«Rheinmetall enteignen, Sozialökologischer Umbau jetzt» steht auf einem Banner. Aktivist*innen von Riseup4Rojava und der Klimagerechtigkeitsbewegung haben am 10. Januar ein Werk des Waffenproduzenten Rheinmetall in Wien blockiert. Ihrer Forderung müsste eigentlich nichts hinzugefügt werden. Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt die Produktion von Kriegswaffen: Rheinmetall verkauft Waffensysteme, ganze Waffenfabriken und weitere militärische Produkte an Kund*innen in 137 verschiedene Länder, unter anderem an Saudi-Arabien oder an die Türkei. Die Waffen von Rheinmetall töten somit in aller Welt und bieten für autokratische und ausbeuterische Regime die Grundlage um nach innen ihre blutigen Repressionen und nach außen ihre nicht weniger blutigen Großmachtbestreben ausleben zu können. Die Perspektive ist klar: Rheinmetall muss entwaffnet werden.

Aber warum sollte sich gerade Klimagerechtigkeitsbewegung mit der Rüstungs- und Militärindustrie beschäftigen?

Das 1,5°C Pariser Klimaabkommen ist das «ambitionierteste» Abkommen, auf das sich die Nationalstaaten einigen konnten. Dass wir uns darauf nicht verlassen können, ist keine Neuigkeit und auch keinen weiteren Text wert. Aber es lohnt sich, das Abkommen nochmal genauer anzuschauen. Ein Treibhausgas-Emittent wird in diesem Abkommen und in dem Vorhaben «Netto-Null bis 2050» (mehr oder weniger bewusst) weggelassen: das Militär. Denn Staaten sind nicht dazu verpflichtet, die Treibhausgas-Emissionen ihrer Armeen aufgeschlüsselt offenzulegen. Überraschung: Sie tun es dementsprechend auch nicht, oder wenn dann nur in Bruchteilen. Die Studie «Under the Radar» zeigt deutlich, wie konservativ die Einschätzungen der Staaten sind. Dass die Kriegsindustrie und die Armeen weltweit aber einen großen Faktor bei den Treibhausgasen spielt zeigt sich bei einem Blick über den Atlantik. Das US-Militär stößt Schätzungen zufolge mehr Treibhausgase aus als Portugal oder Schweden. 

Es gibt drei Gründe, warum Staaten die Emissionen des Militärs nicht angeben wollen: 1.) Die Staaten befürchten – verständlicherweise – ein Sicherheitsrisiko, wenn sie Informationen zu ihrem Militär preisgeben. 2.) Die Staaten kennen die Emissionen ihres Militärs gar nicht, weil diese sowieso nicht gemessen werden. 3.) Ohne das Militär mit einzurechnen, geht die Rechnung «Netto-Null bis 2050», zumindest auf dem Papier, eher auf. (An dieser Stelle sei kurz angemerkt: Uns ist bewusst, dass das 1,5°C-Ziel und «Netto-Null»-Emissionen im jetzigen System wohl kaum erreichbar sind, und dass beide Konzepte inhärente Probleme haben. In der bestehenden staatlichen Logik sind diese Abkommen und kalkulierten Berechnungen von Emissionen aber durchaus entscheidend).

So oder so zeigt es ein weiteres Mal: Nationalstaaten – mit ihrem inhärenten Militarismus – sind in diesem System nicht in der Lage, die Klimakrise zu lösen.

Mal wieder die Systemfrage

Was bleibt übrig, wenn Staaten und das System nicht in der Lage sind, die Klimakrise zu bewältigen? Dass wir die Klimakrise als Systemfrage verstehen und beantworten müssen. Auch das ist nicht neu, zeigt aber eine weitere Verbindung zwischen Klimagerechtigkeit und Antimilitarismus auf.

Wenige Staaten und eine Handvoll Konzerne profitieren von der Rüstungsindustrie, die Kosten und Schäden werden wiederum im altbekannten Muster ausgelagert. Individuen haben darin keine Entscheidungsmacht. Stattdessen werden die produzierten Waffen genutzt, um Menschen gewaltvoll zu unterdrücken und ihre demokratische und ökologische Ermächtigung zu verhindern. Die Klimagerechtigkeitsbewegung kämpft nicht einfach nur dafür, ein paar Tonnen CO2 einzusparen und fordert auch kein «grünes» Militär. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die das gute Leben und eine gerechte Zukunft für alle ermöglicht. Eben für all das, was im Kapitalismus nicht möglich ist: Nachhaltigkeit und endloses ausbeuterisches Wachstum passen nicht zusammen.

Was hingegen im Kapitalismus sehr wohl möglich ist, ist Waffenproduktion. Krieg und Rüstung stehen in krassem Widerspruch zu Nachhaltigkeit: Alles was für die Zukunft aufgebaut wird, wird von Krieg zerstört, ob Infrastruktur, Existenzen, funktionierende Ökosysteme oder ein Leben in Sicherheit. In den Hallen Rheinmetalls werden die Vernichtung von Menschenleben und die Zerstörung von Infrastruktur und Umwelt produziert. (Nicht) zuletzt ist dies wieder im Falle der Türkei und dessen Angriffe auf Rojava – einem revolutionären und sozialökologischen Gegenentwurf zum fossilen Spätkapitalismus – zu beobachten. Klimagerechtigkeit bedeutet in diesem Fall Solidarität mit unseren Genoss*innen in Rojava zu zeigen und zu verhindern, dass noch mehr Waffen an die Türkei geliefert werden.

Aber nicht nur kommt industrielle Waffenproduktion nicht ohne Kapitalismus aus, auch der Kapitalismus in seiner heutigen Form konnte sich nur durchsetzen, indem er seinen Wirkungsbereich immer wieder mit militärischer Gewalt erweitert hat. Die Folgen sind bekannt: (Neo-)Kolonialismus, Zerstörung, Ausbeutung von Menschen, Arbeitskraft und Umwelt. Diese militärisch geführte Akkumulation und gleichzeitige Grenzsicherung wird im Laufe der Klimakrise nicht nachlassen. Ganz im Gegenteil: Konflikte um Ressourcen, politische Instabilitäten, Hungersnöte und Migrationsbewegungen werden im Zuge der Klimakrise zunehmen. Und aus all dem schlägt die Rüstungsindustrie Profit. Nicht ohne Grund hat Rheinmetall angekündigt, sich künftig auch auf Grenzsicherungs- und Aufklärungstechnologie zu konzentrieren.

Was gibt es strategisch zu gewinnen? 

Damit wird deutlich, dass die Rüstungsindustrie und das Militär auch aus einer Perspektive der Klimagerechtigkeitsbewegung zu bekämpfen sind. Aber wie kann eine radikale Linke an vorherige Kämpfe anknüpfen und worin besteht das Potenzial für die Klimagerechtigkeitsbewegung sich weiterzuentwickeln? Die Klimagerechtigkeitsbewegung steht vor einer Herausforderung: In Parlamenten und der bürgerlichen Gesellschaft wird über Laufzeitverlängerungen, fossiles Gas und über «grüne» Atomkraft diskutiert, alles mit dem Argument, dass es sogenannte Brückentechnologien bräuchte, da die bislang produzierte Energie gerade so den Energiebedarf der Gesellschaft und der hier ansässigen Industrie decke. Befürworter*innen fossiler Energien beten verzweifelt herunter, dass uns flächenweise Stromausfälle drohen, wenn wir Kohlekraftwerke abschalten. Und auch die Klimagerechtigkeitsbewegung befeuert mit ihren Aktionen und der mehrheitlichen Außenwahrnehmung bislang vor allem die gesamtgesellschaftliche Frage, welche Energieträger (nicht) genutzt werden sollen. Anstatt in den Diskurs, wie wir dieselbe Menge an Energie in «grün» bekommen zu intervenieren, sollten wir anfangen zu besprechen, wofür wir überhaupt Strom produzieren wollen. Wollen wir die Erde zerstören, Dörfer abbaggern und die Klimakrise weiter vorantreiben, nur um Waffen und Krieg zu produzieren? Sicher nicht. Um diese Fragen zu stellen und die Antworten geben zu können, müssen wir den Aktionsraum und den Kampf der Klimagerechtigkeitsbewegung gegen fossile Energieträger erweitern. Wir müssen weiterhin an den Stätten der Stromproduktion stehen, aber auch dahin, wo Energie völlig ungerechtfertigt verprasst wird und damit eben auch an die Standorte der Rüstungsproduktion. Wir müssen den Abbau von Kohle blockieren, aber auch die Produktion von Panzern. Wir müssen RWE enteignen, aber auch Rheinmetall entwaffnen. 

Die Kampagne «Rheinmetall Entwaffnen» bietet eine Chance darüber zu sprechen, dass eine klimagerechte Welt nur vorstellbar ist, wenn die Produktion von Energie und Industrie demokratisiert wird. Gemeinsam entscheiden wofür wir Energie tatsächlich produzieren wollen und uns somit aktiv aus der vermeintlichen «Notwendigkeit» der fossilen Energieträger lösen. Lasst uns gemeinsam die System-, aber auch die Produktionsfrage stellen. Für eine Welt in der nach Bedürfnissen und nicht nach Profiten produziert wird!

Warum sollten wir uns gerade jetzt mit linksradikalen Anti-Militarist*innen zusammentun?

Wir können gemeinsam eine der größten, dreckigsten und blutigsten Industrien angreifen. Und wir können das Motto «Kämpfe verbinden» ernstnehmen und – viel wichtiger – trainieren. Theoretische Bekenntnisse zu themenübergreifenden linksradikalen Kämpfen bringen uns nicht weiter, wenn wir diese Überschneidungen nicht praktisch auf der Straße suchen und finden. Das wäre sicherlich auch die letzten Jahre, in denen sich die Kampagne «Rheinmetall Entwaffnen» aufgebaut hat, Grund genug um gemeinsam auf die Straße und in die Werke zu gehen. Dieses Jahr aber gibt es einen entscheidenden Faktor, warum wir das Möglichkeitsfenster zur Intervention nutzen sollten. «Rheinmetall Entwaffnen» hat angekündigt 2022 nach Kassel zu gehen, um dort Rheinmetall zu blockieren. Dieses Jahr findet in Kassel mit der Documenta die größte zeitgenössische Kunstaustellung der Welt statt. Gemeinsam können wir die Weltöffentlichkeit als Bühne nutzen. Gemeinsam können wir die Demokratisierung der Stromproduktion als Thema setzen. Gemeinsam können wir eine antimilitaristische, klimagerechte und linksradikale Bewegung auf die Straße bringen. Gemeinsam können wir intervenieren und Rheinmetall entwaffnen.