Das bezirkliche Zentrum für Demokratie gibt es seit dem Sommer 2004. Es bietet politische Bildungsarbeit an und unterstützt zivilgesellschaftliche Akteur*innen in ihrem Engagement für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im Bezirk Treptow-Köpenick. Das Zentrum liegt mit seinem Standort in Schöneweide in einem ehemals stark durch rechtsradikale Orte wie die Kneipen «Eisenbahner» oder «Der Henker» geprägten Bezirk. Getragen wird es von dem Verein Offensiv91, der neben dem ZfD, mehrere Kitas und Begegnungsstätten betreibt oder auch Schuldner*innenberatung anbietet. Zu den Stellen, die das ZfD fördern, gehört unter anderem das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – das in der Regel nicht durch linksradikale Politik auffällt. Trotzdem setzt das ZfD gute, vor allem aber auch erfolgreiche Projekte um, die rechter Politik entgegenwirken. So beispielsweise die Stadteillots*innen- und Integrationsprojekte, die zum Teil von Personen mit Fluchterfahrung für Personen mit Fluchterfahrung gemacht werden und dazu dienen, sich im Bezirk ebenso wie im Behördendschungel besser zurechtzufinden. Auch für eine antisexistische Politik und gegen Transphobie setzt sich das ZfD ein und erscheint so rundum als eine begrüßenswerte politische Akteurin in Treptow-Köpenick.
Es ist also kein Wunder, dass das ZfD rechten Gruppen ein Dorn im Auge ist. Dennoch lohnt es sich, genauer hinzusehen, weil das Zentrum durch die AfD angegriffen wird. Und die ist eben nicht irgendeine rechte Gruppe, sondern eine Partei, die in Treptow-Köpenick mit 20,8 Prozent ins Bezirksparlament eingezogen ist. Besonders im Wahlkampf 2016 versuchte die AfD Treptow-Köpenick gegen das ZfD vorzugehen, aber auch im Parteiprogramm fordert die AfD: «Demokratie und Meinungsfreiheit im Bezirk stärken. Neustart für das Zentrum für Demokratie und das Fest für Toleranz und Demokratie dringend erforderlich: Das Zentrum für Demokratie darf nicht länger die Speerspitze eines bestimmten politischen Lagers sein, sondern muss allen demokratischen Kräften offenstehen». Vielleicht klingt das zuerst sogar nach einer sinnvollen Forderung für Personen, die die letzten zwei Jahre Wachs in ihren politischen Ohren hatten, ist aber im Kontext der Veränderung des politischen Diskurses in den letzten Monaten problematisch.
Die AfD und die Mehrheitsgesellschaft
Das Erstaunliche an der AfD ist nicht, dass es mal wieder eine neue rechte Partei in Deutschland gibt, das Erstaunliche ist, wie sehr die Partei es geschafft hat, den innenpolitischen Diskurs zu verschieben und Äußerungen, die bisher als unmöglich galten, zu rehabilitieren. Das zeigt sich auch in der Art, wie sie über linke Projekte und Gruppen spricht. Die Rede von «Lechts» und «Rinks» ist seit Ernst Jandl und den ersten Extremismus-Debatten in der BRD wohl bekannt. Die Idee, die Mitte der Gesellschaft sei von Rechtsextremen und «Linksextremen» gleichermaßen gefährdet, wird von allen Parteien, die sich selbst gerne zur Mitte zählen und die häufig leicht rechts davon stehen, gerne genutzt. Damit kritisieren sie einerseits ein vermeintlich zu zaghaftes Vorgehen gegen linke Gruppen oder deren Förderung, vor allem aber schaffen sie sich damit eine «Mitte der Gesellschaft», in der sie sich dann überhaupt erst verorten können.
Im Fall des Zentrums für Demokratie geht es interessanterweise dann aber nicht um eine linke Gruppe, sondern es geht um eine in ihren Mitteln und Aussagen durchaus mit bürgerlichen Werten vereinbare Institution. Aus diesem Grund ist das ZfD ein so gutes Beispiel um zu illustrieren, was die AfD besonders auch in Berlin erreichen möchte. Es wird wahrscheinlich niemanden verwundern, dass die AfD selbst dem Berliner Innensenator Henkel ein zu lasches Vorgehen in der Rigaer Straße vorwarf. In der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain gibt es mehrere Hausprojekte und im Sommer 2016 kam es zu einer mit massivem Polizeieinsatz durchgesetzten Teilräumung. Diese Teilräumung wurde später vom Landgericht für nicht rechtmäßig erklärt. «Es wird Zeit, dass der Senat gegen die linksextremen Klassenkämpfer vorgeht. Der Berliner Innensenator hatte fast fünf Jahre Zeit, diesen Sumpf trockenzulegen und hat nichts dergleichen getan. Dafür überschlägt er sich jetzt mit lautstarken Erklärungen. Die Berliner Bürger erwarten Taten, Herr Henkel, keine Lippenbekenntnisse» (Georg Paderski, Landesvorsitzender der AfD in Berlin).
«Aktive Politik gegen die AfD bedeutet auch, aktiv Stadtpolitik auf kommunaler Ebene zu betreiben, die nicht nur eventorientiert funktioniert, sondern linke Projekte dauerhaft stützt.»
Die Überschneidung mit Trumps Metaphorik rund um den Sumpf (engl. swamp) dürfte wenig erstaunlich sein, zumal auch Trump diese Metaphorik nicht erfunden hat, sondern sie schon lange zu rechten und autoritären Rhetoriken gehört. Nur hat sich in Deutschland abgesehen von rechtsextremen Parteien und einzelnen Politiker*innen der CDU/CsU schon länger niemand so über Projekte geäußert. Glücklicherweise schien in Deutschland, auch innerhalb der konservativen bürgerlichen Elite, klar gewesen zu sein, wie Faschismus klingt und dass einer der Grundmechanismen dieses Systems ist, das eigene Feindbild immer stärker auszuweiten. Ohne hier auf den AfD-internen Streit eingehen zu können, der gerade in diesem Kontext beachtenswert wäre, lässt sich sagen, dass auch die Personen, die Björn Höcke nicht unterstützen, gerne mit faschistischen Rhetoriken flirten. Ob und inwieweit ihnen das Massenmobilisierungs- und Gefahrenpotential bewusst ist, bleibt dabei erst einmal irrelevant. Die AfD hat es fertiggebracht, dass eine derartige Sprache wieder gesellschaftsfähig ist, also nirgendwo mehr einen Skandal auslöst und das ist bemerkenswert. Nicht, weil nicht immer schon allen klar war, dass Menschen insgeheim vielleicht auch über SpD und CDU denken, man sollte «den Sumpf trocken legen» (was auch immer das bedeuten mag) sondern weil sie sich zumindest nicht getraut haben, das öffentlich zu sagen. Für alle Betroffenen war das klarerweise ein besserer, wenn auch brüchiger Zustand, in dem man implizit vor bestimmten Ausfällen geschützt war.
Angriffe auf linke Infrastruktur
In den USA lassen sich zurzeit verschiedene Entwicklungen beobachten, die offenbar nicht mehr skandalisierbar sind. Trumps Attacken gegen Umwelt- und Genderpolitik, vor allem aber auch gegen Sanctuary und Solidarity Cities, sollten uns zu denken geben. Ohne linke Infrastruktur ebenso wie staatliche Institutionen und Parteien, die zumindest moderat links stehen, lässt sich nachhaltige linke Politik nicht umsetzen. Trotzdem scheint sich bisher kaum jemand Gedanken darüber zu machen, wie man derartige Projekte in Berliner Bezirken, in denen die AfD mit etwa 20 Prozent in die Bezirksparlamente eingezogen ist (Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick, Lichtenberg), schützen kann. Dabei macht die AfD völlig klar, was sie will und wird vor der Umsetzung sicher nicht zurückschrecken. So sagte Beatrix von Storch: «Die Bundesregierung missbraucht Steuergelder, um Kampagnen gegen die politische Opposition im Land zu finanzieren und schreckt nicht davor zurück, dabei mit gewaltbereiten Linksextremisten zu kooperieren. Dass sich die Bundesregierung finanziell daran beteiligt, Mitglieder demokratischer Parteien einzuschüchtern, ist ein Skandal. Ich fordere Ministerin Schwesig auf, die finanzielle Förderung linksextremer Strukturen endlich einzustellen und das Geld, wie vorgesehen, für die Unterstützung von Familien zu verwenden.» Hier wird klar, dass auch eine CDU-geführte Bundesregierung für die AfDnichts weiter ist als der verlängerte Arm der «Linksextremen», die sie unterstützt. So ergibt sich also auch die Frage wie mit einer Partei umzugehen ist, die der Bundesregierung unterstellt, sie würde linke Politik betreiben.
«Ohne linke Infrastruktur ebenso wie staatliche Institutionen und Parteien, die zumindest moderat links stehen, lässt sich nachhaltige linke Politik nicht umsetzen.»
Der große Teil der linken Infrastruktur Berlins wurde von den Generationen der 68er und der Hausbesetzer*innenbewegung aufgebaut. Praktiken der (Wieder)aneignung kennen wir häufig nur aus zweiter Hand, die wenigsten von uns wissen noch, was Häuserkampf bedeutet. Dabei ist allen in der Szene klar, wie sehr unsere Politik von Hausprojekten und Bars, aber eben auch von Orten lebt, die zwischen linksradikalen und linksgrünen bis konservativen politischen Vorstellungen vermitteln können. Sollte die AfD weitere Wahlerfolge verbuchen, ist klar, wo zumindest auf kommunaler Ebene ihre Ziele liegen werden. Basisdemokratische Bewegungen sind auf Orte angewiesen, an denen sie sich materialisieren können. In den USA funktioniert Widerstand gerade besonders gut in den Townhalls, den Rathäusern, in denen sich Bürger*innen versammeln können. Er schließt damit an eine basisdemokratische Tradition an, die seit dem 17. Jahrhundert besteht und die immer wieder von sehr verschiedenen politischen Kräften übernommen wird, um Widerstand zu leisten. In Deutschland gibt es keine Townhalls, die für emanzipative Politik geeignet wären und keine lange demokratische Tradition, gerade deshalb sollten wir uns an einen anderen Umgang mit Orten gewöhnen, die unsere geworden sind und sie nicht als selbstverständlich hinnehmen. Widerstand gegen die AfD oder jede andere faschistische Bewegung kann auch darin bestehen, Strukturen zu stärken, die einem faschistischen politischen Projekt radikal entgegenstehen. Linke Räume können das politische Klima in einem Bezirk nachhaltig verändern. Sie funktionieren häufig als Schutzräume und als Ermöglichungsbedingung von Solidarität. In linken Projekten sind kreative Auseinandersetzungen jenseits von Verwertungslogiken möglich und sie bieten im Idealfall Orte, die es Eltern ermöglichen, Kinder in größeren Zusammenhängen als der bürgerlichen Kernfamilie aufwachsen zu lassen.
Aktive Politik gegen die AfD bedeutet auch, aktiv Stadtpolitik auf kommunaler Ebene zu betreiben, die nicht nur eventorientiert funktioniert, sondern linke Projekte dauerhaft stützt. Auf persönlicher Ebene kann das bedeuten, dass man dem Lieblingshausprojekt einmal im Monat mit einer Barschicht aushilft. Auf politischer Ebene bedarf es einer strukturellen Änderung von Stadtpolitik, weg von Events. Sinnvoller erscheint es mir, auf Räume wie zum Beispiel das «Rauchhaus» in Berlin-Kreuzberg, die einmal gut funktioniert haben, zuzugehen und diese zu unterstützen. Wichtiger noch erscheinen mir aber Projekte, die eher am Stadtrand liegen und in ihren Kiezen häufig linke Aufklärungsarbeit leisten oder Personen mit Fluchterfahrung Schutz bieten. Es hilft nichts, so zu tun als hätte man außerhalb der Innenstadt keine Handlungsmacht. Sinnvoller ist es, sich auf die Orte zurückzubesinnen, an denen sie schon gegeben ist und sie von dort weiter auszuüben. Berlin, Hamburg und andere Städte blicken auf eine reiche kreative politische Tradition zurück und es lohnt sich die Räume, die aus dieser hervorgegangen sind, zu schützen und die Techniken, die sie ermöglichten, wieder zu erlernen und zu erneuern. So ließe sich allen politischen Kräften zeigen, dass wir aus unserem spaßigen Sumpf nicht zu vertreiben sind, und dass dort eine andere Gesellschaft schon möglich ist.