Die Klimakrise ist eine Klassenkrise, die intersektional mit anderen Ungleichheitsdimensionen, vor allem Lebensort, Nationalität, Rassismus und Sexismus, verschränkt ist. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache – drei kurze Beispiele aus neueren Studien: 2021 waren die oberen zehn Prozent der Weltbevölkerung verantwortlich für fast die Hälfte aller energiebezogenen CO₂-Emissionen, die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur für 0,2 Prozent. Über den gesamten Zeitraum 1990–2019 – also die entscheidenden Jahrzehnte, in denen die Folgen des Verbrennens fossiler Ressourcen bekannt waren und ein großer Teil der Klimakatastrophe verursacht wurde – emittierten die reichsten ein Prozent 1,5-mal so viel Treibhausgase wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Und bei aktuellen Trends werden allein die Emissionen der weltweiten Millionäre – vor allem ältere, weiße Männer – mehr als 70 Prozent des gesamten Emissionsbudgets aufbrauchen, das verbleibt, um das 1,5 Grad-Limit nicht zu reißen.

Während die Produktions- und Lebensweise von relativ kleinen Teilen der Weltbevölkerung, die aus einer globalen Perspektive sehr privilegiert sind, die Klimakrise maßgeblich verursacht, sind die Folgen schon jetzt im globalen Süden katastrophal: Flutkatastrophen, Dürre, Brände, Hunger. Der IPCC warnt davor, dass wenn nicht viel mehr getan wird als die aktuelle Klimapolitik, wir in eine Heißzeit rutschen, diverse Kipppunkte des Erdsystems ausgelöst werden und große Teile der Welt unbewohnbar werden. Von dem fossilen Wirtschaftswachstum, das diese Krisen produziert, profitieren dabei nur wenige. Der World Inequality Report zeigt, dass von allem Vermögenswachstum zwischen 1995 und 2021 das reichste Prozent gesamte 38 Prozent akkumulierte, verglichen mit nur zwei Prozent für die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

«Wie kann eine Transformationsperspektive aussehen, die sich dieser globalen Klassenfrage aus der Perspektive des Globalen Nordens stellt?»

Wie kann eine Transformationsperspektive aussehen, die sich dieser globalen Klassenfrage aus der Perspektive des Globalen Nordens stellt? Die dabei sowohl die kapitalistische Akkumulationsdynamik in den Blick nimmt als auch die Folgen der imperialen Lebensweise ernst nimmt? Denn es sind eben nicht nur die Millionäre und die fossilen Kapitalisten, die die Klimakrise vorantreiben, sondern ein wachstumsorientiertes System, an dem die meisten Menschen im globalen Norden teilnehmen und von dem sie teilweise auch profitieren. Degrowth kann als Versuch verstanden werden, hierauf – auf die Klassenfrage im Kapitalozän – eine zeitgemäße Antwort zu finden. Worum geht es dabei, was sind Vorschläge, Akteure, Strategien?

In den letzten zehn Jahren hat sich Postwachstum als Kritik unter den Schlagwörtern décroissance, degrowth, oder Postwachstum eine vor allem europäische Bewegung von Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen versammelt, die das vorherrschende Entwicklungsmodell des kontinuierlichen kapitalistischen Wachstums kritisiert und nach Alternativen sucht. Degrowth – was so viel heißt wie Wachstumsrücknahme oder Entwachstum – ist dabei vor allem ein politischer und provozierender Slogan, der die Hegemonie des Wachstumsparadigmas in Frage stellt. Die Kernidee ist eine sozial-ökologische Transformation der Produktions- und Lebensweise. Sie hat das Wohlergehen aller zum Ziel hat und bedeutet daher – angesichts der ökologischen Krisendynamiken sowie anderer wachstumsbezogener Krisen – für den globalen Norden eine demokratisch organisierte Reduktion von Produktion und Konsum auf ein global gerechtes und nachhaltiges Niveau.

«Ökologische Gerechtigkeit, so ein Kernargument dieser grundlegenden Kritik am «grünen Wachstum», kann nur erreicht werden, wenn die «imperiale Lebensweise» des Globalen Nordens mit ihrem nicht nachhaltigen Wohlstand auf Kosten des Globalen Südens und der Umwelt überwunden wird.»

Degrowth oder Postwachstum – beides kann weitgehend synonym verwendet werden – führt dabei ziemlich vielfältige und teils widersprüchliche Strömungen und Positionen zusammen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle den Technikoptimismus des seit den 1990er Jahren vorherrschenden Nachhaltigkeitsdiskurses mit seinem Versprechen der Entkopplung von Wachstum und Umweltverbrauch kritisieren. Ökologische Gerechtigkeit, so ein Kernargument dieser grundlegenden Kritik am «grünen Wachstum», kann nur erreicht werden, wenn die «imperiale Lebensweise» des Globalen Nordens mit ihrem nicht nachhaltigen Wohlstand auf Kosten des Globalen Südens und der Umwelt überwunden wird. Es geht also um die Deprivilegierung derjenigen, die aktuell auf Kosten anderer leben und diese Kosten in Raum und Zeit externalisieren. Und es geht darum aufzuzeigen, dass die Produktivkräfte, die sich im Kapitalismus entwickeln (technologischer Fortschritt, Industrialisierung, Digitalisierung, Kontrolle über Natur), eben gerade nicht wie in der Linken oft fortschrittsoptimistisch angenommen wurde, progressiv sind, sondern sich zu Destruktivkräften entwickeln. Weil eine absolute Entkopplung von Umweltverbrauch und Wirtschaftswachstum in ausreichendem Maß und der kurzen verbleibenden Zeit ein Ding der Unmöglichkeit ist, impliziert dies ein Ende des Wachstums im Globalen Norden und eine Verringerung der biophysikalischen «Größe» der Wirtschaft.

Postwachstum als konkrete Utopie

Die zweite wesentliche Gemeinsamkeit liegt in dem Versuch, «konkrete Utopien» als Alternativen zum Wachstumsdiktat zu entwerfen, sich mit der Möglichkeit wachstumsunabhängiger Institutionen und Infrastrukturen auseinanderzusetzen und dies mit widerständigen Praktiken und alternativen Lebensweisen im Hier und Jetzt zu verbinden. Überlegungen zu einer Postwachstumsgesellschaft sind dabei nicht isoliert und losgelöst von bisheriger Theorie und Praxis entstanden, sondern basieren auf einer Vielzahl von Denktraditionen und knüpfen an konkrete soziale Auseinandersetzungen an. Wichtige Impulse kommen vor allem aus der politischen Ökologie und Bioökonomik, der feministischen Ökonomie, den postkolonialen und post­development-Studien sowie der Kapitalismus- und Technikkritik. In den letzten Jahren werden materialistische, marxistische und imperialismustheoretische Analysen immer wichtiger.

Im Kern geht es um das Zurückdrängen des Ökonomischen als Sphäre verselbständigter Rationalität und des ökonomischen Kalküls als alleiniger Entscheidungsgrundlage und damit ebenso um die Repolitisierung und Demokratisierung von Nachhaltigkeit, des gesellschaftlichen Stoffwechsels und gesellschaftlicher Institutionen sowie um das Erkämpfen von selbstbestimmten Freiräumen. Dabei bezieht sich Postwachstum ausdrücklich auf die früh industrialisierten Länder des Globalen Nordens, auch wenn soziale Bewegungen aus dem Süden rund um Post-Extraktivismus, Umweltbewegungen der Armen und Kritik an «Entwicklung» wichtige Bündnispartner sind.

Die Kritik am Wirtschaftswachstum ist fast so alt wie das Phänomen selbst. Eine neue Dimension bekam sie durch die verstärkte Wahrnehmung der Endlichkeit der Ressourcen auf diesem Planeten. So ist die breite gesellschaftliche Diskussion über die «Grenzen des Wachstums», die nach dem ersten Bericht an den Club of Rome von 1972 begann, bis heute nicht abgerissen. Die Geburt des Wortes décroissance in seiner heutigen Bedeutung kann auch auf das Jahr 1972 zurückdatiert werden. Der Sozialphilosoph André Gorz fragte bereits damals: «Ist das Gleichgewicht der Erde, für das Null-Wachstum oder sogar décroissance der materiellen Produktion notwendige Bedingung ist, vereinbar mit dem Überleben des kapitalistischen Systems?». Der wichtigste Impuls im 21. Jahrhundert kam von der décroissance-Bewegung, die sich in den vergangenen zehn Jahren von Frankreich über Spanien und Italien her ausgebreitet hat. In den Ursprüngen war diese Bewegung stark in anarchistischen Umweltgruppen und Kampagnen für auto- und werbefreie Städte, gegen industrielle Großinfrastrukturen und für den lokalen Aufbau von Alternativen verwurzelt, hatte aber immer auch eine akademische und internationalistische Ausrichtung auf globale Umweltgerechtigkeit. Die erste internationale Degrowth-Konferenz für ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit fand 2008 in Paris statt und etablierte den englischen Ausdruck «Degrowth» in der internationalen wissenschaftlichen Debatte. Seitdem finden regelmäßig internationale Konferenzen statt – mit teils sehr großem Zulauf: Zur Konferenz 2014 beispielsweise kamen über 3.500 Menschen nach Leipzig. Seitdem hat sich die Diskussion international immer weiter verbreitert, sowohl was die akademische, mittlerweile sehr umfassende Forschung anbelangt, als auch in gesellschaftlichen Debatten und aktueller (Klima-)Bewegungspolitik, sowie an den Rändern politischer Institutionen, wie die «Beyond Growth» Konferenz im Europäischen Parlament im Mai 2023 zeigt. Ein besonders eindrücklicher Ausdruck von zunehmendem Interesse ist das Buch Das Kapital im Anthropozän des japanischen Marxologen Kohei Saito, ein ökosozialistisches Manifest, welches basierend auf Marx die Notwendigkeit eines Degrowth-Kommunismus begründet und zum absoluten Bestseller wurde: Mehr als eine halbe Millionen Kopien wurden verkauft, die Thesen in allen Talkshows diskutiert, eine deutsche Übersetzung ist gerade erschienen.

«Die Kernfragen der Postwachstumsdebatte lautet daher, wie materielle, gesellschaftliche, mentale und ökonomische Institutionen so verändert werden können, dass sie zum einen nicht mehr wachstumsabhängig und wachstumstreibend sind und zum anderen ohne Wirtschaftswachstum soziale Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und ein gutes Leben für alle ermöglichen.»

Mit dem starken Fokus auf systemische Alternativen hat sich Postwachstum nicht nur zu einem Kernkonzept lebhafter intellektueller und wissenschaftlicher Debatten entwickelt, sondern auch zu einem interpretativen Rahmen für vielfältige alternativökonomische Strömungen und soziale Bewegungen. Auch wenn fraglich ist, ob von einer Degrowth-Bewegung gesprochen werden kann, hat dieses politische Schlagwort neue Akteur*innen hervorgebracht, Nachhaltigkeitsdiskussionen politisiert und vor allem ein breites Feld von sozialen Bewegungen und praktischen Alternativprojekten vernetzt – von der Care-Bewegung über die solidarische Ökonomie oder Commons bis hin zu Protesten gegen Braunkohle. Ein genauerer Blick auf die Akteure zeigt, dass diese (ähnlich wie in vielen Teilen der organisierten Linken und der ökologischen Bewegungen) vor allem aus privilegierten gesellschaftlichen Klassen- und Milieus des Globalen Nordens kommen, mehrheitlich weiß sind, sowie einen akademischen Hintergrund haben. Dies lässt sich aus einer anti-klassistischen Perspektive zu Recht kritisieren – kann aber auch mit dem Fokus auf (Selbst-)Deprivilegierung teilweise erklärt werden, wenn Degrowth als Versuch verstanden wird, die vielfältigen, intersektional verschränkten Privilegien im Kontext der imperialen Lebensweise aus der Perspektive der stärker Privilegierten zu adressieren.

Beyond Capitalism

Die Reduktion der Wirtschaftsaktivität ist dabei nicht das Ziel, sondern eine Konsequenz des als notwendig erachteten Transformationsprozesses. Postwachstum heißt nicht – auch wenn dies oft missverständlich so interpretiert wird –, die Wirtschaft innerhalb der bestehenden ökonomischen und sozialen Strukturen, Verteilungs- und Eigentumsverhältnisse zu schrumpfen. Ein alleiniger Fokus auf einen Schrumpfungsimperativ ist verkürzt und gefährlich, wie nicht zuletzt neoliberale und konservativ-neofeudalistische Spielarten von Wachstumskritik insbesondere in der Bundesrepublik zeigen, die Wachstumskritik zum Rechtfertigungsinstrument und Hebel von Austerität und Sozialabbau machen. Im Gegensatz dazu zielt Postwachstum auf eine demokratisch ausgehandelte Transformation, die nicht nur Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen einbezieht, sondern grundlegend auch Lebensweisen und Vorstellungswelten. In Abkehr von stetiger Beschleunigung, Steigerung und Überforderung geht es darum, den Übergang hin zu einer reduktiven Moderne zu gestalten. Der überwiegende Teil der Postwachstumsdebatte stellt sich daher auch gegen Versuche von Teilen der völkischen und nationalistischen Rechten sowie nach rechts offenen esoterisch-landwirtschaftlichen Gruppierungen, das Konzept der Postwachstumsökonomie zu vereinnahmen. Denn auch wenn es oberflächlich betrachtet gewisse Ähnlichkeiten gibt, ist der Grundimpuls mit seiner internationalistischen Ausrichtung auf die Überwindung der imperialen Lebensweise derartigen Vorstellungen diametral entgegengesetzt. Ausdruck findet dies in solidarischen Alltagspraktiken, offener Lokalisierung und im Einstehen gegen Rassismus und für Bewegungsfreiheit.

Die Kernfragen der Postwachstumsdebatte lautet daher, wie materielle, gesellschaftliche, mentale und ökonomische Institutionen so verändert werden können, dass sie zum einen nicht mehr wachstumsabhängig und wachstumstreibend sind und zum anderen ohne Wirtschaftswachstum soziale Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und ein gutes Leben für alle ermöglichen. Besonders charakteristische Vorschläge, die dazu diskutiert werden, sind eine radikale Arbeitszeitverkürzung für alle sowie eine gesellschaftliche Stärkung der Care-Arbeiten, ein Grund- aber vor allem auch ein Maximaleinkommen, der Ausbau sozialer Infrastrukturen und nicht-monetärer, commons­basierter Formen der Daseinsvorsorge, sowie eine ökologische Steuerreform kombiniert mit radikaler Umverteilung von Vermögen und Einkommen.

Postwachstum hat in den letzten Jahren wesentlich dazu beigetragen, wachstums- und technikzentrierte Zukunftsnarrative zu hinterfragen, die Suche nach grundlegenden und systemischen Alternativen zu stärken und vielfältige Akteur*innen aus sozialen Bewegungen und alternativökonomischen Strömungen zusammenzuführen. Für die nächsten Jahre stellen sich grundlegende Herausforderungen auf all diesen Ebenen. Auch wenn die Entwicklung von Postwachstum als wissenschaftlichem Forschungsparadigma beeindruckend ist, ist es noch ein weiter Weg, bis die Degrowth-Hypothese – dass es möglich sei, in einem anderen Gesellschaftssystem ohne Wachstum gut zu leben – im Mainstream unterschiedlichster Fachdisziplinen, besonders auch der Wirtschaftswissenschaft, bearbeitet wird. Auf der konzeptionellen Ebene gibt es eine Vielzahl offener Fragen und es steht vor allem an, diese als gesellschaftspolitische und dadurch politisierende Debatte zu führen – nicht als individualisierende Verzichtsdiskussion. Schließlich steht Postwachstum vor der Herausforderung, angesichts von Rechtsruck, Abschottung und exportorientierter Wachstumspolitik gesellschaftliche Mehrheiten für ein politisches Projekt zu organisieren, das auf universalistischen Werten basiert, internationalistisch ausgerichtet ist und herrschenden Interessen oft diametral entgegensteht.

Klasse

In Teilen der Degrowth-Diskussion besteht die Tendenz, sich hauptsächlich auf ökologische Fragen zu konzentrieren und dies aus einer klassenblinden und konsumorientierten Perspektive zu tun, die soziale Fragen herunterspielt und Degrowth grundlegend entpolitisiert. Niko Paech ist – mit seinem Plädoyer für eine «Befreiung vom Überfluss» einer der prominentesten Vertreter einer Postwachstumsökonomie in Deutschland – fokussiert beispielsweise auf individuelle «Verantwortungsübernahme» – auf Konsumverzicht, Selbstversorgung und den Aufbau von lokalen Strukturen, um sich durch Entrümpelung, Reparatur oder Eigenbau von der Konsum- und Wachstumswirtschaft zu befreien. Dabei bleibt meist unreflektiert, dass die Handlungsmöglichkeiten der Konsumverweigerung – auch wenn Paech behauptet diese seien «finanziell voraussetzungslos» – de facto bürgerliche Praktiken sind, die sich vor allem in gebildeten, gesellschaftlich gesehen privilegierten und oft finanziell doch abgesicherten Milieus verbreiten. Die Fokussierung auf individuellen Konsumverzicht – auf umweltbewusstes und weniger Konsumieren – ignoriert die Perspektive von Menschen, die sich das nicht leisten können, und steht einer breiteren Wachstumskritik und der Herausbildung von Mehrheiten, die Degrowth-Positionen unterstützen würden, im Weg. Dies ist nicht nur analytisch falsch und politisch unklug, sondern muss auch nicht so sein.

«Degrowth verfügt über die Mittel, um das Thema Klasse in seiner ganzen, auch transnationalen, Komplexität anzugehen.»

Degrowth verfügt über die Mittel, um das Thema Klasse in seiner ganzen, auch transnationalen, Komplexität anzugehen. Um abseits bürgerlicher Milieus – die trotz «grüner Gesinnung» oft die ressourcenintensivsten Lebensweisen pflegen – verallgemeinerbar zu werden, müssen durch kollektive Praktiken gesellschaftliche Strukturen so verändert werden, dass eine ressourcenschonende Lebensweise für viele überhaupt erst möglich wird. Uta von Winterfeld spricht hier vom «Recht auf Suffizienz». Degrowth sollte die Frage der Klassenungleichheit direkt ansprechen, die bestehenden strukturellen Wachstumsabhängigkeiten und ihre Auswirkungen anerkennen und angehen, die Rolle des Konsums und die Kritik des Konsumismus aus einer Klassenperspektive analysieren und Verteilungsgerechtigkeit in der Vision einer Degrowth-Gesellschaft betonen. Gleichzeitig gilt es, Luxuskonsum und damit zusammenhängend gesellschaftliche Ungleichheit und Machtunterschiede zu politisieren, wie das durch Blockaden von Privatjet-Terminals durch Scientist Rebellion und andere Gruppen bereits geschieht (kurz nach Blockaden hat einer der größten Flughäfen Europas, Amsterdam Schiphol, bekannt gegeben, Privatflüge zu verbieten). Dabei geht es nicht nur um Kohlenstoffungleichheit, sondern auch um die gesellschaftlichen Sehnsüchte, die mit der imperialen Lebensweise verknüpft sind.

Um Degrowth auf eine breitere gesellschaftliche Basis zu stellen, könnte der Fokus weiter verstärkt werden, indem die Verbesserungen eines Degrowth-Übergangs mehr in den Vordergrund gestellt werden – von der radikalen Umverteilung durch Vermögens- und Erbschaftssteuern, über Obergrenzen für Vermögen und Einkommen, radikale Arbeitszeitverkürzung und einen «alternativen Hedonismus» bis hin zu einer Neubewertung und geschlechtergerechten Umverteilung von Sorgearbeit. Zentral ist dabei öffentlicher Luxus durch soziale Infrastrukturen für alle: Zugang zu öffentlichen und demokratisch kontrollierten Basisdienstleistungen, die ein würdevolles Leben für alle ermöglichen, und eine gewisse Menge an Wohnraum, Energie, Wasser, Wissen, Gesundheit, Internet, lokalen Nahrungsmitteln und Mobilität für alle zugänglich machen (in Degrowth-Kontexten wird von einer Dotation Inconditionnelle d'Autonomie gesprochen).

Letztlich stellt die Degrowth-Diskussion die Klassenfrage innerhalb des Kapitalozäns – nicht nur innerhalb der kapitalistischen Zentren, in denen sich die Vorteile der imperialen Lebensweise akkumulieren, sondern weltweit, und vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden ökologischen Krise. Doch solch ein Verständnis, wie es hier skizziert wurde, kann die Widersprüche einer ökologischen Klassenpolitik nicht aufheben. Politische Positionen, die mit Degrowth kompatibel sind – und aus Degrowth-Perspektive müssen die das Wort gar nicht verwenden – sind minoritäre Positionen. Das Gleiche gilt für alle politischen Bestrebungen, die imperiale Lebensweisen in Frage stellen. Wie vor diesem Hintergrund mehrheitsfähige, populistische Klassenpolitik für die notwendige sozial-ökologische Transformation aussehen kann, bleibt weiterhin zu entwickeln.