Der Ökofeminismus hat einen schlechten Ruf. Er riecht nach Patchouli und Teebaumöl und dann ist da noch dieser ganz und gar unzeitgemäße Perlenvorhang, hinter dem vermutlich die Frau aus dem Bioladen Weihrauch ankokelt.
Gäben wir ihm einen anderen Namen, würde sich dieses verrufene Konzept vielleicht in etwas weniger Fragliches verwandeln: denn Ökologie und Feminismus, das sind eigentlich zwei Komplexe, die ihre Existenzberechtigung in weiten Teilen der Linken errungen haben. Natürlich hat es dabei Brüche und Paradigmenwechsel gegeben: Dem Ökofeminismus wird nachgesagt, er sei hoffnungslos im Differenzfeminismus hängengeblieben und esoterisch dazu. Von der Ökobewegung distanziert man sich als grundsätzlich aufgeklärte linksradikale Person ebenso instinktiv, weil Hippies nicht zur Revolution taugen, sondern reaktionäre Bürgis seien, die (im schlimmsten Fall) weiß sind und Dreadlocks tragen. Beide sind auf ihre Weise reaktionär. Es ist alles ein Schlamassel, vor allem wenn die Klimaapokalypse vor der Türe steht und das Wetter mal wieder ein bisschen zu schön ist, um keine Falle zu sein.
Kaum eine*r weiß, was zu tun sei. Wenn ein Independent Kino in Neukölln Kurzfilme zu Techno-Schamanismus zeigt, um alternative Ökologien und Feminismus heraufzubeschwören, ist die Warteliste endlos (vielleicht weiß ja da jemand mehr?!), die Bio-Supermärkte sind billiger, omnipräsenter und voller denn je und die Allheilmittel gegen den Klimawandel gehen weg wie Ablassbriefe oder warme Semmeln – denn einkaufen für den Klimaschutz geht immer.
Alles ist verändert, alles wird sich ändern und das Wetter ist eben auch nicht mehr, was es einmal war. Der Endlossommer der Kindheit ist zum Alptraum geworden und Teebaumöl ist nicht die Antwort.
Es scheint, als würde sich die Lücke nur sehr langsam schließen, die durch das Misstrauen gegen die Ökobewegung der 1970er und 1980er Jahre entstanden ist. Seitdem hat sich nicht nur die geopolitische Lage radikal geändert, sondern auch die politischen Praxen und Moden. Der Mainstreamfeminismus ist queerer geworden, die Ökobewegung technologischer. Die «Rückkehr zur Natur» (back to nature) kommt in beiden Fällen nicht mehr in Frage. Weder die Rückkehr zu ursprünglichen, biologisch-determinierten Geschlechtern, noch die vermeintliche ‹Rückkehr› in unberührte (deutsche oder, wenn‘s denn sein muss, «exotische») Wald- und Berglandschaften, in denen auch «noch alles in Ordnung» ist oder zumindest wieder in Ordnung kommen wird. Es gibt in beiden Fällen keine Rückkehr, die die Veränderungen rückgängig machen würde oder könnte, die in Kultur und Umwelt stattgefunden haben (we cannot make it great again).
«Diese Wahrnehmung der Natur und ihres ‹Aufbegehrens› hat durchaus etwas mit Geschlechterverhältnissen und anderen Herrschaftsstrukturen zu tun. Und diese Wahrnehmung macht den Ökofeminismus nicht nur salonfähig, sondern zu einer wichtigen analytischen Perspektive, die unbedingt aktualisiert werden sollte.»
Die sogenannte ‹Natur›, umgestaltet und gebrochen von menschlicher Zivilisation, äußert sich zu den Entwicklungen mit Artensterben, der Versauerung und Vermüllung der Ozeane, sich ausbreitenden Wüsten und und und. Sie scheint zur Bedrohung für ‹die Menschheit› geworden zu sein, anstatt, wie es sich gehört, hübsch auszusehen, sich fotografieren zu lassen und nett im Hintergrund zu bleiben. Diese Wahrnehmung der Natur und ihres «Aufbegehrens» hat durchaus etwas mit Geschlechterverhältnissen und anderen Herrschaftsstrukturen zu tun. Und diese Wahrnehmung macht den Ökofeminismus nicht nur salonfähig, sondern zu einer wichtigen analytischen Perspektive, die unbedingt aktualisiert werden sollte.
Für diese Aktualisierung braucht es keine Rückkehr zum Differenzfeminismus, welche Meinung mensch auch immer zu ihm haben mag. Es reicht die Einsicht, dass sowohl Klimawandel als auch Geschlechterverhältnis herrschende Zustände sind, die die Lebensbedingungen von Menschen auf dem gesamten Globus determinieren und dabei Frauen, arme Menschen und People of Color überproportional hart treffen. Ihnen ist die patriarchale und koloniale Zuschreibung gemeinsam, sie seien «unzivilisiert» oder «hysterisch», bedrohlich in ihrem Begehren nach Luxusgütern und Konsumgütern – die für Herrschende selbstverständlich sind – und potentiell schwer kontrollierbar, weshalb dann auch entsprechende Disziplinierungen zum Einsatz kommen, um dieses Herrschaftsverhältnis als solches abzusichern. Kaum ist das Verhältnis hergestellt (ein Unterfangen zugegebenermaßen historischen Ausmaßes) sind diejenigen, die unterworfen wurden, nur noch für ein paar Dinge zu gebrauchen: Arbeit, Sex.
Oder im Falle der Natur allgemeiner: Ressourcen. Allen diesen Verhältnissen – vom Geschlechterverhältnis über den rassifizierten Neokolonialismus bis hin zum Verhältnis zur Natur – ist gemeinsam, dass sie zweckmäßig hergestellt sind.
Die Begriffe «Umweltrassismus» (environmental racism) und «Umweltsexismus» (environmental sexism) sind ein Versuch, analytische Verbindungen zwischen den Effekten des Klimawandels und den gesellschaftlichen Verhältnissen zu ziehen. Sie können beschreibbar machen, was wir schon ahnen: Dass diejenigen am meisten unter dem sich ändernden Klima und seinen katastrophenartigen Effekten leiden werden, die auch jetzt schon am stärksten von Ausbeutung, Armut und Gewalt betroffen sind. Bevölkerungsgruppen, die nicht genug Geld haben, um sich aus kontaminierten Gegenden «freizukaufen», Menschen, die nicht mobil sind, weil sie Kinder und Ältere versorgen und pflegen müssen oder solche, bei denen «Klimaflucht» keine legitime Angabe eines Grundes ist, wenn sie den Ort/Staat zu verlassen gezwungen sind, an dem sie bisher lebten.
Aber sicherlich reicht die abstrakte Empörung über das, was im Globalen Süden passiert und passieren wird nicht aus, um in Deutschland politische Gruppen zu mobilisieren. Die Effekte des Klimawandels erreichen uns meist nicht in der Wucht, die sie andernorts haben, und das macht ihre Wirkungsweisen rätselhafter und weniger greifbar. Wenn der einzige Effekt ist, dass der Kirschsaft oder die Kartoffeln im Supermarkt teurer werden oder ein klein bisschen der doch so im Übermaß vorhandenen Waldfläche gerodet wird, oder der Sommer ein bisschen unheimlich lang wird, dann scheint es eine plausible Antwort zu sein, abzuwarten und Bio-Tee zu kaufen. Es ist die Betroffenheit, das Getroffenwerden, das die Dringlichkeit zum politischen Handeln und die Art des politischen Handelns hervorbringt. Wenn die Beschränkung des Konsums und der Konsumgüter die (vorläufig) erste Konsequenz sind, die wir zu spüren bekommen, ist die Reaktion, den Konsum zu verändern (Urban gardening, vegane Ernährung, Boykotte, bio und regional kaufen), aber meistens nicht, das politische Handlungsfeld drastisch zu erweitern und in die schon bestehenden Politisierungen miteinzubeziehen.
«Trotz Fluchtpolitik, Antifeminismus und heftiger werdender neoliberaler und rechter Politiken gibt es zeitgleich eine verklärende Erzählung von ‹der Menschheit›, die in ihrer Einheit gegen ‹die Natur› steht. Als ob wir nur Bruce Willis als selbstverständlichen (weiß/männlich/able-bodied) Vertreter hervorpressen müssten, um das externalisierte Problem zu lösen.»
Die Position des Ökofeminismus ist nicht etwa deshalb wichtig, weil weibliche Wesen ‹von Natur aus› antikapitalistisch oder stärker an der Pflege von Umwelt_en interessiert wären, sondern weil er sich die Verschränkung von Geschlechterverhältnis und Natur, Geschlecht und Naturalisierung vornimmt. Darüber hinaus kann Ökofeminismus sowohl die konkreten demographischen Effekte von bestehender oder nicht bestehender Klimapolitik beschreibbar machen. Die Ausbeutungsverhältnisse, die entlang der Linien von Rassifizierung, Vergeschlechtlichung und entlohnter bzw. nicht entlohnter Arbeit entstehen, werden sichtbar, weil sie in ein Verhältnis gesetzt werden: wer zur Natur gezählt wird, nicht «kultiviert» genug ist, kann ausgebeutet, degradiert und entmündigt werden, denn was ‹Natur› ist, steht zur Verfügung. Paradoxer- und verwickelterweise ist in Zeiten des Klimawandels und der zunehmenden Panik um selbigen der «One-worldism» wieder angesagt. Trotz Fluchtpolitik, Antifeminismus und heftiger werdender neoliberaler und rechter Politiken gibt es zeitgleich eine verklärende Erzählung von ‹der Menschheit›, die in ihrer Einheit gegen ‹die Natur› steht. Als ob wir nur Bruce Willis als selbstverständlichen (weiß/männlich/able-bodied) Vertreter hervorpressen müssten, um das externalisierte Problem zu lösen. Es gilt DIE WELT zu retten. Dass die Welt, ergo die menschliche Zivilisation, mitnichten eine homogene Masse ist, ist dabei irrelevant. Dass es diese gleichen Helden der Geschichte waren, die endlose Mengen an Treibstoff und Ressourcen verblasen haben, um gleichsam ‹Neues› zu ‹entdecken›, zu erobern und zu erforschen, und auf wessen Kosten das gegangen ist, spielt in diesem Narrativ keine Rolle. Es sollte aber in einem emanzipatorischen Narrativ und seinen konkreten politischen Konsequenzen eine Rolle spielen. Nicht nur als abstraktes Gedankenspiel, sondern weil es keine Antworten auf die ökologische Lage unserer Zeit gibt, die nicht in sich schon mit der Ausgestaltung menschlicher Gesellschaften verbunden wären. Anders gesagt: Es kommt nicht von ungefähr, dass weltweit rechtskonservative Regierungen rassistische und sexistische Agenden im gleichen Atemzug mit Klimawandelleugnung hervorbringen. Am Ende trifft es all diejenigen, deren ‹Natur› (also naturalisierte soziale Rolle) ihre Funktion und/oder ihren Wert bestimmt. Wenn wir uns nicht aus diesem Verhältnis lösen und es transformieren können, können wir auch ‹die Welt›, ‹die Natur› und ‹das Klima› nicht retten. Für diejenigen, die meinen, um den Feminismus, diese Gendersache und die Sache mit dem Rassismus könne mensch sich ja später, nach der Weltrettung, noch kümmern, ist diese Perspektive vermutlich unangenehm. Es ist ebenso wenig Zeit für Frauen*, die Erde zu bemuttern und zu besänftigen, wie es Zeit für Männer* ist, sie durch noch mehr Technologie und Wissenschaft (wieder) unter Kontrolle zu bringen.
Beide ‹Lösungsansätze› sind eher Ausdruck ideologischer Irrungen als realistische Strategien, die die Verbesserung von Lebensbedingungen möglichst Vieler im Sinn haben, nicht-menschliche Lebewesen eingeschlossen. Die intersektionale Perspektive ökofeministischer Ansätze macht es wahrscheinlicher, dass Natur und Zivilisation sich nicht gegenseitig ausschließen, weil sie es versteht, die Selbstverständlichkeit, mit der in der Klimadebatte über Geschlechterverhältnisse und Ausbeutungsmechanismen hinweggegangen wird, als ideologisch zu benennen. Aus ökofeministischer Perspektive sind Technologie und wissenschaftlicher Fortschritt allein nicht die Antwort auf den Klimawandel, weil sie selbst Bestandteil patriarchaler Logiken sind und mitnichten neutral-rettend in ihrem Wirken oder ihren Ergebnissen. Naturbeherrschung bedeutet immer auch Beherrschung derjenigen, die der Natur zugeordnet werden. Zum Narrativ Rettung durch bessere Beherrschung gehören auch bevölkerungspolitische Mittel, Ressourcenverteilung, Militarisierung und Technologisierung/Digitalisierung, die oft als technologische Antworten auf genuin soziale Probleme präsentiert werden.
Die Beschneidung reproduktiver Rechte (und ihre rassistisch-eugenischen Dimensionen) etwa gehört ebenso zum Repertoire der Bestrebungen, das Klimaproblem auf andere, gewaltsamere Weisen zu ‹lösen›, wie die Behauptung, die Welt sei eben überbevölkert – aus der eigentlich notwendigerweise die Fragen erwachsen, wer denn dann weg soll und was dieses weg bedeuten mag, welche Gruppen oder Menschen lieber keine Kinder mehr in die Welt setzen sollten und was das für diejenigen bedeutet, die diese Kinder gebären und versorgen. Sowohl die Verklärung des Sozialen als ‹natürlicher Gang der Dinge› als auch die Verklärung ‹der Natur› als vom Menschen losgelöstes Phänomen verkomplizieren den Weg zu einem emanzipatorischen Umgang mit beiden. Wir kommen daher nicht umhin, sowohl die aus der Verklärung entstandenen falschen Schlüsse als auch die verkehrten Loslösungen verstehen zu müssen, bevor wir Lösungen entwickeln können.
Also sind hier einige der häufig auftauchenden Annahmen und Lösungsvorschläge, die im Zusammenhang mit der ökologischen Krise gemacht werden:
- «Die Technologie wird uns retten.» Wer ist ‹uns›, was bedeutet das für das Verhältnis zur Umwelt? Wer profitiert davon zu welchem Preis?
- «Es gibt zu viele Menschen auf der Welt, um das Problem zu lösen.» Wer ist zu viel in dieser Logik und gegen wen richten sich die Maßnahmen, die eine solche Auffassung zur Konsequenz hätte?
- «Wir müssen nur anders einkaufen!», also die individuelle Auflösung durch ‹ökologischen Konsum›, in der im Kauf die Regulierung von Angebot und Nachfrage imaginiert wird. Konsum ist hier als politisches Handeln gedacht, das individuell und kollektiv zur Verbesserung sowohl der Gesundheit als auch der ökologischen Situation beiträgt.
- «Wenn Frauen* die Welt regierten, ließe sich das Gleichgewicht wiederherstellen.» Sind Frauen* also von Natur aus naturverbundener, ethischer, liebevoller und sorgender oder ist es nicht ebendiese soziale Rolle, die sie in Bedrängnis bringt?
Dass die ersten zwei eine große Rolle in den kommenden Jahren spielen werden, zeichnet sich schon ab und sie werden in die Tat umgesetzt. Das letztere ist wohl eine eher unwahrscheinliche Variante, dazu ist der Antifeminismus paradoxerweise dann doch zu stark, als dass genug Menschen es glauben würden.
Ökofeminist*in sein würde bedeuten, all diese Varianten zu hinterfragen und ihnen Politiken und Praxen entgegenzusetzen, denen eine Solidarisierung mit all jenen gelingt, deren Entmündigung Bestandteil einer rechtskonservativen (Klima- und Öko-)Politik ist und in Zukunft noch mehr sein wird. Das bedeutet auch, einen neuen Ort im Koordinatensystem von Natur, Umwelt und Gesellschaft zu finden, von dem aus der falsche Antagonismus zwischen ‹uns› und ‹denen›, ‹der Natur› und ‹der Menschheit› sichtbar wird. In wessen Interesse liegt es, bestimmte Teile der Natur zu bewahren, während andere zerstört werden (zum Beispiel Orchideen: ja, Moore: nein), bestimmte Teile der Menschheit zu schützen, während andere verdursten, von Smog, Blei und Strahlung vergiftet werden und verarmen? Hier wird der Wert von Leben festgelegt.
«Ressourcenpolitik als Bestandteil rassifizierender, vergeschlechtlichender, ökonomischer und speziezistischer Logiken zu begreifen bedeutet, politische Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, wo im Moment kaum mehr als ratlose Ohnmacht ist.»
Eine ökofeministische Haltung würde bedeuten, diese Parallelen im Blick zu behalten und nicht als von der Klimakrise getrennt wahrzunehmen. Ressourcenpolitik als Bestandteil rassifizierender, vergeschlechtlichender, ökonomischer und speziezistischer Logiken zu begreifen bedeutet, politische Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, wo im Moment kaum mehr als ratlose Ohnmacht ist. Weil so die sozialen Kämpfe verändert werden können und einen Kontext bekommen, der weit klarere solidarische Linien hat und ein deutliches Bewusstsein für die übergreifende solidarische Verbundenheit, die ebenfalls ein Effekt der Klimakrise sein könnte. Die Effekte, die sie hat, sind mitnichten nur ‹natürlich› (steigender Meeresspiegel, Extremwetterlagen, Ausbreitung von Wüsten), sondern in direkter Folge politisch und sozial. Sie werden dort am konkretesten, wo Menschen am dringendsten auf natürliche Ressourcen angewiesen sind und umgekehrt dort, wo Menschen am stärksten als ‹natürliche› Ressource ausgebeutet werden.