lob der verzweiflung
es ist ein verzweifeltes tun
die verzweiflung herunterzumachen
denn die verzweiflung macht unser leben
zu dem was es ist
sie denkt das aus
vor dem wir ausflüchte suchen
sie sieht dem ins gesicht
vor dem wir die augen verschließen
keiner der weniger oberflächlich wäre als sie
keiner der bessere argumente hätte als sie
keiner der in erwägung all dessen
was sie und wir wissen
mehr recht darauf hätte als sie
zu sein wie sie ist
früh am morgen fühlt sie sich fast noch glücklich
erst langsam erkennt sie sich selbst
nach den ersten worten
die sie mit irgendwem wechselt beginnt sie zu wissen:
sie ist nicht froh
sie ist noch immer sie selbst
die verzweiflung ist nicht frei von launen und schwächen
ob ihr witz eine stärke oder eine schwäche ist
weiß sie selbst nicht
sie kann zornig sein
sie kann bissig und ungerecht sein
sie kann zu besorgt sein um ihre eigene würde
aber ohne den mut zur verzweiflung wäre vielleicht
noch weniger würde zu finden
noch weniger ehrlichkeit
noch weniger stolz der ohnmacht gegen die macht
es ist ungerecht die verzweiflung zu verdammen
ohne verzweiflung müßten wir alle verzweifeln.
erich fried
wir haben gelernt, d.h. in diesem fall besser, die disziplinierungen angenommen, zu rationalisieren, alles vermeintlicherweise oder zu vermeiden wollende vernünftig zu erklären, ja das klingt dann... (meine heftigste kritik an der herangehensweise von ziehvater marx ist, daß er so wenig über Lust und leid geschrieben hat...).
warum heute mehr riskieren?
heute wird die vertiefung in eine sache oft mit verbalisiertem hinaushadern verwechselt. in der zeit der nachgeborenen, ich ahne, daß es als alibi, entschuldigung oder ausstieg dient, sei so vieles unklar zwischen uns.
selbst parolen auf demos wirken meist unterdrückt (selten zart) oder hysterisch (selten kraftvoll)
auf den ersten blick klingt das widersprüchlich,
doch: wir sind nicht alle, wer die anderen sind müssen wir noch herausfinden, oder besser: wir, die nach veränderung sich sehnen, sind mehr als die sogenannten politisch aktiven, aber: wie erreichen wir etwas gemeinsam?
treuhand, sozialer abbau, faschismus… der widerstand oft so unbeholfen, so ängstlich
die alten verknorrten erfahrungen taugen nicht mal mehr als wärmendes feuerholz in der nacht. (und von anderen hügeln erblickten sie es und lächelten – vielleicht kitschig, aber von der letzten großen nolympia-demo waren alle bekannte zuerst von den schwarzvermummten fackelträgern auf einem dach bewegt)
nein es geht nicht um neue mythen, mit zersetzender rationalität gegensätze von argumenten, auch ersetzen die aus der erkenntnis der defensive ausgetüftelten und mühevoll erarbeiteten agit-propaktion nicht das gefühl der gemeinsamen gefahr, die gemeinsam gelöst wird, der gemeinsame ausbruch aus den strukturen wird höchstens symbolisch und verkopf sichtbar.
wann den gewalttätigen ausbruch spüren… für sekunden vielleicht nur, aber auch nach außen.
ziel einer demo war es schon einmal die menschen auch mit geplanter gewalt in die illegalität zu führen, die entscheidung zu versinnlichen, direkter zu machen, aufzuzwingen.
das ist gescheitert, zurecht… weil objekthaft und arrogant, die verschiedenen formen und schmerzgrenzen, möglichkeiten und hindernisse nicht beachtend – bei jedem und jeder so unterschiedlich eformt – oder vielleicht schon, aber hierarchisierend. aber auch in diese richtung tut uns ein neues denken not.
vor sicht.
da war das hochstilisieren der guerilleros angenehm. wir brauchen heldinnen, am besten soweit weg, daß sie an unserer stelle kämpfen, ein prost im zurücklehnen, denn eigentlich…
die strategie des feindes: das herausheben der bewaffneten, das kreieren eines mythos, einer aura des eiskalten, legitimiert nicht nur repression und überwachung.
gefährlich wird es für uns, wenn wir diese propaganda glauben, egal von welcher seite: rein militärisch hatten wir in den letzten jahren keine chance, das herausheben dieser art zu kämpfen löste, distanzierte und schuf auch falsche gräben zwischen den sozialen kämpfen, zudem von innen, weil die bewaffneten die sonderrolle auch manchmal eitel, weil sich zu selbst zu wichtig nehmend,
weil verzweifelt,
annahmen, die viele auch von uns ihnen dankbar entgegenstreckten.
auch das nicht-trennen von politischer gewalt und militanz im autonomen politikverständnis verhinderte eine entwicklung.
wenn wir heute nicht über unsere eigenen ängste sprechen hat das viele gründe: das vertrauen, das zwar den politischen diskurs des anderen, aber nicht sein schmerzverzerrtes gesicht, (wir lachen zuweilen gemeinsam), kennt, fehlt.
so entzieht sich die basis dem diskurs.
selbstzensur und tabu sind schon zu verbal gedacht
tiefer.
wir waren mit dem persönlichen als politischem schon einmal weiter, aber:
diese kategorisierung wird kaum angetastet. das soziale, gemeinsame denken und handeln wird dadurch selten gestärkt. nach spätestens drei argumenten mußt du doch einsehen… das kratzt nicht mal die oberfläche.
die linke schreibt, diskutiert, seminiert: allein die versinnlichung, eine nicht nur auf einer rationalen analyse beruhenden anziehungskraft (damit meinen manche fälschlicherweise utopie und verbauen damit den gemeinsam zu suchenden weg…) fehlt, etwas, was die vielgescholtenen (damit möchte ich beispielhaft zwei extremen respekt zollen, aber auch distanz betonen: der flüchtenden selbstkasteiung der aufrechten&kargen antiimperialistischen und der kurzsüchtigen, -sichtigen vorwegbefreiung der narzißtischen spontis)
uns zum teil voraus hatten:
ein lebensgefühl.
doch schon darüber schreiben zeigt die ahnungslosigkeit eines gangbaren weges.
gewisse ahnungen entziehen sich unserem politischen selbstverständnis weniger denn unserem diskurs.
wenn wir nicht über unsere ängste, unsere zweifel sprechen, werden wir unmenschlich und verlieren unsere stärkste waffe.
zumal; angst ist nicht unbegründet: welche strukturen hielten jetzt den genossen im knast noch aus? wer sieht uns dort als teil nicht im abseits, verloren, isoliert? die angst, jahre allein hinter gittern, wann?
angst ist keine grundlage emanzipativer politik
vor der psychatrisierung: den knast in den kopf setzen
noch können wir es uns aussuchen, die schritte sind zum großen teil bewußt, das risiko kalkulierbar.
darin genau liegt aber die chance und die gefahr.
gerne würde ich mehr über unsere ängste sprechen, wie ihr es vielleicht erwartet habt. allein, ich will und kann es nicht:
hier ist nicht der ort für einen erst schritt. danke wenn du weißt warum.
das lamentieren über unsere eigene befindlichkeit blockiert seit jahren in der linken vieles, da es nicht als solches verstanden wird. von dieser sicht ist der text umgekehrt.
understand?
schmerz gebäre tat!
einmal hatte dieter, der fahrer des senderwagens, auf einer arbeitsreise, tief besoffen zu proff gesagt, also mal ehrlich seh ich das so, wenn ich nur einen einzigen tag genau das tu, von morgens bis nachts, was ich am alllerliebsten für richtig halte, dann würd ich am zweiten tag oder abends schon vorher abgehen auf lebenslänglich. sie hatten noch lange geredet, warum wir nichts tun, das liebste. und es war alles angst gewesen, die lust auf ein langes leben.
proff hatte sich aber die seltsame wendung im reden des alten, dies angeblich falsche deutsch als die wirklich erst treffende sprache, gemerkt, am allerliebsten für richtig halten. dieser mann muß verstanden haben, daß unser richtiges ding mit der liebe zu tun hat.
aber das ding mit der liebe. in alles leben verliebt, kannst du leicht versacken, so versoffen mag dich auch pack.
dann
wenn dein glück
kein glück mehr ist
dann kann deine lust
noch lust sein
und deine sehnsucht ist noch
deine wirkliche sehnsucht
auch deine liebe
kann noch liebe sein
beinahe noch glückliche liebe
und dein verstehen kann wachsen
aber dann will auch
deine traurigkeit
traurig sein
und deine gedanken
werden mehr und mehr
deine gedanken
du bist dann wieder du
und fast zu sehr bei dir
deine würde ist deine würde
nur dein glück
ist kein glück mehr
e.f.