Die folgenden Reflexionen können daher natürlich nicht direkt in die Praxis übersetzt werden, sondern sollen dabei helfen, gemeinsam eine Strategie zu entwickeln, die nationale Entwicklungen und historische Besonderheiten ebenso berücksichtigt wie die Tatsache, dass wir es beim aktuellen Rechtsruck mit einem grenzenlosen Phänomen zu tun haben, gegen das wir nur gemeinsam in die Gänge kommen können.
Rechtspopulistisch oder rechtsextrem? – Eine Verortung
Dazu muss zunächst geklärt werden, mit wem wir es überhaupt zu tun haben, denn die FPÖ ist kein monolithischer Block, sondern vereint verschiedenste Spektren der politischen Rechten in ihren Reihen. Die Gründung der FPÖ beziehungsweise ihrer Vorgängerpartei, des Vereins der Unabhängigen (VdU), kann getrost als direkte Fortsetzung der deutsch-völkischen Tradition in Österreich verstanden werden, wie sie heute vor allem durch die deutschnationalen Burschenschaften verkörpert wird. Neben Anhänger*innen der Großdeutschen Volkspartei waren auch viele ehemalige Nationalsozialist*innen an der Gründung beteiligt. Die Annahme, dass die FPÖ diese einzigartige (auch personelle) Kontinuität über die Jahrzehnte allmählich beseitigt hätte, muss dabei zurückgewiesen werden.
So kehrte der völkische Nationalismus unter Heinz-Christian Strache nicht nur durch die Wiederaufnahme des Bekenntnisses zur «deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft» zurück. Der seit 2005 amtierende FPÖ-Bundesobmann ist Mitglied der deutschnationalen Wiener Burschenschaft Vandalia, in deren Umfeld auch ein enger Kontakt Straches mit dem organisierten Neonazismus entstand. Wie im Jahr 2007 aufgedeckt wurde, nahm der heutige Clubobmann Mitte der 1980er Jahre an Wehrsportübungen unter Gottfried Küssel teil, einem nach dem Verbotsgesetz rechtskräftig verurteilten Neonazi, der auch heute noch maßgeblichen Einfluss auf die Szene hat. Die Sympathiebekundungen gegenüber dem NS-Regime und die meist vagen Apologien, heben die FPÖ von anderen rechten Parteien in Westeuropa wie der SVP (Schweiz), der Lega Nord (Italien) oder der PVV (Niederlande) ab und rücken sie eher in die Nähe osteuropäischer Rechtsextremer wie der ungarischen Partei Jobbik, die ebenfalls offen mit faschistischen Vorbildern kokettieren.
Diese klar rechtsextremen bis neonazistischen Tendenzen verbindet die FPÖ seit Haider geschickt mit rechtspopulistischen Elementen, die es ihr ermöglichen, breite Teile der Bevölkerung als potentielle Wähler*innen anzusprechen. Das Etablieren des Labels rechtspopulistisch, welches der FPÖ in den allermeisten Fällen zugeschrieben wird, führt dabei zu einer starken Verharmlosung und Salonfähigkeit der FPÖ und ist eine der vielen Bedingungen, unter denen sich die FPÖ im politischen Mainstream Österreichs verfestigen konnte. Abgesehen von den sozialen Umständen und der Schwäche der Sozialdemokratie sind die wichtigsten Gründe für den frühen Aufstieg der FPÖ historisch zu verorten. Sie profitierte einerseits vom Opfermythos, der eine wirkliche Entnazifizierung in Österreich lange Zeit verhindert hatte. Anderseits verbinden, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Österreich etablierten, deutschnationalen Burschenschaften, mit denen die FPÖ seit ihrem Entstehen ein weltanschauliches Lager bildet, diese mit ihren traditionellen Eliten in Wirtschaft und Staat. Diese Verbindungen sind heute wichtiger denn je, der freiheitliche Parlamentsklub rekrutiert sich aktuell fast zur Hälfte aus deutschnationalen Burschenschaftern.
Eine mögliche (und leider sehr wahrscheinliche) Regierungsbeteiligung der FPÖ nach der nächsten Wahl wäre nicht die erste, jedoch im aktuellen Kontext wohl die gefährlichste. Die FPÖ regierte bereits 1970 und 1983 in Koalitionen mit der SPÖ mit, aufgrund ihrer damaligen Marginalität (circa 5 Prozent) dominierte die SP jedoch klar das politische Geschehen. Damalige Versuche, wie unter SP Kanzler Vranitzky (1986-97), die FPÖ politisch zu isolieren und aus Koalitionsverhandlungen auszuschließen, blieben auf Dauer erfolglos. Im Ausgang der Krise der Sozialdemokratie ging die sich durch Jörg Haider vermehrt auf ihre deutschnationalen Wurzeln besinnende FPÖ im Jahr 2000 als Zweitplatzierte (26,9 Prozent) in eine Regierungskoalition mit der ÖVP.
Die einzige Kontinuität, die sich aus den Regierungsbeteiligungen der FPÖ ableiten ließe, besteht darin, dass sie eher geschwächt als gestärkt aus diesen hervortrat, weil sie ihre vermeintliche Anti-Establishment-Politik nur in der Opposition glaubhaft vermitteln konnte. Für die Gegenwart ist die Hoffnung auf eine Wiederauflage dieser Entwicklung natürlich keine Perspektive. Der überall in Europa voranschreitende Prozess des autoritären Staatsumbaus macht auch vor Österreich nicht Halt. Der jüngste Vorstoß des österreichischen Innenministers Wolfgang Sobotka, das Demonstrationsrecht massiv einzuschränken und politischen Protest aus der Öffentlichkeit zu verbannen, ist dabei nur ein Beispiel von vielen. Unter einer Regierungsbeteiligung der FPÖ würde diese Entwicklung mit großer Wahrscheinlichkeit massiv verschärft.
Antifaschistische Kampferfahrungen in Österreich – Drei Schlaglichter
Mehr oder weniger erfolgreiche Mobilisierungen gegen die FPÖ gab es seit ihrem Aufstieg unter Haider immer wieder. Als erstes wollen wir unsere Aufmerksamkeit einer Periode von antirassistischen Protesten widmen, die nicht direkt gegen die FPÖ gerichtet waren, aber eine bis zu diesem Zeitpunkt noch nie dagewesene kritische Öffentlichkeit für das Thema Rassismus in Österreich schufen. Im Anschluss an den Tod von Marcus Omafuma, der 1999 im Zuge seiner Abschiebung von drei Polizisten ermordet wurde, kam es zu großen selbstorganisierten Protesten der African Community und anderer migrantischer Netzwerke. Diese begannen, sich in Bündnissen und Zusammenschlüssen gegen den rassistischen Alltag in Österreich zu organisieren. Der zentrale Vorwurf war dabei, dass die regierende SPÖ durch ihre Asylrechtsverschärfungen ein rassistisches Klima schaffe, in dem solche Taten überhaupt erst entstehen.
«Im Anschluss an den Tod von Marcus Omafuma, der 1999 im Zuge seiner Abschiebung von drei Polizisten ermordet wurde, kam es zu großen selbstorganisierten Protesten der African Community und anderer migrantischer Netzwerke. Diese begannen, sich in Bündnissen und Zusammenschlüssen gegen den rassistischen Alltag in Österreich zu organisieren.»
Die Strategie der SPÖ gegen den Verlust von Wähler*innenstimmen an die FPÖ war es von Anfang an gewesen, diese rechts einzuholen, ein Umstand, der sich auch heute wieder beobachten lässt. Innerhalb der Dynamik dieser selbstorganisierten Kämpfe wurde Raum geschaffen für Themen wie das kommunale Wahlrecht für Migrant*innen, das damals als realistische Option auf dem Tisch lag, eine Forderung, die in Österreich heute undenkbar scheint. Obwohl diese Proteste in den späten 1990ern durch einen wahren Meilenstein der Repression, der sogenannten «Operation Spring», zerschlagen wurden, kam es auch in den folgenden Jahren wieder zu selbstorganisierten Refugee-Protesten, denen diese Kämpfe als Erfahrungsschatz dienten.
Dennoch konnte eine Regierungsbeteiligung der FPÖ im darauf folgenden Jahr nicht verhindert werden. Neben Sanktionen auf diplomatischer Ebene etablierte sich gegen die schwarz-blaue Regierung ab Februar 2000 ein wöchentlicher Protest (bekannt als «Donnerstagsdemos»), der das radikale Spektrum der linken Opposition vereinte. An diesen meist unangemeldeten und von Spontaneität geprägten Demonstrationen beteiligten sich jede Woche über 1000 Menschen. Durch die Beteiligung von Kunst- und Kulturschaffenden wurden sie popularisiert und boten so eine wichtige Plattform zur Vernetzung und Politisierung im Antifa-Bereich. Die Proteste gegen Schwarz-blau konnten so Teilerfolge vor allem im Bezug auf die Skandalisierung der NS-Vergangenheit in Österreich und ihrer Kontinuitätslinien in der FPÖ erzielen. Der Druck auf die Regierung blieb aber gering, sodass man ihr höchstens symbolische Zugeständnisse abringen konnte.
Als letztes Beispiel möchten wir uns den Protesten rund um den «Wiener Korporations-Ball» (WKR, seit 2012 «Akademikerball») in Wien widmen. Die Proteste gegen das damals noch wichtigste Stelldichein deutschnationaler Burschenschaften begannen als kleine militante Demonstrationen, die über einschlägige Szenekreise hinaus kaum Beachtung fanden. Über die Jahre hinweg wuchsen die Proteste gegen den Ball aber enorm an und das Spektrum erweiterte sich bis tief ins bürgerliche Lager. Das Bündnis NoWKR, welches sich im Zuge einer Repressionswelle vor dem Ball 2015 auflöste, begründete seine Auflösung damit, dass die Proteste ihr wichtigstes Teilziel – die Skandalisierung des Balles als rechtsextremes Vernetzungstreffen – zu diesem Zeitpunkt schon erreicht hatten. Dies drücke sich darin aus, dass der Ball an internationaler Wichtigkeit als rechtsextremes Vernetzungstreffen verloren hatte, dass der ehemalige Hauptveranstalter abgesprungen war, sowie in den immer weiter sinkenden Besucher*innenzahlen. Neben diesen abwehrstrategischen Erwägungen wurde in den Jahren nach 2012 auch versucht, den Ball als linksradikales Politisierungsmoment sowie als Plattform für Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen zu etablieren. Dieses Bestreben scheiterte jedoch am spektakelhaften Eventcharakter der Proteste, der gescheiterten Zusammenarbeit der verschiedenen Bündnisse sowie gegenseitigen Distanzierungen. Diese hatten zur Folge, dass der Protest in der Öffentlichkeit in einen «guten» und «bösen» Teil gespalten und seitens der bürgerlichen Medien, allen voran der linksliberalen Presse, delegitimiert werden konnte.
Kein Kraut gewachsen?
Eine Skandalisierung rechtsextremen Gedankenguts ist auf Grund der Stärke und Omnipräsenz der FPÖ sowie des historisch gewachsenen Konsens in Bezug auf deutschnationales Gedankengut nur mehr begrenzt möglich. Bemühungen in diese Richtung reichen oft nicht über das linke Spektrum hinaus. Die Erfahrung von selbstorganisierten Refugee-Protesten, wie sie seit den späten 1990ern, aber auch im Rahmen des Sommers der Migration stattfanden, liefert demgegenüber eine Perspektive. In diesen Prozessen werden Geflüchtete und Migrant*innen als politische Subjekte sichtbar, statt wie sonst als statistisches Zahlenmaterial behandelt zu werden. Auf diese Weise können Gegennarrationen über eine andere, solidarische Gesellschaft entstehen, und damit kann rechtspopulistischer Hetze das Fundament entzogen werden.
Die Frage, welche Bündnisse gegen die rechte Gefahr geschlossen werden sollten, ist auch in Österreich nicht vom Tisch. Möglichst breite Bündnisse können im besten Fall eine produktive innerlinke Diskussion vorantreiben und Raum zur Politisierung und Ausweitung geben. Von den Protesten gegen den WKR-Ball können wir lernen, wie wichtig es ist, dass sich alle Antifa-Spektren und Bündnisse als Interessengemeinschaft verstehen und einander solidarisch gegenüberstehen. Gegenseitige Distanzierungen bewirken oft das Gegenteil dessen, was als Ziel vorgegeben wird – nämlich die Legitimität des Protests in der Öffentlichkeit zu bewahren. Dafür ist es aber auch notwendig, gemeinsame Absprachen zu treffen und sich auf ein klares Ziel bereits im Vorfeld zu verständigen.
«Im Gegensatz zu den meisten Wahlen der letzten Jahre, wo im Vorfeld medial fast ausschließlich darüber gemutmaßt wurde, wie viele Wähler*innenstimmen die FPÖ diesmal auf sich vereinigen wird, ging es bei der letzten Gemeinderatswahl in Graz mehrheitlich um die Frage, ob ab 2017 eine Kommunistin das höchste Amt der Stadt bekleiden wird.»
Zu guter Letzt wollen wir noch ein lokales Beispiel von Strategien gegen Rechts auf institutioneller Ebene betrachten. Im Gegensatz zu den meisten Wahlen der letzten Jahre, wo im Vorfeld medial fast ausschließlich darüber gemutmaßt wurde, wie viele Wähler*innenstimmen die FPÖ diesmal auf sich vereinigen wird, ging es bei der letzten Gemeinderatswahl in Graz mehrheitlich um die Frage, ob ab 2017 eine Kommunistin das höchste Amt der Stadt bekleiden wird. Dieses in Österreich einzigartige Beispiel zeigt, wie durch eine konsequente Sozialpolitik (die KPÖ trägt seit 1998 mit Erfolg die Verantwortung für das Thema Wohnen in der Stadtregierung) der FPÖ, die von der KPÖ deutlich auf den dritten Platz verwiesen wurde, auf kommunaler Ebene entgegengetreten werden kann. Die FPÖ reagierte nach der letzten Gemeinderatswahl auf diesen Umstand, indem die Übernahme des Wohnressorts als Kernforderung an den Koalitionspartner ÖVP gerichtet wurde.
Was bei der Kommunistischen Partei in Graz aber leider fehlt, ist ein klares Bekenntnis gegen Rassismus und Nationalismus. Wie die Wähler*innenströme von der KPÖ zur FPÖ in den letzten Wahlgängen zeigen, ist die zentralistische Parteiform der KPÖ in Graz nur begrenzt dazu in der Lage, gesellschaftliche Ressentiments in Bezug auf Migration und Geschlechterrollen sowie das traditionelle Verhältnis von Partei und Bewegung nachhaltig aufzulösen. Hierin zeigen sich die Grenzen eines solchen Projekts. Trotz punktueller gegenseitiger Solidarität gestaltet sich das Verhältnis der KPÖ zu linksradikalen und autonomen Zusammenhängen eher schwierig. Aus wahltaktischen Gründen begibt sich die Partei nur äußerst selten auf politisches Terrain, das sich der eigenen Kontrolle entzieht. Um einen wirklichen Bruch zu befördern, bedarf es deshalb auch in Graz einer (Selbst-) Organisierung von unten, bei der uns die KPÖ höchstens den Rücken stärken kann.