Es ist mehr als offensichtlich, dass sich das Klima weiter verändern wird und wir uns bereits an diese Veränderungen anpassen, die Ergebnis menschlichen Handelns sind. Und wir wissen, dass diese Veränderungen eine anthropozentrische Klimakrise sind, eine Zivilisationskrise. Deshalb stellt diese Situation der Klimakrise und der Zivilisationskrise ein Problem für das Leben aller Spezies dar. Eine Zivilisation, die den Planeten in eine Krise versetzt, versetzt sich selbst und ihre eigenen Visionen, Vorstellungen, Praktiken und Macht in eine Krise.

Die Lehren der folgenden Reflexion stammen aus einer Gemeinschaft, genauer aus dem Volk der Quispillacta von Ayacucho, einer indigenen Bevölkerungsgruppe aus der Provinz Cangallo, Region Ayacucho, in Peru. Sie leben auf einer Fläche von 21.680 Hektar und haben eine Bevölkerungsgröße von 4.175 Einwohner*innen. Quispillaccta hat 13 Örtlichkeiten in zwei Talsenken: dem Pampas Flussbecken und dem Cachi Flussbecken.

Es gibt mehrere solcher Gemeinschaften im Land. Den Schwerpunkt legen wir auf dieses Volk, da wir es kennen und seine Erlaubnis zum Schreiben haben. Außerdem ist es sehr gut in seiner Praxis das gute Leben wiederherzustellen und soll so als Beispiel für eine Alternative zur Entwicklungspolitik dienen.

Die Bedrohung durch den «Extraktivismus» des Bergbaus ist konstant im ganzen Land. Das Versprechen des «Neo-Extraktivismus» ist es, in die Abbauzonen selbst zu investieren, anstatt nur Mineralien zu gewinnen und somit vermeintlich Wohlstand und Fortschritt zu fördern und Armut zu überwinden. In Wirklichkeit hinterlässt es mehr und neue Armut bei Mensch und Natur, wenn unfruchtbares Land und kontaminiertes Wasser zurückgelassen werden.

«Die Klimakrise in diesen Zeiten ist eine Manifestation eines Bruches in der Beziehung zwischen dem Menschen und der Natur.»

Die Klimakrise in diesen Zeiten ist eine Manifestation eines Bruches in der Beziehung zwischen dem Menschen und der Natur. Die Menschen haben die Natur so sehr objektifiziert, dass sie sie hauptsächlich wie ein Produktionsmittel oder eine natürlich gegebene Ressource behandeln. Voraussetzung dafür ist, dass sie die Natur, in dem Wunsch nach Reichtum, allen möglichen Verwüstungen unterwerfen können und, dass es einen immerwährenden Weg dafür geben wird. Dabei wird der Natur der Charakter als lebendiges Subjekt abgesprochen, von dem man lernen und dem man danken kann. Indigene Bevölkerungen sehen sich hingegen vielmehr in einer Interaktionsbeziehung zwischen Subjekten. Für viele ist beispielweise Wasser ein Lebewesen, das aufgezogen, gepflegt, geschätzt, respektiert wird und sogar als Mutterwasser angenommen wird, wobei Menschen als ihre Kinder gesehen werden.

Wenn sich die Art und Weise, wie die Natur behandelt wird, nicht ändert, ist jeder Kampf, jede Handlung oder Anstrengung ungültig. Wir können nicht mit der räuberischen oder neo-extrativistischen Mentalität bis ins Unendliche fortfahren und verantwortungslos annehmen, dass alle Natur dem Menschen unterliegt. Dabei bleibt unbeachtet, dass es möglicherweise auch ein Recht der Natur darauf gibt einfach Natur zu sein, ein Recht des sauberen Wassers darauf sauberes Wasser zu sein.

Der  Versuch, die Nutzung oder Ausbeutung eines Minerals wie Braunkohle einzustellen, ohne die dominante Beziehung und das ausbeuterische Naturverständnis ändern zu wollen, ändert nicht viel, da andere Güter der Natur ständig und kumulativ ausgebeutet werden.

Indigene Völker vermerken, dass es nicht ausreicht, die Natur weniger auszunutzen, sondern es nötig ist, sie zu respektieren und zu lieben. Darüber hinaus berücksichtigt die Entwicklung nur die Anhäufung von Wohlstand einiger weniger Menschen und ist zum Nachteil der Mehrheit der Gesellschaft und der Natur selbst. Dieses anthropozentrische Modell zerstört den Planeten. Gemeindemitglieder hingegen sind der Ansicht, dass der Mensch nicht das Zentrum ist, sondern ein Züchter des Lebens.

Vielleicht ist die Aufgabe, das Klima zu verbessern oder die Misshandlung der Natur zu stoppen eine gigantische Aufgabe, aber wir können auf Kriterien hinweisen, die sich aus der Praxis vieler indigener Völker ergeben haben, die diese respektvolle und liebevolle (zärtliche) Beziehung zur Natur nicht verloren haben:

1) Ein wichtiger Punkt ist, dass jedes Gebiet sein eigenes Klima hat, seinen Weg sich als Natur zu verhalten und Menschen Teil dieses Gebietes sind. Aus den Bedingungen dieses Gebietes entstehen eine Kultur, Weisheit, Philosophie und Technik. Aus diesen einzelnen Gebieten, deren Geographie und Ökosystem, gilt es, die Probleme der Klimakrise zu verstehen und von dort aus nach Möglichkeiten der Anpassung an die Klimakrise zu suchen. Um diese zu verstehen und darauf zu reagieren, braucht es Beobachtung, Erstaunen, direktes Gespräch oder Werkzeuge, die den Dialog zwischen dem wirklichen Leben und dem geschaffenen Recht ermöglichen. Jede Übertragung von einem Gebiet auf ein anderes ist ein Akt der möglichen Dominanz und steht im Gegensatz zu einem gegenseitigen Lernen. So ist es ungesund vorzutäuschen, dass die Art und Weise, wie man sich mit dem Klima in Verbindung setzt, in einem Territorium in Peru vergleichbar sei mit irgendeinem Gebiet in Deutschland. Dennoch ist es möglich, voneinander zu lernen. So hat die Gemeinschaft Quispillacta in Ayacucho, Peru, zum Beispiel in Angesicht der Wasserkrise, aus ihrem eigenen Wissen Wege für Züchtung, Anbau und Ernte von Regenwasser gefunden. So werden mehr als 100 Seen gefüllt, dessen Wasser für die Menschen in der Stadt und auf dem Land, Tiere, Kulturpflanzen und die Feuchtigkeit der Berge genutzt wird.

2) Es kann ein Weg sein, sich das Ganze vorzustellen, die Internationalität oder das «Uni»versale. Wenn das Universelle existiert, dann ruft uns dieses «uni», das Einzige oder das Eine, ins Gedächtnis, dass das ganze Wissen eins sei und die Anderen müssen aus Unwissen nur dieses Eine lernen. Es scheint als wäre das, was wirklich existiert vielmehr eine «Di»versität, «Multi»versalität oder «Inter»versalität und somit verschiedene Arten des Wissens und Formen der Existenz. Dabei handelt es sich nicht um eine Wissenschaft, sondern um Wissensformen aus unterschiedlichen Regionen (wenn es nicht so wäre, würde es sich um Kolonialisierung handeln). Wenn aus jeder Region und Kultur eine liebevolle und respektvolle Anpassung und Beziehung zur Natur praktiziert werden würde, könnten wir vielleicht das Gemeinwohl, eine gemeinsame Vision des Planeten entwickeln. Somit könnte man die universalistische Sichtweise einer der dominantesten und aus ihrer Sicht wohlhabendsten Kulturen dekonstruieren. Das Konzept der sogenannten ‹westlichen Modernen› ist eine Art, die Welt zu verstehen. Es ist die dominanteste, aber nicht die einzige Art. Auch wenn sie in der Tat wertvoll ist, verliert sie ihre Kraft beim sich Auferlegen auf andere Kulturen.

3) Rückkehr oder Wiederherstellung der Praxis der Kultivierung, ohne an den Markt oder an Kauf und Verkauf zu denken. Jetzt, mehr denn je, ist es nötig die landwirtschaftliche Produktion zu fördern, um sicherzustellen, dass der Markt gesunde und ökologische Produkte verkauft, die für die Bäuer*innen gerecht sind. Für den Eigenverbrauch zu säen, benötigt eine hochsensible Anpassung an das Klima. Daher muss es immer  Teil der öffentlichen Politik sein, diese Art von Praxis zu schützen. Zum Beispiel wurden in der gleichen Gemeinde von Quispillacta die Artenvielfalt von Mais (100 Arten) und Kartoffeln (500 Arten) wiederhergestellt.

4) Wiederherstellung einer rituellen Beziehung zur Natur, dem Gefühl, von ihr gepflegt zu werden und gleichzeitig dankbar zu sein das, was uns umgibt, der*die Schützer*in dessen zu sein und so den Kosmos und das Klima anzunehmen. Die Arroganz lässt uns diesen Akt der Demut und Harmonie mit der Natur, die in vielen Kulturen «Mama» genannt wird, nicht vollführen. Viele Gemeinden sind dankbar für die Ernte, für das Wasser, für den Himmel, für den Regen, für die Tiere. Sie sind dabei nicht als Objekt zum Ausbeuten, Kaufen oder  Verkaufen zu sehen. Dies stellt lediglich ein Mittel, nicht jedoch die Hauptorientierung des menschlichen Umgangs mit der Natur dar.

5) Die Wiederaufnahme von Gemeinschaftsleben und Reziprozität zwischen verschiedenen Menschen, unabhängig von Alter, Religion, Geschlecht, Größe oder Farbe. Die Integration ist eine konstante Praxis in vielen Völkern. Der Individualismus hat uns zu gewalttätigen, voneinander entfernen Feinden gemacht. Falscher Kollektivismus hat uns pervers gemacht. Bestehende Gemeinschaftspraktiken öffnen unser Leben, um gegenseitige Bedürfnisse zu teilen und Beziehungen aufzubauen. Ein Kollektivismus, der die Vitalität eines jeden Menschen mit seinen Gefühlen verweigert, ist so schädlich wie ein Individualismus, der die Anwesenheit des Gemeinwohls verweigert. So hat in der genannten Gemeinschaft jede Person ihre spezifische Rolle, niemand nimmt die Stelle eines anderen ein. Die Frau übernimmt eine der am meisten geschätzte Aufgabe der Gemeinschaft und zwar, die Samen in den Boden zu geben, damit sie keimen können. Das setzt die Frau als Autorität, neben ihrem Partner, vor die ganze Gemeinschaft. Der Mann ist es, der die Ackerfurchen legt, in die dann die Samen gegeben werden. Die Kinder lernen ein ausgeglichenes Leben in dieser Gemeinschaft. Für sie ist die Erde und die Natur weiblich.

«Es wird nicht möglich sein, das Klima oder das Leben auf dem Planeten wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wenn das harmonische Verhältnis von Zuneigung und Respekt gegenüber der Natur nicht wieder aufgenommen wird.»

Kurz gesagt, was aus dieser Gemeinschaft gelernt wird, ist, dass es nicht möglich sein wird, das Klima oder das Leben auf dem Planeten wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wenn das harmonische Verhältnis von Zuneigung und Respekt gegenüber der Natur nicht wieder aufgenommen wird.