Während die Landwirtschaft sehr direkt vom Klimawandel betroffen ist, hat sie gleichzeitig einen erheblichen Anteil an seiner Entstehung. Dies gilt besonders für die Tierproduktion, die über 80% der globalen landwirtschaftlichen Flächen beansprucht. Durch ihren Einfluss auf die Art und Weise der Landnutzung und Biodiversität trägt sie dazu bei, dass die Folgen des Klimawandels immer schwerer abzufedern sind. Ohne eine drastische Reduktion der globalen Tierproduktion wird Klimagerechtigkeit nicht möglich sein. Dies ist mittlerweile wissenschaftlicher Konsens.
«Obwohl Deutschland alles andere als ein Flächenland ist, ist es der viertgrößter Fleischexporteur weltweit und der größte in Europa.»
Viele verweisen an dieser Stelle auf die Verantwortung der Konsument*innen. Uns von Animal Climate Action (AniCA) ist es wichtig, stattdessen auf die Produktion zu blicken. Riesige Flächenländer wie Brasilien und die Usa sind traditionell große Exporteure von Tierprodukten. Obwohl Deutschland alles andere als ein Flächenland ist, ist es der viertgrößter Fleischexporteur weltweit und der größte in Europa.
Die deutsche Tierindustrie kann den Flächenländern nur aufgrund der hohen räumlichen Konzentration der Betriebe und einer extremen Ausbeutung der darin tätigen Menschen und der Tiere Konkurrenz machen. Dabei ist die deutsche Tierindustrie auf Importe von Futtermitteln besonders aus Südamerika angewiesen. Für die exportierenden Regionen bedeutet dies oftmals riesige Monokulturen auf Flächen, wo zuvor Regenwald stand – bei gleichzeitiger Verdrängung indigener Gruppen und Arbeit unter prekären Bedingungen.
Global gesehen ist eine radikale Reduktion der Tierproduktion also aus verschiedenen Gründen dringend nötig. Wir plädieren für eine Abschaffung der Tierindustrie, insbesondere im globalen Norden, den wir in der klaren Verantwortung sehen.
Herausforderungen einer Landwirtschaft ohne Tierindustrie
Eine Gesellschaft, die Klimagerechtigkeit anstrebt, muss sich auf große Transformationsprozesse einlassen. Die Abkehr von der Tierproduktion stellt ganz klar auch eine einschneidende Anpassung dar, welche verschiedene Herausforderungen mit sich bringen wird. So wird etwa tierischer Dung kaum noch zur Verfügung stehen, chemische Dünger sind im Sinne der Vermeidung fossiler Rohstoffe keine Alternative.
Manche Regionen werden stärker von den Folgen dieser Transformation betroffen sein als andere, da sie wirtschaftlich besonders stark von der Tierproduktion abhängig sind. Diese benötigen im Sinne der Klimagerechtigkeit besondere Unterstützung. Wir dürfen die Betroffenen nicht allein lassen, sondern müssen an konkreten alternativen Entwicklungen arbeiten. Dabei sollte nicht die Allgemeinheit die Kosten der Transformation tragen müssen, sondern die Tierindustrie, die jahrzehntelang Profite auf Kosten des Klimas, der Arbeiter*innen und der Tiere erwirtschaftete. Sie muss daran gehindert werden, ihre Standorte ins Ausland zu verlagern.
Kampf für eine solidarische und ökologische Landwirtschaft ohne Tierindustrie
Wir dürfen vor den praktischen Herausforderungen, die die Abkehr von der Tierproduktion mit sich bringt, nicht die Augen verschließen. Der Wandel ist praktisch möglich, denn Alternativen existieren bereits: Das Biologisch-Vegane Netzwerk für Landwirtschaft und Gartenbau setzt sich schon lange mit den Möglichkeiten tierloser Landwirtschaft auseinander (siehe www.biovegan.org). In Deutschland gibt es einiger dieser Betriebe, die zum Teil seit über 35 Jahren bio-vegan wirtschaften. Dies ist auch in anderen Klimazonen möglich: Im Panhellenic Biocyclic Vegan Network etwa haben sich diverse griechische Betriebe zusammengeschlossen, die diese Anbauform erfolgreich praktizieren.
Es gibt eine lange Tradition von sozialen Bewegungen gegen die Tierindustrie, sowohl im kleinbäuerlichen Bereich (La Via Campesina), als auch in der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. In der Klimagerechtigkeitsbewegung in Deutschland ist das Thema Tierproduktion noch unterrepräsentiert. AniCA versucht seit 2015 das Thema auf die Klima-Agenda zu setzen und aktivistisch zu bearbeiten. Wir sind überzeugt davon, dass ein bewegungsübergreifendes Vorgehen dringend nötig ist. Auf einer Aktionskonferenz werden wir im Juli mit Akteur*innen aus verschiedenen Bewegungen eine große Mobilisierung gegen Tierproduktion in 2020 planen, als Teil der europaweiten Klimagerechtigkeitskampagne «By 2020 We Rise Up».