Es ist eine klassische Masche reaktionärer Ideolog*innen, die soziale Frage gegen den Klimaschutz auszuspielen. Von der AfD bis Sahra Wagenknecht, von Friedrich Merz bis Klaus Ernst, wenn es darum geht, Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern, spielen sie sich gerne als Anwälte des ‹kleinen Mannes› auf, der unter die Räder zu geraten drohe. Und daran ist, wie bei aller Ideologie, auch etwas dran. Das Körnchen verzerrter Wahrheit in diesem Narrativ ist, dass der binnenkapitalistisch geführte Klimakampf tatsächlich den Druck auf Lohnabhängige erhöht. Die ‹Klimakleber› der Letzten Generation stressen die Pendler*innen, die zu spät zur Arbeit kommen. Klimaschutz äußert sich für Lohnabhängige in Form steigender Energiepreise oder der auf Mieten abgewälzten Kosten der Haussanierung. Und schließlich arbeiten Millionen lohnabhängiger Menschen in Deutschland in den fossilen Industrien. Sie können ihre Arbeitskraft mitunter nur dadurch reproduzieren, indem sie Verbrennungsmaschinen herstellen.

Rattenfänger diverser Couleur haben es also leicht, die sozialen Folgen des Widerspruchs zwischen Ökonomie und Ökologie auszunutzen. Die Lüge, die dieses Narrativ zur Ideologie macht, besteht eben darin, diesen fundamentalen Widerspruch zwischen Kapital und Klima auszublenden. Das Kapitalverhältnis muss immer größere Mengen an Ressourcen in der Warenproduktion verfeuern, um in seiner uferlosen Verwertungsbewegung aus Geld mehr Geld zu machen. Da die Lohnarbeit die Substanz des Kapitals bildet, führen alle Produktivitätssteigerungen dazu, dass Warenausstoß und somit auch Ressourcenhunger der globalen Produktionsmaschine erhöht werden muss.

«Das Kapitalverhältnis muss immer größere Mengen an Ressourcen in der Warenproduktion verfeuern, um in seiner uferlosen Verwertungsbewegung aus Geld mehr Geld machen zu können.»

Und die gesamten spätkapitalistischen Gesellschaften hängen in Gestalt von Löhnen und Steuern gewissermaßen am Tropf dieses Weltverbrennungsprozesses. Das ist tatsächlich ein binnenkapitalistisch unlösbarer Widerspruch. Der Kapitalismus ist voll davon. Und dieser Widerspruch durchzieht alle Lohnabhängigen, etwa der Autoindustrie, die ihr Reihenhaus abzahlen und das Studium ihrer Kids finanzieren, während es immer klarer wird, welch mörderischen ökologischen Preis dies haben wird.

Die Klimakrise macht nur evident, dass die Arbeiter*innenklasse als ‹variables Kapital› innerhalb der kapitalistischen Zerstörung kein revolutionäres Subjekt ist und dass der Klassenkampf ein simpler Verteilungskampf ist. Wie sollten emanzipatorische Kräfte nun mit solch einer Demagogie umgehen, die die soziale Krise des Kapitals gegen die ökologische Krise ausspielt? Oftmals finden von wohlmeinender, altmarxistischer Seite hilflos anmutende Versuche statt, eine Übereinstimmung zwischen ökonomischem Klassen- oder ‹Arbeiter*inneninteresse› und Klimaschutz zu konstruieren, die ebenfalls die skizzierten spätkapitalistischen Abgründe ignoriert. Stattdessen wäre es es an der Zeit, klar zu sagen, was Sache ist, um diese Widersprüche, wie auch die ihnen zugrunde liegende Systemkrise, offensiv zu thematisieren, anstatt sie unter dem Tisch zu kehren. Die Tatsache, dass Lohnabhängige alltäglich zwischen dem sozialen Überleben im Hier und Jetzt und dem Klimakollaps in den kommenden Jahren wählen müssen, ist Ausdruck der Notwendigkeit einer Überwindung des kapitalistischen Wachstumszwangs.

Sagen, was Sache ist

Folglich gibt es eine notwendige, radikale Antwort auf alle Demagogie, die Klimaschutz gegen das kapitalistische Binneninteresse der Lohnabhängigen ausspielt: Der Kampf um die Systemtransformation. Das Kapital versagt nicht nur darin, die Soziale- und die Klimafrage zu versöhnen, es ist auch aufgrund seines von eskalierenden Widersprüchen befeuerten Verwertungszwangs schlicht weder in der Lage, die Klimakrise, noch die soziale Krise zu lösen. Folglich muss das Kapital in Geschichte überführt werden. Das ist die richtige Antwort, nicht nur auf alle Demagogie, sondern auch auf die Doppelkrise des Kapitals - anstatt der Konstruktion irgendwelcher revolutionären Subjekte, die es leider nicht gibt. Um es mal im Jargon des alten Arbeiter*innenbewegungsmarxismus zu formulieren: Der Arbeiter würde erst dann zum ‹revolutionären Subjekt›, wenn er nicht mehr Arbeiter sein wollte.

Da es tatsächlich keine Klasse an sich gibt, die qua ihrer Stellung im Produktionsprozess als revolutionäres Subjekt fungieren könnte, bleibt nur die Hoffnung auf die Herausbildung eines radikalen Krisenbewusstseins in der Bevölkerung, das als Basis einer emanzipatorischen Transformationsbewegung fungieren würde. Deswegen ist es bei allen Praxisbemühungen entscheidend, den Menschen hinsichtlich der Krise zu sagen, was Sache ist, um ein Bewusstsein vom Charakter und der Tiefe der Krise herauszubilden, in der wir uns befinden. Das Kapital als blind prozessierende, fetischistische Verwertungsdynamik stößt an seine inneren und äußeren Entwicklungsschranken und entzieht dabei der menschlichen Zivilisation ihre sozialen und ökologischen Lebensgrundlagen. Die kollektive Überwindung des Kapitalverhältnisses wird somit zu einer gesellschaftlichen Überlebensfrage. Und eben dies muss den Menschen vermittelt werden in all den konkreten Kämpfen, die aufgrund der krisenbedingt eskalierenden Widersprüche und Verwerfungen aufflammen.

Krisenkonkurrenz, Überlebenstrieb und Sublimierung

Die Ahnung, dass sich das System in einer schweren Krise befindet, ist allgegenwärtig. Und die sich verschärfenden Verwerfungen lassen die übliche Wechselwirkung aus sozialem Abstieg und zunehmenden Konkurrenzgebaren aufkommen. Es ist ja gerade diese durch den nackten Überlebenstrieb befeuerte Krisenkonkurrenz, die zur Barbarisierung des Kapitalismus und zum Aufstieg der Neuen Rechten – die diese Krisenkonkurrenz mit Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus, religiösen Fanatismus und so weiter ummantelt – ursächlich beiträgt. Dieser in der eskalierenden spätkapitalistischen Alltagskonkurrenz verfangene, unbewusst praktizierte Überlebenstrieb müsste im Rahmen emanzipatorischer Praxis ‹sublimiert› werden. Hierunter soll die bewusste Reflexion der unbewussten Ursachen gesellschaftlichen Handelns, in diesem Fall der Wechselwirkung von Konkurrenzdenken und systemischem Krisenprozess verstanden werden. So wie der blinde Überlebenstrieb der Marktsubjekte nur die Krisendynamik beschleunigt und der Barbarei Tür und Tor öffnet, so könnte ein reflektierter kollektiver Überlebensdrang, der sich der Überlebensnotwendigkeit der gesamtgesellschaftlichen Überwindung des Kapitals versichert hat, einen mächtigen Motivationsfaktor für emanzipatorische Kräfte im Kampf um die Transformation des Spätkapitalismus bilden. Ein radikales Krisenbewusstsein ist sich somit der Unlösbarkeit der sozioökologischen kapitalistischen Doppelkrise und der Überlebensnotwendigkeit der Systemtransformation bewusst.

«Die kollektive Überwindung des Kapitalverhältnisses wird somit zu einer gesellschaftlichen Überlebensfrage.»

Was ist Transformationskampf?

Eine Revolution muss folglich gar nicht gemacht werden, da das Kapital sich selbst zerlegt. Und der Transformationsprozess läuft eigentlich schon in seinen Anfangsstadien ab. Die Krise läuft als ein fetischistischer, unkontrollierbarer Prozess über die Gesellschaft ab, der sich schubweise konkurrenz- und marktvermittelt entfaltet, ohne auf die Ansichten und Kalküle der Insassen der kapitalistischen Tretmühle zu achten. Auch wenn die Lohnabhängigen es nicht wahrhaben wollten, auch wenn sich alle relevanten Bevölkerungsschichten am Kapitalismus festklammern würden, wird das System an seinen inneren Widersprüchen zerbrechen. Offen ist hingegen, was danach kommt – und eben darum gilt es den Transformationskampf zu führen. Die postkapitalistische Gesellschaft könnte in Barbarei versinken oder Momente der Emanzipation realisieren. Vieles ist immer noch möglich. Da auch der Verlauf dieses Umbruchs ergebnisoffen ist, wird hier der offene Begriff der Transformation verwendet, der alle möglichen Arten von koordinierten, chaotischen, friedlichen oder gewaltsamen Übergängen in eine andere Gesellschaftsformation umfassen soll (inklusive des drohenden Übergangs in den Kollaps).

Tatsächlich tobt der Transformationskampf bereits, nur wird er nicht als solcher wahrgenommen. Die Krisendynamik wird ja durch die eskalierenden globalen wie auch innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen ausgeführt, wobei das Aufkommen der Neuen Rechten samt der Gefahr einer autoritären, faschistischen Krisenverwaltung den Antifaschismus derzeit zur zentralen Frontlinie zwischen reaktionären und progressiven Kräften avancieren lässt. Deswegen sind auch die Querfront-Umtriebe in der Linken so verheerend. Anhand der konkreten Kämpfe, die derzeit noch von den selbst-erodierenden politischen Lagern geführt werden, wird es sich entscheiden, in welche Richtung der in Agonie befindliche Kapitalismus taumeln wird.

Beim Transformationskampf geht es also darum, die konkreten Kämpfe, die gerade durch die sozioökologische Weltkrise des Kapitals befeuert werden, schon als Teilmomente eines Kampfes um den konkreten Verlauf der unausweichlichen Systemtransformation zu begreifen und entsprechend bewusst zu führen und somit das Krisenbewusstsein in der Bevölkerung zu verbreiten.  Es ist die große, ganz reale Klammer, die Bewegungskonkurrenz minimiert, da sie die unterschiedlichen progressiven Bewegungen auf einen Nenner bringen kann, sie als Teilmoment eines gemeinsamen Kampfes um einen emanzipatorischen Transformationsverlauf zusammenführt. Hier müssen keine binnenkapitalistischen Interessensübereinstimmungen zwischen ‹Klassenkämpfer*innen› und Klimaschützer*innen halluziniert werden, da beide Bewegungen Teilmomente einer Bewegung sind.

Es ist somit entscheidend, mit welchem Bewusstsein die gegenwärtigen Proteste und Kämpfe geführt werden, selbst wenn deren konkreter Verlauf sich anfangs nicht zwingend in hohem Maße von den systemimmanenten, reformistischen Kämpfen unterscheidet. Die Zielsetzung einer solchen bewusst geführten, anscheinend systemimmanenten Auseinandersetzung – Klimakampf, Lohnkampf, Antifa-Protest, Demos gegen Demokratieabbau, Abwehrkämpfe gegen Sozialabbau, etc. – verändert sich, sobald sie von einem transformatorischen Bewusstsein durchdrungen ist – das heißt, wenn sie als eine Frühphase des Transformationskampfes begriffen und propagiert wird. Der Weg wird zum Ziel: Die Selbstorganisation der Menschen in den entsprechenden Oppositionsbewegungen muss somit bereits von dem Bestreben getragen sein, Momente einer postkapitalistischen Vergesellschaftung auszubilden.

In der Krise denken

Es geht nicht mehr darum, das dahinsiechende System zu reparieren, sondern anhand konkreter Kämpfe optimale Wege aus der kapitalistischen Dauerkrise zu finden, gerade weil ein Kollaps des Kapitals in Barbarei und Zusammenbruch die letzte Niederlage der Linken markieren würde. Die Linke muss daher die Krise als schubweise ablaufenden Prozess begreifen, folglich auch in Prozessen, in Entwicklungen denken, die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen als im Zerfall begriffen wahrnehmen, die entscheidenden Widersprüche verorten und in Antizipation der gewaltigen künftigen Erschütterungen die besten gesellschaftlichen Voraussetzungen, die optimale Ausgangslage für die emanzipatorische Transformation schaffen. Es stellt sich dabei immer ganz konkret die Frage, welche politischen Strukturen, welche gesellschaftlichen Machtkonfigurationen beim nächsten Krisenschub vorherrschen sollen. Der sich hinter dem Rücken der Subjekte entfaltende Krisenprozess kann auf sehr unterschiedlich strukturierte spätkapitalistische Gesellschaften treffen. Sie können oligarchisch, präfaschistisch oder bürgerlich-demokratisch, eher egalitär oder ständehaft, nationalistisch oder kosmopolitisch, säkular oder religionsfaschistisch und so weiter ausgerichtet sein.

Der vom radikalen Krisenbewusstsein getragene Klassenkampf kann genauso als Keimform und Teilmoment des Transformationskampfes fungieren wie der Klimakampf. Eine klare Frontstellung gegenüber Faschismus und Krisenopportunismus – das offene Propagieren der Transformation ist auch das beste Gegengift zum Opportunismus – müsste somit mit einem integrativen Ansatz einhergehen, der möglichst weit ausgreift, um unter breiter Bündnisbildung die optimalen Transformationsvoraussetzungen zu schaffen. Die Schwierigkeit einer solchen Bündnispolitik besteht nun zum einen darin, entsprechende Kräfte zu lokalisieren, die das Potenzial aufweisen, den weiteren Transformationsprozess in eine emanzipatorische Richtung zu lenken, und zum anderen im Hineintragen des radikalen Krisenbewusstseins in diese Bewegungen.

Dabei gilt es aber, eine Hierarchisierung der Kämpfe in klassenkämpferische Haupt- und sonstige Nebenwidersprüche zu vermeiden. Die klassenkämpferischen Auseinandersetzungen bei Lohnkämpfen oder Sozialprotesten können nur gleichberechtigt mit anderen sozialen Kämpfen, wie Antifa, Klimakampf, Antimilitarismus, Feminismus, Demokratieverteidigung, sexuelle Selbstbestimmung etc. in einer transformatorischen Bewegung dazu dienen, deren falsche Unmittelbarkeit im Laufe der Auseinandersetzungen zu überwinden. Die sozialen Kämpfe, Proteste oder Umverteilungskämpfe würden durch das Hineintragen eines radikalen Krisenbewusstseins zu Momenten eines Transformationskampfes werden, der sehr schnell beim Überschreiten sozialer oder ökologischer Kipppunkte, die immer öfter zusammenfallen düften, eskalieren würde.

«Die Selbstorganisation der Menschen in den entsprechenden Oppositionsbewegungen muss somit bereits von dem Bestreben getragen sein, Momente einer post­kapitalistischen Vergesellschaftung auszubilden.»

Selbst verkürzte Praxisansätze wie der oft in falscher Unmittelbarkeit geführte Klassenkampf und die für die Zwänge subjektloser, spätkapitalistischer Herrschaft blinden Gegenentwürfe, der im Nischendenken festsitzenden Postwachstums- und Degrowth-Bewegung könnten gerade hier im konkreten, bewusst geführten Kampf um die postkapitalistische Zukunft ihre Amalgamierung erfahren. Der progressive Transformationskampf wäre die Fusion beider Impulse, des Kampfs um das Überleben des Zivilisationsprozesses, der nur mittels Realisierung gesellschaftlicher Alternativen aufrechterhalten werden könnte.

Aus dem Transformationskampf erschließt sich auch der Begriff der Emanzipation – es ist eine Emanzipation vom gesellschaftlichen Fetischismus, also von der Fremdbestimmung der Subjekte durch gesellschaftliche Dynamiken, die diese Subjekte unbewusst, marktvermittelt selbst hervorbringen. Dies kann nur von einer Bewegung geleistet werden, die sich ihrer eigenen Lage bewusst ist. Deswegen gilt es, den Menschen zu sagen, was Sache ist, da nur bei einem bewussten, aus der Einsicht in die Notwendigkeit resultierenden Kampf um eine postkapitalistische Zukunft eventuell noch Momente der Emanzipation entstehen könnten. Der Kampf gegen Demokratieabbau im Spätkapitalismus wäre dann als ein Kampf um die Aufrechterhaltung gewaltfreier Transformationswege zu führen, gerade weil die Krise der autoritären Flucht in die Staatsgläubigkeit Vorschub leisten wird.

Die Orientierung auf eine postkapitalistische Gesellschaftsformation könnte nicht nur der autoritären Staatsgeilheit der konservativen Teile der Traditionslinien den Riegel vorschieben, sie könnte auch dem reaktionären Narrativ vom Konsumverzicht das Wasser abgraben: In einer postkapitalistischen Gesellschaft würden die menschlichen Bedürfnisse aus dem Zwangskorsett der Warenform befreit werden. Diese Befreiung der Bedürfnisse vom Konsumzwang der Warenform könnte somit massiv Ressourcen einsparen, ohne als Konsumverzicht wahrgenommen zu werden.

Es gilt folglich, aller Evidenz zu trotz, darum zu kämpfen, den unausweichlichen Transformationsprozess, der den jetzigen Zustand todsicher aufheben wird und der in seinem Verlauf und Ergebnis immer noch offen ist, im Transformationskampf mittels einer bewusst agierenden Bewegung zu formen. Dabei müssen hier schon Keimformen einer postkapitalistischen Gesellschaft aufscheinen, die ihrer Reproduktion bewusst in einem egalitären, basisdemokratischen Verständigungsprozess gestaltet sind. Die Systemtransformation ist unvermeidbar, es kommt darauf an, sie in eine progressive, emanzipatorische Richtung zu lenken. Es gibt keine Alternative dazu, dieses größenwahnsinnig erscheinende Unterfangen anzugehen, da das System seiner destruktiven Eigendynamik folgend in Kollaps und Barbarei umzuschlagen droht. Die Überführung des Kapitals in Geschichte stellt den letzten kapitalistischen Sachzwang dar.