu lachen, die denken, wir wären nicht richtig, so, wie wir sind. Ich suche mir Menschen und Orte wo ich mich wohl fühle und wo ich so sein kann, wie ich bin, ohne das Gefühl zu haben «komisch» zu sein. Ich schreibe und mache Musik, in der ich mir selbst und hoffentlich auch anderen Mut zuspreche. Ich verändere meinen Körper und fühle mich nach und nach immer wohler darin. Ich lerne, Stück für Stück darauf zu scheißen, was andere über mich denken, und fange an, mich selbst zu mögen.