Zerstochen, aber glücklich über das tiefe Surren, das ihnen den Weg zu einer großen Wabe geleitet hatte, teilten sie sich Honig, den sie ge­wandt mit ihren Zungen aus den klei­nen wachsenen Rauten schleckten. Ihre Wangen waren hohl, ausge­zehrt.

— Ist es nicht doch eine Utopie, ein ungeheuerliches Wagnis, auf das wir uns da einlassen? Gerade weil wir das Neue so wenig zeichnen kön­nen?

Anina, deren Augen klar und hart auf Karlow gerichtet waren, zögerte nicht, zu antworten:

— Wir leben in einem Gefängnis. Daß wir es einreißen müssen, Risse suchen und vergrößern, ist uns selbstverständlich, damit wir ein Wohnhaus dort bauen können.

Du hast recht, wenigstens müssen wir wissen, daß wir ein Wohnhaus an die Stelle des Gefängnisses stellen wollen.
Aber das wissen wir alle. Es ist nicht notwendig, einen genauen Plan des Wohnhauses zu haben, um zu begin­nen, das Gefängnis zu demolieren. Und wir haben die Kraft dazu und wissen, wie ein anständiges Wohn­haus aussehen könnte.
Wir sind hungrig. Hungrig nach Le­ben.

— Du bist moralisch...

Eine schnelle Handbewegung schnitt Karlows Einwand ab.

— Es ist äußerst gefährlich, heute nur noch mit Rationalität, statt mit huma­nitären Argumenten zu streiten. Das System ist nicht human, also sind radi­kale moralische Argumente nicht bloß verlogene Ideologie, sondern müssen auch zentrale gesellschaftliche Kräfte werden, weil sie als Verneinung des Systems nicht vereinnehmbar sind. Karlow wußte ihr nicht zu widerspre­chen.

...

Wir werden oft gefragt, warum wir der Auseinandersetzung mit dem Realsozialismus eine so wichtige Rolle zuschreiben. Nun, wir hoffen, daß wir mit dem zweiten Schwerpunkt zu diesem Thema ein klein wenig mehr zu dieser Antwort beitragen können:

Jeder genaue Blick zurück, ist ein Blick nach vorne!

Neben der Weiterentwicklung der historischen Kritik anhand der Länder Jugoslawien und China, haben wir uns vor allem auch über den Gastartikel zu Polen gefreut, der versucht, eine Sicht der „Menschen von unten“ auf die Thematik zu erheben.

Der Artikel zur Stasi sowie das Gespräch zur Ausreise aus der DDR zeigen vielleicht noch einiges Unbekannte und vor allem Unbequeme auf das Neufünfland.

Über Reaktionen jeder Art würden wir uns sehr freuen!

Wir? Gemeint sind wir alle, wenn hungerstreikende KurdInnen zusammengeschlagen werden. Wenn eine abenteuerliche, aber gefährliche Konstruktion die Radikal und andere Gruppen kriminalisieren will…

Wo sind wir alle, wenn VietnamesInnen vertrieben, Mumia hingerichtet wird? Ein Sterben an der Oder zur Regel wird?



Der Sommer im Jahre 1995 soll ein heißer gewesen sein!
Die Redaktion